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Pegida: Nach Bachmann-Rücktritt: Was wird aus Pegida und Bagida?

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Nach Bachmann-Rücktritt: Was wird aus Pegida und Bagida?

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    Lutz Bachmann ist nach anhaltender Kritik auf seine Facebook-Posts als Pegida-Chef zurückgetreten. Doch was wird nun aus der Bewegung?
    Lutz Bachmann ist nach anhaltender Kritik auf seine Facebook-Posts als Pegida-Chef zurückgetreten. Doch was wird nun aus der Bewegung? Foto: Arno Burgi/Archiv (dpa)

    Bedeutet der Rücktritt von Lutz Bachmann das Ende von Pegida und Bagida? Robert Philippsberg, Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, erwartet zumindest, dass die Demonstrationen nicht mehr in der jetzigen Größe stattfinden.


    Pegida-Initiator Lutz Bachmann ist zurückgetreten. Was wird nun aus der Bewegung, Herr Philippsberg?

    Robert Philippsberg: Ich denke, dass Pegida einen ziemlichen Imageschaden erlitten hat, denn durch den Rücktritt wurde ja deutlich die Gesinnung offengelegt, die Pegida-Organisator Lutz Bachmann vertritt. Auch zuvor war bekannt, dass er Vorstrafen hat, aber ich denke gerade durch die Facebook-Posts werden sich noch mehr Menschen darüber klar, mit wem sie es hier wirklich zu tun haben. Mit den Protesten könnte es eine Zeit lang natürlich trotzdem so weitergehen, aber das zeigt sich erst am kommenden Montag. Wobei ich mir da auch vorstellen kann, dass nach dem Demonstrationsverbot dieser Woche viele Menschen zu den Kundgebungen kommen. Einen Imageschaden hat die Bewegung durch den Rücktritt auf jeden Fall erhalten.

    Pegida nutzt die beschimpften Medien nun als Kommunikationsmittel

    Wie hat sich die Bewegung denn seit dem Beginn der Proteste entwickelt?

    Das ist Pegida

    DER NAME: "Pegida" steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Im Kern handelt es sich um ein Demonstrationsbündnis, das sich gegen eine angeblich drohende Ausbreitung des Islamismus in Deutschland und Europa einsetzt.

    DIE DEMOS: Das Bündnis führt an Montagen Proteste in Dresden durch. Zur ersten Demonstration im Oktober kamen etwa 500 Menschen. In Spitzenzeiten waren es 17.000. Inzwischen ist der Trend rückläufig.

    DER ORGANISATOR: Initiator der Proteste ist Lutz Bachmann, Inhaber einer Werbeagentur. Bachmann ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung sowie Einbruch und Diebstahl. 1998 floh er nach Südafrika, um einer fast vierjährigen Haftstrafe in Deutschland zu entgehen.

    DIE ZIELE: Die Teilnehmer des Bündnisses protestieren unter anderem für eine „Null Toleranz“-Politik gegenüber „straffällig gewordenen Zuwanderern", für den "Schutz der deutschen Identität“ und gegen "Asylmissbrauch".

    DIE GRUPPEN: Mittlerweile gibt es nicht nur in Dresden ein solches Bündnis, sondern auch in Magdeburg, Rostock, Würzburg und München. Der bayerische Ableger nennt sich "Bagida" ("Bayern gegen die Islamisierung des Abendlandes").

    DIE KRITIK: Experten sehen in Pegida eine Gruppierung mit rechtsextremistischen Tendenzen. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke beschreibt die Proteste als "rechtsextreme, rechtspopulistische und rechtsnational motivierte Massenbewegung".

    Auch von CDU und SPD kam Kritik an den Protesten. Bernd Lucke, Vorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD), bezeichnete Pediga hingegen als "gut und richtig".

    Philippsberg: Im Oktober vergangenen Jahres haben sie mit nur ein paar hundert Menschen angefangen, dann wurden es immer mehr - bis zuletzt über 20.000 Menschen. Das ist ein Punkt, der ihnen tatsächlich gelungen ist: Pegida hat Personen mobilisiert, die bei ganz offensichtlich rechtsextremen Demonstrationen niemals mitlaufen würden. Also haben sie genau aus der Mitte der Gesellschaft Menschen für ihre Ideen gewinnen können. Im Osten der Republik klappte dies noch besser als in Westdeutschland und besonders gut in Dresden. Das ist einfach durch die DDR-Vergangenheit bedingt, weil die Menschen dort damals kaum Berührungspunkte zu Ausländern gehabt haben und den Umgang nicht eingeübt haben. Insgesamt handelt es sich bei der Pegida-Bewegung jedenfalls um Menschen, die für islamophobe Ressentiments empfänglich sind.

    Noch bis vor Kurzem sprach Pegida von den Medien als Lügenpresse, wollte den politischen Diskurs weder medial noch mit Parteien. Am vergangenen Sonntag trat Kathrin Oertel als Pressesprecherin der Bewegung bei Günther Jauch auf. Wie erklären Sie sich diesen Wandel?

    Philippsberg: Auf der einen Seite werden die politischen Talkshows natürlich wöchentlich von einem Millionenpublikum gesehen. Das weiß die Pegida-Führung und kann sich auf diesem Weg durch Kommunikation noch weiter in die Mitte der Gesellschaft bewegen. Andererseits geht es ihnen sicherlich auch darum, jetzt das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen. Also dass nicht mehr nur über sie geschrieben wird, sondern dass sie auch aktiv kommunizieren und damit darüber mitentscheiden, wie sie medial in Erscheinung treten. Zumindest die Organisatoren von Pegida versuchen nun, langfristig aus der "Demo-Ecke" herauszukommen und in politischen Diskurs zu treten. Auch geht es ihnen darum, seriöser zu wirken, das ist ihr Ziel. Die Beschimpfungen gegenüber Presse und Politik mögen jetzt schon etwas abgeflaut sein, doch es bleibt den nächsten Montag abzuwarten, wie sich das entwickelt.

    Distanzierung vom Leipziger Ableger

    Nach den gestrigen Legida-Protesten in Leipzig hat sich die Pegida-Führung ausdrücklich von dem Leipziger Ableger distanziert. Was hat es mit den zahlreichen anderen Ablegergruppen auf sich?

    Philippsberg: Es ist tatsächlich schwierig, bei all den regionalen Kleingruppen noch den Überblick zu behalten. Jede einzelne ist nämlich anders zusammengesetzt, da handelt es sich um ganz unterschiedliche Leute, die die Demonstrationen organisieren. Deshalb solidarisiert sich die Pegida-Führung auch nicht mit all ihren Ablegergruppen. Viele sind in ihren Äußerungen und Forderungen ganz nah bei Pegida, andere sind eher rechtsextremistisch geführt. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern stecken in den Pegida-Ablegern zahlreiche Mitglieder aus der Kameradschaftsszene und aus der Neonazi-Szene. Auch in München ist es eine ganz interessante Mischung, die bei den Bagida-Protesten mitdemonstriert: Da läuft ein verurteilter, ehemaliger Rechtsterrorist mit, der Chef der Partei "Die Freiheit" sowie auch Zeugen aus der rechten Szene, die im NSU-Prozess ausgesagt haben.

    Welche Zukunftsszenarien gibt es für Pegida aus Ihrer Sicht?

    Philippsberg: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt natürlich unheimlich schwer abzuschätzen, gerade vor dem kommenden Montag bleibt es schwer prognostizierbar. Auf Dauer wird Pegida zu Demonstrationen in dieser Größe nicht mehr mobilisieren können. Diese Erkenntnisse haben wir bereits aus der politischen Bewegungsforschung. Irgendwann wird zwangsläufig der Punkt erreicht, wo es drauf ankommt: Institutionalisiert sich die Protestbewegung und tritt in politischen Diskurs? Das wäre bei Pegida denkbar, immerhin sind sie bereits jetzt ein eingetragener Verein. Eine Partei wollen sie gar nicht werden, das würde aufgrund der Schnittmengen zur Alternative für Deutschland auch wenig Sinn machen. Findet diese Institutionalisierung jedoch nicht statt, kommt es zur schrittweisen Auflösung. Dann würde nur noch ein kleiner Teil, vielleicht ein paar hundert Menschen auf die Straße gehen und die Bewegung an Bedeutung verlieren. Über 20.000 Teilnehmer auf die Straße zu bringen funktioniert allerdings nicht, wenn sich daraus für die Demonstranten keine Ergebnisse zeigen und die Politik ihre Ideen nicht aufgreift.

    Was bleibt von Pegida? Wie hat die Bewegung Deutschland verändert?

    Philippsberg: Die Bewegung hat auf jeden Fall gezeigt, dass in Deutschland nicht nur am Rand, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft Leute mobilisiert werden können, die für Ressentiments gegen Ausländer und vor allem gegen den Islam empfänglich sind. Das Vermächtnis von Pegida ist, dass in unserer Gesellschaft eindeutig noch Aufklärungsbedarf herrscht hinsichtlich Themen wie Islam oder Einwanderung. Gerade im politischen Diskurs und in der politischen Bildung sollte man sich also vielleicht noch etwas stärker mit Aufklärung gegen rechtsextreme Ressentiments bemühen, die gerade auch inmitten der Bevölkerung auftreten.

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