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Belarus: Merkel nach Sondergipfel: EU-Staaten erkennen Wahlergebnis in Belarus nicht an

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Merkel nach Sondergipfel: EU-Staaten erkennen Wahlergebnis in Belarus nicht an

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    Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben sich entschieden, das Wahlergebnis von Belarus nicht anzuerkennen.
    Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben sich entschieden, das Wahlergebnis von Belarus nicht anzuerkennen. Foto: John Thys, dpa

    Die inständige Bitte wurde den 27 EU-Staats- und Regierungschefs gleich zu Anfang ihres virtuellen Krisengipfels am gestrigen Mittwoch übermittelt. „Verehrte Anführer Europas, ich rufe Sie dazu auf, das Aufwachen von Belarus zu unterstützen“, appellierte Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja nach Brüssel. Nur wenige Stunden später hatte die 27er- Gemeinschaft die Sätze fertig, auf die die Menschen in Belarus an diesem Mittwoch gehofft hatten: „Wir stehen an der Seite der friedliebenden Demonstranten“, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel und ließ keine Zweifel an der Position der Gemeinschaft aufkommen: „Wir verurteilen die brutale Gewalt gegen Menschen.“

    In Brüssel ergänzte EU-Ratspräsident Charles Michel: „Die Wahlen vom 9. August waren weder frei noch fair. Die EU wird das Ergebnis nicht anerkennen.“ Und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, fügte hinzu: „Wir sind beeindruckt ob des Mutes der Menschen in Belarus.“

    EU-Sondergipfel zu Belarus: 27 EU-Staaten erkennen Wahlergebnis nicht an

    Während in Minsk der umstrittene Präsident Alexander Lukaschenko seine Sicherheitskräfte anwies, erneut gegen Demonstranten mit aller Schärfe vorzugehen, fand die EU bei ihrem virtuellen Krisentreffen die Balance zwischen klarer Verurteilung der Gewalt und behutsamem Umgang mit einer Krise, die Michel zuvor als „komplizierte Situation“ beschrieb. Denn die moralische Rückendeckung für die Opfer von Minsk war ebenso wichtig wie die feinfühlige politische Zurückhaltung der EU. Es gehe schließlich um eine „nationale Krise“ in Weißrussland, betonte Michel. Die Menschen hätten das „Recht, die Zukunft ihres Landes selbst zu bestimmen“. Der Umbau müsse von „innen ausgehen“, sagte von der Leyen. In Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin habe man klargemacht, dass „die Zukunft von Belarus in Belarus entschieden werden muss – nicht in Moskau und auch nicht in Brüssel“. Von der Leyen: „Nichts von all dem, was wir beschlossen haben, richtet sich gegen ein Nachbarland.“ Es war ein Wink mit dem Zaunpfahl Richtung Kreml.

    Die EU-Staats-und Regierungschefs wussten, welchen Tanz auf der Rasierklinge sie ausführen mussten. Auf der einen Seite standen die großen Erwartungen der weißrussischen Bevölkerung nach moralischer Unterstützung, auf der anderen Seite wollten die Europäer nicht den Eindruck erwecken, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Denn das hätte in Moskau jene gestärkt, die für eine militärische Intervention eintreten. So nahm sich die EU an diesem Mittwoch erkennbar zurück, brachte sich nicht einmal als Moderator ins Spiel.

    Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) könnte nach den Vorstellungen der Union zwar aktiv werden, solle aber ebenfalls lediglich den nationalen Dialog in Gang bringen. Dennoch haben die Staats- und Regierungschefs wenigstens eine verhältnismäßig bescheidene Hilfsaktion beschlossen: Mit rund 53 Millionen Euro sollen beispielsweise Kliniken besser ausgestattet werden, um die Opfer von Gewalt betreuen zu können. Rund zwei Millionen Euro sind für die Opfer der brutalen Polizeiaktionen vorgesehen. Außerdem soll in der kommenden Woche die Liste mit Namen der Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen fertiggestellt werden, die die Außenminister beschlossen hatten. Es handelt sich dabei um die Führungsriege im Dunstkreis des Präsidenten. Gegen sie sind Einreiseverbote und weitere Strafen geplant.

    Machthaber Lukaschenko: EU-Staaten sollen sich mit anderen Dingen befassen

    Lukaschenko reagierte unmittelbar nach dem EU-Gipfeltreffen abweisend und mit einem seltsam verqueren Hinweis: „Bevor sie (die Staats- und Regierungschefs der EU, d. Red.) mit dem Finger auf andere zeigen, sollten sie Themen wie ‚Gelbwesten’ in Frankreich oder die schrecklichen Unruhen in den USA auf die Tagesordnung ihrer Treffen setzen.“ Bitten um ein persönliches Gespräch – beispielsweise mit Bundeskanzlerin Angela Merkel - lehnte der Präsident in Minsk strikt ab. Damit war auch klar, dass es keine Vermittlerrolle der Union oder Merkels, die derzeit die deutsche EU-Ratspräsidentschaft innehat, geben wird.

    Statt Gesprächsbereitschaft exerzierte der umstrittene Despot weiter seinen harten Kurs. Er wies seine Regierung an, die Grenzen zu stärken. „Es darf keine Unruhe mehr in Minsk geben“, erklärte Lukaschenko laut staatlicher Nachrichtenagentur Belta nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates. „Die Leute sind müde und wollen Frieden und Ruhe“, behauptete der Staatschef. Wenigstens damit hat er wohl recht, aber anders als von ihm gemeint.

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