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Hintergrund: Machen die Nationalisten Polen zum neuen Ungarn?

Hintergrund

Machen die Nationalisten Polen zum neuen Ungarn?

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    Jaroslaw Kaczynski und Beata Szydlo. Er ist Chef der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei PiS, sie ist Ministerpräsidentin.
    Jaroslaw Kaczynski und Beata Szydlo. Er ist Chef der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei PiS, sie ist Ministerpräsidentin. Foto: Radek Pietruszka, dpa

    In Wahlnächten, im Rausch des Sieges, neigen Politiker bekanntlich zu Reden voller Pathos. Auch Beata Szydlo ging es so. „Vieles wird in Polen nun anders“, prophezeite die neue nationalkonservative Regierungschefin. Große Worte, denen sie prompt Taten folgen ließ. Taten, die vielen europäischen Kollegen nicht gefallen. Da ist zum Beispiel die Sache mit den Flaggen. Bislang verkündeten Ministerpräsidenten in Warschau wegweisende Dinge meist vor der Kulisse von polnischen und europäischen Fahnen. Damit ist erst mal Schluss.

    Szydlo ließ für ihre ersten Pressekonferenzen das blaue Tuch mit den goldenen Sternen entfernen. Schließlich gehe es um nationale Themen, sagte sie zur Begründung. Es wäre nur eine Kleinigkeit, die man nicht so ernst nehmen müsste – stünde die Verbannung des EU-Banners nicht symbolisch für einen grundsätzlichen Politikwechsel.

    Die Regierung schafft sich unbequeme Richter vom Hals

    Wie viele andere osteuropäische Mitgliedsländer sucht Polen die Konfrontation mit den europäischen Partnern. Im Hintergrund zieht ein Mann die Fäden, der in Deutschland in unangenehmer Erinnerung geblieben ist: Jaroslaw Kaczynski. Er ist Chef der erzkonservativen Regierungspartei PiS und steht wie kaum ein anderer für den Nationalismus in Polen. Er weiß, wie man Aufmerksamkeit bekommt. So verstieg er sich vor einigen Jahren zu der Theorie, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei nur dank Hilfe der DDR-Stasi ins Amt gekommen. Immer wieder fällt der Zwillingsbruder des bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen früheren Präsidenten Lech Kaczynski mit antideutscher Stimmungsmache aus der Rolle. Mehrfach versuchte er, selbst Präsident zu werden. Vergeblich. Nun spielt er seine Macht eben im Hintergrund aus. Die Nationalkonservativen haben so viel Einfluss wie nie. Szydlo regiert im Parlament mit stabiler Mehrheit, und auch Staatspräsident Andrzej Duda kommt ursprünglich aus dem PiS-Lager.

    Wie die Nationalisten mit ihrer neuen Machtfülle umgehen, haben sie in den vergangenen Tagen in verstörender Weise demonstriert. Duda löste einen Eklat aus, indem er den früheren Chef der Anti-Korruptionsbehörde Mariusz Kaminski begnadigte. Dieser war im März wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er legte Berufung ein. Ein neues Verfahren wird es aber nicht geben, denn der Präsident nahm die Sache selbst in die Hand. „Ich habe beschlossen, die Justiz von dieser Angelegenheit zu entbinden“, teilte er lapidar mit. Dass Kaminski PiS-Mitglied ist? Selbstredend reiner Zufall! Sein Platz ist nun jedenfalls nicht im Gefängnis, sondern in der Regierung.

    Die Opposition schäumt vor Wut, spricht von Verfassungsbruch. Doch Duda und seine PiS-Mitstreiter lassen sich nicht beeindrucken. So peitscht die neue Regierung im Eiltempo ein Gesetz durch, mit dessen Hilfe sie sich fünf unbequeme Verfassungsrichter vom Hals schafft. Diese waren noch vom alten Parlament bestimmt worden.

    Wird Polen das neue Ungarn?

    Es folgt ein öffentlicher Aufschrei. Dann geht die Regierung zur Tagesordnung über. Auf der stehen als nächster Punkt die polnischen Medien. Der Staat will viel stärker als bisher Einfluss auf die Berichterstattung nehmen. Was die Regierung als „Umbau“ bezeichnet, ist für andere der Anfang vom Ende der Pressefreiheit.

    Wird Polen das neue Ungarn? Dort nimmt es Premier Viktor Orbán mit der Unabhängigkeit von Justiz und Medien bekanntlich auch nicht so genau. Und es gibt es noch mehr Parallelen. In der Flüchtlingskrise passt kein Blatt Papier zwischen Budapest und Warschau. Die ursprüngliche Zusage, Asylbewerber aufzunehmen, kassiert Szydlo nach dem Terror von Paris kurzerhand wieder ein. Die Rufe nach europäischer Solidarität hält sie für „unangebracht“.

    Und wie soll das weitergehen? Frank-Walter Steinmeier formuliert es so: „Das Verhältnis zum Nachbarland ist durch den Regierungswechsel in Polen nicht einfacher geworden.“ Als Bundesaußenminister ist er es schließlich gewohnt, sich diplomatisch auszudrücken.

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