Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Wenn Politiker Bauleiter spielen: Die Lehren aus dem BER-Debakel

Kommentar

Wenn Politiker Bauleiter spielen: Die Lehren aus dem BER-Debakel

    • |
    Blick in die Abflughalle des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg.
    Blick in die Abflughalle des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Ist Deutschland noch in der Lage, Großprojekte pünktlich und kostentreu zu stemmen? Das Debakel um den Berliner Flughafen hat daran massive Zweifel geweckt, weltweit. Am Samstag nun öffnet er doch, der neue Airport für die deutsche Hauptstadt. Acht Jahre später als geplant, für Baukosten von mehr als sieben Milliarden Euro statt der kalkulierten zwei. Wie peinlich. Der Schaden für den Ruf Deutschlands als Nation der Ingenieure ist immens. So leicht wird sich das nicht ausbügeln lassen.

    Großprojekte: Über Fachkenntnisse verfügen die meisten Politiker nicht

    Abhaken und nach vorne blicken, Schwamm drüber? Bloß nicht. Jetzt darf nicht auch noch die Chance vergeben werden, aus den unzähligen Fehlern wenigstens zu lernen, aus dem immensen Schaden klug zu werden. Das Flughafendesaster ist ja vor allem ein Ausdruck von Politikversagen. Es war Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der glaubte, die Politik brauche keinen Generalunternehmer und könne die Bauleitung selbst günstiger übernehmen. Ein nach parteipolitischen Kriterien besetzter Aufsichtsrat führte darüber dann weder Aufsicht noch behielt er auch nur die Übersicht.

    Ganz ohne Häme – die Aufgabe von Politikern ist schwer genug. Über die Fachkenntnisse, die beim Bau eines Großflughafens hilfreich sind, verfügen die meisten jedoch nicht. Also sollten sie sich darauf konzentrieren, Großprojekte sicher auf den Weg zu bringen.

    Dazu gehört es, Genehmigungsverfahren zu schaffen, die klar, einfach und nachvollziehbar sind. Der deutsche Richtlinien-Dschungel ist zu dicht, wenn sich die Vorschriften noch dazu ständig ändern, wird effizientes Bauen unmöglich. Es muss bei Großprojekten echte Kontrolle stattfinden, Verantwortlichkeiten und damit die Haftungsfrage genau geklärt sein. Sonst haben Abzocker und Betrüger leichtes Spiel. Aufsichtsräte, die im Zweifel nichts gewusst haben, nicht informiert waren oder Vorgänge nicht verstanden haben, sind überflüssig.

    Bauprojekt BER: Für den Steuerzahler ein Fass ohne Boden

    Schon die falsche, politisch motivierte Standortwahl hat dem Flughafen den Start vermasselt. Wäre er, wie von Fachgutachtern empfohlen, in Sperenberg im Landkreis Teltow-Fläming entstanden, hätte sich eine ganze Reihe von Problemen gar nicht erst gestellt. Etwa in Sachen Lärmschutz und bei den Überflugrechten. Ohne eine umfassende und frühzeitige Beteiligung der Bürger sind Großprojekte heute zum Scheitern verurteilt.

    Das Volk erwartet von seinen Vertretern zu Recht, dass sie gut begründen, warum ein Vorhaben für das Gemeinwohl nötig ist. Warum es die Nachteile rechtfertigt, die damit verbunden sind. Wenn es nach einem transparenten demokratischen Verfahren grünes Licht für einen Bau gibt, wenn die Genehmigung auch juristisch einwandfrei ist, ist aber auch Konsequenz nötig. Dann dürfen Politiker nicht vor Aktivisten einknicken, die ein paar Hektar Nutzwald retten wollen.

    Zitate zum Bau des Berliner Flughafens

    "Wir stehen kurz vor der Eröffnung." Der damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit (SPD), 2010 zum Starttermin am 30. Oktober 2011

    "Das ist eine Blamage. Es kann eigentlich gar nicht sein, dass in einem Land wie Deutschland und in einer Stadt wie Berlin so eine Show abgeliefert wird."

    Hartmut Mehdorn als Air-Berlin-Chef 2012 zur BER-Hängepartie)

    "Entweder das Ding fliegt oder ich fliege."

    Brandenburgs damaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) 2013

    "Wenn sie eine Strickjacke am Anfang mit dem ersten Knopf falsch zuknöpfen und dann oben angekommen sind, dann ist es eben so: Dann müssen sie erst alle Knöpfe aufmachen, bevor sie dann wieder neu ansetzen können."

    Hartmut Mehdorn 2014 als Flughafenchef zu den Arbeiten im Terminal

    "Ich bin trotzdem guter Hoffnung, dass dieser Flughafen, wenn er fertig ist, ins Herz der Berliner wächst."

    Der Architekt Meinhard von Gerkan, dessen Büro den Flughafen entworfen hat, 2014)

    "Für mich war es eine Zeit lang wie ein Weihnachtskalender: Jede Woche kam ein neues Thema."

    Der damalige Technikchef Jörg Marks 2015 zu Problemen auf der Baustelle

    "Kein Politiker, kein Flughafendirektor und kein Mensch, der nicht medikamentenabhängig ist, gibt Ihnen feste Garantien für diesen Flughafen." 

    Der damalige BER-Kommunikationschef Daniel Abbou, 2016

    "Eines der größten Probleme ist das Geld - es gab zu viel davon."

    Der Berliner Grünen-Abgeordnete Andreas Otto, 2016

    "Wir planen ja keine Mondlandung." 

    Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) 2017

    "Ein Flughafen ist nie fertig." Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup, 2017

    "Ich akzeptiere es nicht, wenn die Welt über diese Baustelle lacht."

    Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) 2018 nach einem Baustellenbesuch

    "Die Botschaft der Vergangenheit ist ja klar: Wir können Flughafen. Wir können nicht: bauen."

    Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider 2018

    "Wir werden definitiv ein höheres Tempo vorlegen müssen als der Flughafen."

    Tesla-Chef Elon Musk, der in der Nähe des BER eine Autofabrik bauen lässt, im November 2019)

    "Die Bauleute konnten heute berichten: Wir haben fertig."

    Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup im Mai 2020

    Ausgerechnet die bekannteste derzeit laufende Großbaustelle taugt nicht zur Ehrenrettung der deutschen Planungskunst. Die Tesla-Elektroauto-Fabrik in Grünheide bei Berlin wird zügig nach einer Art Baukastensystem errichtet, das sich etwa in den USA und China bereits bewährt hat. Immerhin, was das Genehmigungsverfahren betrifft, scheint das Land Brandenburg seine Lehren gezogen zu haben.

    Ende gut alles gut – für den BER gilt das nur bedingt. Erst muss sich der Flughafen im laufenden Betrieb bewähren. Es ist zu befürchten, dass da weit mehr an Problemen nachkommt, als sich mit den üblichen Kinderkrankheiten erklären ließe. Manche Bauteile und technische Elemente sind ja inzwischen längst wieder veraltet. Für den Steuerzahler droht der BER ein Fass ohne Boden zu bleiben.

    Das könnte Sie auch interessieren: BER, S21, Elphi: Warum Großprojekte so oft scheitern

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden