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Kommentar: Tempolimit-Debatte: Es wird Zeit für nachhaltige Entschleunigung

Kommentar

Tempolimit-Debatte: Es wird Zeit für nachhaltige Entschleunigung

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    In Deutschland gibt es bisher keine Mehrheit für ein Tempolimit.
    In Deutschland gibt es bisher keine Mehrheit für ein Tempolimit. Foto: Soeren Stache, dpa (Symbol)

    Der Bundestag macht die Gesetze. Und dort gibt es keine Mehrheit für ein Tempolimit. Danke. Das war’s dann eigentlich doch schon. Bitte aussteigen. Die ewigen Argumente dieser Jahrzehnte dauernden Diskussion waren zuletzt erneut im Oktober in der Volksvertretung der Deutschen ausgetauscht worden. Die Grünen waren da mit ihrem Antrag an einer Mehrheit aus Union, SPD, FDP und AfD gescheitert. Die wollte nicht, dass die Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen auf 130 Stundenkilometer begrenzt wird.

    Ein erwartbarer parlamentarischer Vorgang. Der seit den 70ern abgefahrene Slogan von der „Freien Fahrt für freie Bürger“ bleibt das Maß der deutschen Straße. Ein europäisches Alleinstellungsmerkmal. So weit, so seltsam. Denn so sinnvoll Entschleunigung (auch) auf der Autobahn ist, so dringlich wäre ein bisschen mehr Schub für die sogenannte Verkehrswende.

    Worum geht es denn gerade? Deutschland und viele andere hoch entwickelte Industriestaaten bemühen sich darum, vieles umzustellen. Das Wirtschaften soll klimaneutral werden. Neue Mobilitätskonzepte werden erprobt. Die Breitenwirkung entfaltet sich zwar noch nicht so, aber dennoch tut sich vergleichsweise viel. Der Zeitgeist ist grüner denn je. Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, muss sich allerdings schnell viel mehr ändern.

    Auch für die Umwelt macht ein Tempolimit Sinn

    Die Einführung eines Tempolimits hätte hier nicht gigantische Effekte. Verkehrsforscher des Öko-Instituts und des International Council on Clean Transportation etwa haben berechnet, dass das von den Grünen geforderte Tempolimit von 130 zwischen 1,1 und 1,6 Millionen Tonnen CO2 einsparen könnte. Das wären zwar nur bis zu 0,2 Prozent des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes. Aber: immerhin. Viel wichtiger ist allerdings etwas anderes: Das Tempolimit hätte zwar einen vergleichsweise kleinen Beitrag zur Klimarettung geleistet, umso größer wäre aber seine symbolische Kraft gewesen: ein sichtbarer Bruch mit den Zwängen der ewigen Rekordhatz.

    Und was – abgesehen von deutlich erfolgreicheren Klimakonferenzen – braucht es denn eigentlich mehr als das, wenn die Sache mit der Nachhaltigkeit irgendwann gelingen soll?

    Schließlich noch ein perspektivisch-pragmatischer Gedanke mit Blick auf die lange dem Vollgas verschriebene deutsche Schlüsselindustrie, die nun endlich auf E-Autos und alternative Antriebe setzt und möglichst bald möglichst viele autonom fahrende Roboterautos verkaufen möchte. Soll das massenkompatibel werden, erscheint ein Tempolimit sinnvoller denn je. Denn Autofahrer lassen (gerade auf der mittleren und linken Spur) eher und leichter ihre Hände vom Steuer, wenn sie sicher sein können, dass bei einer Geschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde für alle Schluss ist. Gerade in den Anfangsjahren dieser neuen, gerade erst heraufziehenden Mobilitätsära, in der noch viele rechtliche Fragen unklar sind, erscheint das Limit daher sinnvoller denn je. Ganz abgesehen davon, dass eine knappe Mehrheit der Deutschen für ein Tempolimit ist.

    Rasen ist unzeitgemäß

    Es ist richtig, dass Autobahnen gerade im Vergleich zu Landstraßen vergleichsweise sicher sind. Viele Unfallrisiken (Fußgänger, Radfahrer, Kreuzungen) gibt es nicht. Andererseits erschließt sich jedem der Zweck der Geschwindigkeitsbegrenzung aufs Neue, wenn mal wieder der nächste Bolide mit Lichthupe und 220 Sachen vorbeigedonnert kommt. Und zwar schneller, als man über seine Schulter blicken kann.

    Das Rasen birgt ein tödliches Risiko. Vor allem aber ist es unzeitgemäß.

    Lesen Sie dazu auch: Die wichtigsten Fragen und Antworten: Was bringt ein Tempolimit? und Das A8-Experiment: Lohnt sich Rasen wirklich?

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