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"Neue Balkanroute": Österreich warnt vor neuen Migrantenströmen über Balkanroute

"Neue Balkanroute"

Österreich warnt vor neuen Migrantenströmen über Balkanroute

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    Flüchtlinge gehen nachts über Bahnschienen auf einen Checkpoint bei Roszke, Ungarn, zu.
    Flüchtlinge gehen nachts über Bahnschienen auf einen Checkpoint bei Roszke, Ungarn, zu. Foto: Balazs Mohai, dpa (Archiv)

    Jeden Monat bitten etwa 10.000 Menschen in Deutschland um Asyl. Die meisten stammen aus Syrien, dem Irak und Nigeria. Auch aus dem Iran und aus Eritrea kommen seit Anfang des Jahres viele Asylbewerber. Bis Anfang Mai registrierte das Bundesinnenministerium in diesem Jahr 54.790 Asylgesuche – zehn Prozent weniger als im selben Zeitraum im Jahr 2017.

    Viele der Asylbewerber kommen über den Westbalkan Richtung Österreich und Deutschland. Die sogenannte "neue Balkanroute" alarmiert Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Gemeinsam mit den Balkanstaaten will Österreich daher nun über Maßnahmen gegen illegale Migration beraten. Die neuen Migrantenströme über die Balkanroute rufen in Österreich Erinnerungen an den "Flüchtlingssommer 2015" hervor. 150.000 Menschen baten seitdem in Österreich um Asyl – eine der höchsten Quoten in der EU.

    Einwanderung ist ein sensibles Thema in Österreich. Die Aussicht auf ein neuerliches 2015 verängstigt die Menschen. Österreich möchte neue Migrantenströme über die Balkanroute deshalb verhindern. Bei einem Treffen in Slowenien am Mittwoch berät Österreich mit seinen östlichen Nachbarstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Griechenland, dem Kosovo, Kroatien, Mazedonien und Serbien über konkrete Maßnahmen.

    Kurz möchte eine Kontrolle der albanischen Außengrenzen erreichen. Albanien ist das erste Land, das die Migranten aus Griechenland kommend auf der "neuen Balkanroute" durchqueren. Anschließend führt ihr Weg weiter durch Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien.

    Tausende kommen über die "neue Balkanroute"

    Die ursprüngliche Balkanroute wurde nach dem Flüchtlingsstrom 2015 durch die Grenzschließung Mazedoniens dicht gemacht. Die Zahl der neuen Migranten konnte dadurch – und auch durch verschärfte Kontrollen der Türkei – verringert werden.

    Über Alternativrouten versuchten Migranten weiter, über den Balkan in die EU einzureisen. Der alternative Weg über Bulgarien und Serbien aber wird immer auswegloser für die Geflüchteten: Sie stranden in Lagern, viele wurden zurück in die Heimat geschickt.

    Jetzt berichten österreichische Zeitungen vermehrt von der "neuen Balkanroute": Hunderte Asylbewerber seien in Sarajevo (Bosnien-Herzegowina) gestrandet. Auch in den nordbosnischen Städten Bihać und Velika Kladuša sind laut dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR etwa tausend Geflüchtete gestrandet. Dort warten sie auf die Weiterreise über Kroatien nach Slowenien, das zum Schengen-Raum gehört.

    In der Karte haben wir schematisch die ursprüngliche Balkanroute (schwarz), die Alternativroute (blau) und die "neue Balkanroute"  (rot) eingezeichnet. Wenn Sie auf eine der Routen klicken, erhalten Sie weitere Informationen.

    Im vergangenen Jahr seien 755 Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina angekommen, sagte ein Sprecher des UNHCR auf Anfrage unserer Redaktion. "Für dieses Jahr sind es jetzt schon etwa 5000." Der Grund dafür sei, dass Kroatien kein Transitland mehr sein wolle. Bosnien-Herzegowina sei auf diese neue Situation noch nicht komplett vorbereitet.

    Auf Anfrage unserer Redaktion schätzte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums Bosnien als "Brennpunkt der illegalen Migration" ein. Aktuell registriere die Grenzpolizei dort "täglich 100 bis 150 Migranten bei der unerlaubten Einreise". Gegenüber 2017 habe sich diese Zahl "verzwölffacht". Ein Viertel der Gestrandeten stammten aus Syrien. Auch aus Pakistan, Afghanistan, Irak und Libyen kämen die Flüchtlinge.

    Kanzler Kurz warnt vor Zehntausenden, die nach Österreich kommen könnten

    An der Grenze zu Bosnien-Herzegowina schossen kroatische Grenzpolizisten Ende Mai auf einen Kleinbus mit Migranten, der illegal die Grenze überquerte. Zwei Kinder wurden verletzt.

    Noch gibt es aber keine Anzeichen für vermehrte Grenzübertritte nach Österreich. Im Radiosender Ö1 berichtete der Wiener Büroleiter des UN-Flüchtlingskommissariats Christoph Pinter von Zahlen auf "sehr, sehr moderatem Niveau". Kanzler Sebastian Kurz warnte dennoch vor Zehntausenden Flüchtlingen, die über die "neue Balkanroute" nach Österreich und Deutschland kommen könnten. Auch Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sagte, er werde die Grenzen dichtmachen – "im Fall der Fälle".

    Wie viele Asylbewerber tatsächlich über die Westbalkanroute nach Deutschland kommen, ist nicht bekannt. Auf Anfrage unserer Redaktion sagte eine Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF): "Im Rahmen der Anhörung berichten uns die Asylsuchenden zwar, wie und auf welchem Weg sie nach Deutschland gekommen sind." Statistisch erfasst würden diese Daten allerdings nicht.

    Bei den Asylantragszahlen direkt aus den Ländern des Westbalkans gebe es keine merkliche Steigerung in den ersten vier Monaten des Jahres.

    Auf der "neuen Balkanroute" lauern Gefahren

    Der UNHCR teilt die Besorgnis der österreichischen Regierung nicht. "Tatsächlich haben wir es nicht mit deutlich anschwellenden Flüchtlingszahlen zu tun, es ändern sich nur die Routen", sagte ein Sprecher. "Wir sehen keine humanitäre Krise – wobei die Schicksale vieler Flüchtlinge furchtbar sind."

    Die "neue Balkanroute" gilt als gefährlich: Über den türkischen Grenzfluss Evros kommen die Flüchtlinge zunächst nach Griechenland. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ertranken zwischen Januar und April bereits neun Menschen im Evros. Im Jahr 2017 war es einer. Auch die Überquerung des Kolpa-Flusses zwischen Kroatien und Slowenien birgt Gefahren: In der Zeit berichtete die IOM von bereits sieben ertrunkenen Migranten in den ersten drei Monaten dieses Jahres.

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