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Korruptionsvorwürfe: Fall Nüßlein: SPD fordert Aufklärung der Masken-Affäre von Union

Korruptionsvorwürfe

Fall Nüßlein: SPD fordert Aufklärung der Masken-Affäre von Union

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    Georg Nüßlein (CSU) soll nicht der einzige Unions-Abgeordnete gewesen sein, der mit Maskengeschäften Geld verdient hat. Die SPD fordert ihren Koalitionspartner zur Aufklärung auf.
    Georg Nüßlein (CSU) soll nicht der einzige Unions-Abgeordnete gewesen sein, der mit Maskengeschäften Geld verdient hat. Die SPD fordert ihren Koalitionspartner zur Aufklärung auf. Foto: Kay Nietfeld

    SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat die Union aufgefordert, fragwürdige Geschäfte ihrer Abgeordneten bei der Beschaffung von Coronamasken offenzulegen. "Jeder Anschein von Vetternwirtschaft ist Gift für das so notwendige Vertrauen der großen Mehrheit in die politische Führung. Deshalb müssen die Ungereimtheiten bei der Maskenbeschaffung restlos aufgeklärt werden", sagte Walter-Borjans in einem Gespräch mit ntv.de. "Da stehen der Bundesgesundheitsminister, aber auch die Bundeskanzlerin in der Verantwortung."

    Bestechung von Mandatsträgern: Die rechtliche Lage

    Die Bestechung und Bestechlichkeit von Mandatsträgern ist in Paragraf 108e des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Was als Erstes auffällt: Das Gesetz sieht für dieses Delikt eine Höchststrafe von fünf Jahren vor, ein besonders schwerer Fall ist nicht erwähnt.

    Selbst wenn sich also ein Bundestags-, Landtags- oder Europaabgeordneter mit Millionenbeträgen bestechen ließe, müsste er für diese Straftat maximal fünf Jahre lang ins Gefängnis. Kritiker haben schon öfter bemängelt, dass dieses Strafmaß für die Tragweite des Delikts zu niedrig angesetzt ist. Zudem wird kritisiert, dass die Bundestagsabgeordneten als Teil des gesetzgebenden Organs die Regeln bewusst zu ihren Gunsten so milde gestalten.

    Ein weiterer schwieriger Punkt des Paragrafen 108e StGB: Eine Bestechlichkeit bzw. die Bestechung eines Mandatsträgers ist gar nicht so leicht nachzuweisen. „Die Zahlungsflüsse müssen geeignet sein, Einfluss auf das Abstimmungsverhalten des Mandatsträgers zu haben“, erklärt ein erfahrener hochrangiger Ermittler unserer Redaktion.

    Das ist im Einzelfall schwierig zu belegen. Beispiel: Wenn ein Gemeinderat sich vom Festzeltbetreiber zu Essen und Bier einladen lässt und später dafür stimmt, dass der Festzeltbetreiber ein bestimmtes Grundstück bekommt, muss man ihm erst einmal nachweisen, dass er wegen der Einladung so abgestimmt hat.

    Die genaue Lage im Fall Nüßlein ist im Moment noch nicht ganz klar. Aber offenbar hat sich der CSU-Politiker massiv in mindestens drei Ministerien für eine hessische Textilfirma eingesetzt, von der er über seine Firma Tectum 660.000 Euro erhalten hat. (hogs)

    SPD-Chef Norbert Walter-Borjans will Klarheit über die Maskengeschäfte von Bundestagsabgeordneten.
    SPD-Chef Norbert Walter-Borjans will Klarheit über die Maskengeschäfte von Bundestagsabgeordneten. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Die Führung der Unionsfraktion hatte Geschäfte von Abgeordneten bei der Beschaffung von Corona-Masken bereits am Freitag scharf verurteilt. Ein Tätigwerden im Rahmen des Mandats dürfe nicht mit persönlichen finanziellen Interessen verbunden werden, schrieben Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt an alle Abgeordneten der Union.

    "Wir sagen daher sehr deutlich, das Beziehen von Geldleistungen für die Vermittlung von medizinischer Schutzausrüstung im Rahmen der Pandemiebekämpfung von Abgeordneten stößt auf unser vollkommenes Unverständnis und wird von uns entschieden verurteilt." Sie erwarteten, dass solche Sachverhalte vollkommen transparent dargestellt und aufgeklärt würden. "So ein Verhalten entspricht nicht unseren Standards, schadet dem Ansehen der Politik insgesamt und ist nicht zu akzeptieren."

    Linken-Fraktionschef fordert Offenlegung vom Gesundheitsministerium

    Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, nahm den Unionsfraktionschef in die Pflicht. "Ralph Brinkhaus muss umgehend reinen Tisch machen und erklären, wie viele Mitglieder seiner Fraktion sich in der Krise eine goldene Nase verdient haben oder dies versucht haben", sagte Bartsch den Funke-Zeitungen. Außerdem solle das Gesundheitsministerium "jegliche Kommunikation offenlegen, die in der Pandemie zwischen Abgeordneten, Wirtschaft und Ministerium stattgefunden hat".

    Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnet das Verhalten von Bundestagsabgeordneten, die an Maskengeschäften verdient haben, als "unanständig".
    Linksfraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnet das Verhalten von Bundestagsabgeordneten, die an Maskengeschäften verdient haben, als "unanständig". Foto: Annette Riedl/dpa

    Bartsch betonte: "Dass Abgeordnete der Union so gierig und ehrlos sind, sich persönlich an dieser Krise zu bereichern, ist unanständig. Das schadet dem Land und der Politik insgesamt und zerstört weiteres Vertrauen in die Pandemiebekämpfung der Bundesregierung." Den Verzicht des CSU-Bundestagsangeordneten Georg Nüßlein auf eine neuerliche Kandidatur für den Bundestag wertete er als "klares Schuldeingeständnis".

    Nüßleins Anwalt hatte am Freitag angekündigt, dass sich der 51-Jährige wegen der gegen ihn laufenden Korruptionsermittlungen aus der Bundespolitik zurückzieht. Nüßlein legte auch das Amt als Vizevorsitzender der Unionsfraktion nieder, das er zunächst ruhen gelassen hatte.

    Gegen den Parlamentarier wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Ankauf von Coronamasken ermittelt. Die Ermittler hatten deswegen in der vergangenen Woche 13 Objekte in Deutschland und in Liechtenstein durchsuchen lassen, darunter auch Nüßleins Büro im Bundestag sowie sein Wahlkreisbüro im schwäbischen Günzburg.

    Ein weiterer Unions-Abgeordneter war in Maskengeschäfte verwickelt

    Inzwischen wurde bekannt, dass noch mehr Abgeordnete in Maskengeschäfte verwickelt sind. So hat auch der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel Fehler eingeräumt. Löbels Firma hatte nach seiner eigenen Darstellung Provisionen in Höhe von rund 250.000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte.

    Es habe sich hierbei um eine "nach dem Marktüblichen bemessene Vergütung" für die Projektmanagement-GmbH gehandelt. Er habe für die GmbH gehandelt und nicht in Ausübung seines Mandates. Aber: "Als Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit sensibler handeln müssen", teilte Löbel am Freitag auf Anfrage mit. "Diesen Fehler mache ich mir selbst zum Vorwurf." Als Konsequenz zog sich Löbel aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zurück. (dpa)

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