Als die EU China zum letzten Mal wegen Menschenrechtsverletzungen bestrafte, stand die Mauer in Berlin noch. Damals hatte Peking ein regelrechtes Massaker an Demonstranten am Platz des Himmlischen Friedens verübt. An diesem Montag war es wieder soweit: Die Außenminister der Gemeinschaft folgten einem Beschluss ihrer Botschafter vom Freitag und verhängten gegen vier Chinesen, denen eine Schlüsselrolle bei der Unterdrückung der uigurischen Minderheit vorgeworfen wird, spürbare Sanktionen. Sämtliche Vermögenswerte der betroffenen Personen oder Vereinigungen in Europa wurden eingefroren. Außerdem dürfen ihnen kein Geld oder wirtschaftliche Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt werden. Eine Einreise in die EU bleibt ihnen ab sofort verboten.
Zu den Betroffenen gehört der Direktor des Büros für öffentliche Sicherheit von Xinjiang, Chen Mingguo, sowie Vertreter des örtlichen Parteikomitees des Uigurischen Autonomen Gebietes
Peking verhängt selbst Einreiseverbot gegen deutsche Politiker
Der Schritt ist pikant. Schließlich hatte die EU Ende vergangenen Jahres mit China ein Investitionsabkommen verabschiedet, in dem sich die Pekinger Führung zur Abschaffung von Zwangsarbeit verpflichtet hatte – die Uiguren wurden dabei ausdrücklich erwähnt. Allerdings bezweifeln Beobachter in Brüssel, dass sich Peking daran halten wird. Nun gibt es sozusagen einen Testfall, den China schon am Montag „mit gleicher Münze“ beantwortete. Zunächst hatte der Chef der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, den Beschluss der Außenminister als „richtigen Schritt“ gelobt, „um die chinesische Führung in die Schranken zu weisen“. Wenig später folgte die Antwort aus Peking: Die Führung verbot Bütikofer sowie dem CDU-Europa-Abgeordneten Michael Gahler, dem
Uiguren sind ethnisch mit den Türken verwandt und fühlen sich von den herrschenden Han-Chinesen unterdrückt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt. Peking wirft uigurischen Gruppen Terrorismus vor.
EU will ihr Verhältnis zur Türkei klären
Die Außenamtschefs verhängten weitere Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Nordkorea, Libyen und Myanmar. In einem Fall aber blieben sie zurückhaltend: bei der Türkei. Ende dieser Woche wollen die Staats- und Regierungschefs der Union über ihre zukünftigen Beziehungen zu Ankara beraten. Sie hatten den Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, beauftragt, dafür eine Bilanz vorzulegen, die auch bereits mögliche Sanktionen enthält. „Bei der
![Das Verhältnis zwischen Europa und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist gespannt. Das Verhältnis zwischen Europa und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist gespannt.](https://images.mgpd.de/img/100936517/crop/c1_1-w100/1883420845/273510529/der-naechste-muss-gehender-tuerkische-praesident-recep-tayyip-erdogan-entlaesst-den-chef-der-zentralbank-foto-burhan-ozbiliciapdpa.jpg)
Aber vor allem der Ausstieg Ankaras aus der Internationalen Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt sei ein Rückschlag, monierte Maas. Tatsächlich ist denn auch das Misstrauen der EU gegenüber Ankara tief, obwohl Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Ende vergangenen Jahres betont hatte, die Türkei wolle „ihre Zukunft mit Europa bauen“. Doch die Zweifel in Brüssel sind groß. Sollte Ankara zu den „unilateralen Handlungen oder Provokationen, die das Völkerrecht verletzen, zurückkehren“, werde die Union mit „politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen“ reagieren, heißt es in dem Borrell-Bericht.
Zwar fallen die angedrohten Sanktionen gegen Ankara heftig aus. So ist beispielsweise von Einschnitten beim Tourismus oder bei den Investitionen die Rede. Aber die EU will Erdogan auch nicht vergraulen. Denn eigentlich möchte sie die Türkei für eine Rückkehr zum Flüchtlingsdeal gewinnen, den der Präsident aufgekündigt hatte. Ob schon am Donnerstag beim EU-Gipfel eine Entscheidung fällt, ist noch offen.
Lesen Sie hierzu auch:
- China steckt in einem Dilemma (Kommentar)
- Europa-Besuch von US-Außenminister Blinken: Alte Liebe über dem Atlantik
- China kritisiert "Einmischung" der USA und warnt vor "roter Linie"