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Ukraine-Krise und Waffenlieferung: Merkel und Obama: Frau Zuckerbrot und Mister Peitsche

Ukraine-Krise und Waffenlieferung

Merkel und Obama: Frau Zuckerbrot und Mister Peitsche

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    US-Präsident Barack Obama empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oval Office des Weißen Hauses in Washington zu Gesprächen über die  Ukraine-Krise. Offensive starteten.
    US-Präsident Barack Obama empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oval Office des Weißen Hauses in Washington zu Gesprächen über die Ukraine-Krise. Offensive starteten. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Angela Merkel sieht müde aus. Wenige Stunden nach ihrer Ankunft wirkt die deutsche Kanzlerin im East Room des Weißen Hauses bleich, sie blinzelt oft.

    Die Nordamerika-Reise war lang geplant, eigentlich hatte Merkel sie vor allem der Vorbereitung des G-7-Gipfels in Deutschland widmen wollen.

    Stattdessen jettet die Kanzlerin als Krisenmanagerin durch die Welt, von Kiew über Moskau, München und Washington nach Toronto. Mittwoch wird sie in Weißrussland erwartet, zur nächsten Ukraine-Verhandlung.

    Merkel: "Eine militärische Lösung sehe ich nicht"

    „Die meiste Zeit haben wir uns mit der Sicherheitspolitik befasst“, berichtet sie nach dem Eingangsgespräch mit dem US-Präsidenten. Es hat gut eineinhalb Stunden gedauert, länger als geplant. Von Konflikten in der Ukraine-Krise wollen die beiden Regierungschefs aber nichts wissen.

    Chronologie der Ukraine-Krise

    1. Dezember 2013: Hunderttausende fordern in Kiew den Sturz des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

    18. Februar 2014: Bei neuen Straßenschlachten kommen Dutzende Menschen ums Leben.

    22. Februar: Janukowitsch fliegt ins ostukrainische Charkow, lehnt aber einen Rücktritt ab. Das Parlament erklärt ihn später für abgesetzt und macht seinen Chef Alexander Turtschinow zum Übergangspräsidenten.

    27. Februar: Bewaffnete besetzen auf der ukrainischen Halbinsel Krim Regierungsgebäude. Das prorussische Krim-Parlament will eine Volksbefragung zum künftigen Status der Region und setzt die Regierung ab.

    1. März: Russlands Föderationsrat stimmt auf Bitten von Putin einem Militäreinsatz auf der Krim im Grundsatz zu.

    11. März: Das Krim-Parlament beschließt die Unabhängigkeit der Halbinsel. Als Reaktion verfügt die Europäische Union Sanktionen gegen Russland. Auch US-Präsident Barack Obama verhängt Sanktionen.

    16. März: Die Krim stimmt in einem Referendum für den Beitritt zu Russland. Die USA und die EU verschärfen ihre Strafmaßnahmen.

    6. April: Bei Demonstrationen im russischsprachigen Osten der Ukraine besetzen moskautreue Aktivisten Verwaltungsgebäude in den Millionenstädten Charkow und Donezk sowie später in weiteren Orten. Sie fordern Referenden über eine Abspaltung der Ostukraine von Kiew und rufen eine souveräne Volksrepublik aus.

    13. April: Ein «Anti-Terror-Einsatz» gegen die Separatisten in der Stadt Slawjansk fordert Tote und Verletzte. Kiew wirft Moskau vor, die Unruhen mit eingeschleusten Provokateuren zu schüren. Russlands Außenminister Sergej Lawrow weist die Vorwürfe zurück.

    18. April: Bei einem internationalen Treffen in Genf wird ein Friedensplan beschlossen. Wichtigster Punkt: Die Separatisten in der Ostukraine sollen die Waffen niederlegen und besetzte Gebäude räumen.

    22. April: Die Regierung in Kiew setzt ihren Militäreinsatz im Osten des Landes fort. Zuvor hatte US-Vizepräsident Joe Biden bei einem Besuch in Kiew mit Hilfszusagen für die Ukraine der prowestlichen Führung demonstrativ den Rücken gestärkt.

    25. April: Als Reaktion auf die Militäroffensive im Osten der Ukraine beginnt Russland ein Manöver im Grenzgebiet. Putin verurteilt den ukrainischen Armee-Einsatz als «sehr ernstes Verbrechen», das Folgen für die Regierung in Kiew haben werde. Der Kreml und Washington beschuldigten sich gegenseitig, nichts zu einer Entspannung der Lage beizutragen.

    „Eine militärische Lösung sehe ich nicht“, wiederholt Merkel einen Standpunkt, den sie in den vergangenen Tagen mehrfach eindringlich vorgetragen hat. Obama stellt klar, dass seine Regierung den neuen diplomatischen Anlauf vorbehaltlos unterstützt: Die Aussichten für eine militärische Lösung waren immer gering.

    Konservative im US-Senat rufen zunehmend lauter nach Waffenhilfen für Kiew; die deutsche Regierung ist der prominenteste Gegner solcher Maßnahmen.

    Barack Obama will Waffenlieferungen noch nicht ausschließen

    Am Montag meldeten US-Medien, Obama habe vor einer Entscheidung den Besuch der Kanzlerin abwarten wollen, aber er gilt selbst als einer der größten Skeptiker. Nun erwähnt er das Thema sogar erst auf Nachfrage. „Es ist wahr, dass ich mein Team gebeten habe, alle möglichen Optionen zu prüfen, und die Lieferung tödlicher Waffen ist eine davon“, erklärt er.

    Es sei aber klar, dass die Ukraine bei einer Eskalation die russische Armee nicht besiegen könne. „Meine Hoffnung ist, dass Putins bevorzugte Lösung eine diplomatische ist“, sagt Obama. Auch wenn die nächste Verhandlungsrunde scheitere, werde es eine gemeinsame Antwort des Westens geben: Das sei eine neue Sanktionsrunde, das machen beide Regierungschefs klar.

    Ziel sei zunächst einmal ein Zustand, bei dem nicht jeden Tag Menschen sterben müssten, erklärt Merkel. „Wir stehen total zusammen, dass es einen neuen diplomatischen Anlauf gibt.“

    Merkel gesteht Unterstützung zu - so oder so

    Dass es in den vergangenen Tagen abweichende Eindrücke gegeben hat, ist auch einer geschickten Rollenverteilung zuzuschreiben. Berlin lockt mit dem Zuckerbrot, während Washington mit der Peitsche droht.

    Ohne Druck, das weiß man auch an der Spree, wird Putin nicht zu Zugeständnissen zu bewegen sein. Hinter den Kulissen soll Merkel den Kremlchef gewarnt haben, sie werde sich US-Waffenlieferungen nicht widersetzen. „Sie können davon ausgehen, dass die Allianz in jedem Fall weiter da sein wird“, antwortet sie Journalisten nun auf die Frage, wie sie sich gegebenenfalls zu verhalten gedenke.

    Von Streit um die Aktivitäten der NSA ist in der Pressekonferenz nur am Rande die Rede. Es gebe weiterhin Redebedarf, stellt die Kanzlerin klar, aber die Herausforderungen durch Russland und den Islamischen Staat zeigten auch, „wie eng wir zusammenarbeiten müssen“.

    Letzte Hoffnungen auf den Sondergipfel in Minsk

    Obama erinnert an die jahrzehntelange Unterstützung Westeuropas durch die USA. „Manchmal würde ich mir wünschen, dass die Deutschen uns im Zweifel auch mal vertrauen.“ Dass Merkel statt wie zuletzt im Hotel diesmal im Gästehaus des Weißen Hauses übernachtet, darf als Zeichen der Wertschätzung gelten.

    Alle Hoffnungen richten sich nun auf das Vierertreffen am Mittwoch in Minsk. Beim Ukraine-Gipfel wird Angela Merkel zusammen mit ihrem französischen Amtskollegen François Hollande, mit dem russischen Präsidenten Putin und dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko über eine Friedenslösung für die umkämpfte Ostukraine verhandeln. Alle vier stehen unter Druck.

    Es geht um Frieden und für Merkel und Hollande in Europa noch persönlich um Verhandlungsgeschick oder Scheitern. Putin ist gerade in Ägypten und fordert in der Staatszeitung Al-Ahram ein Ende der militärischen „Strafaktion“ im Osten der Ukraine. Eine Aufforderung zur Waffenruhe enthielt das Interview nicht.

    Es ist davon auszugehen, dass Putin nach Geländegewinnen der Separatisten die Demarkationslinie weiter ziehen will, als es im September vereinbart wurde. Das dürfte für Poroschenko die bitterste Pille sein. Die Kanzlerin stellte bereits klar, dass sie sich in Grenzfragen „niemals“ einmischen werde. mit dpa

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