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Porträt: Neuer Politstar: Chrystia Freeland handelte "Ceta" für Kanada aus

Porträt

Neuer Politstar: Chrystia Freeland handelte "Ceta" für Kanada aus

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    Chrystia Freeland hat für Kanada das Ceta-Abkommen ausgehandelt.
    Chrystia Freeland hat für Kanada das Ceta-Abkommen ausgehandelt. Foto: Gregor Fischer, dpa (Archiv)

    Sie war kaum im Amt, als sie – so wird kolportiert – in einer US-Talkshow als „Premierminister für internationalen Handel“ bezeichnet wurde. Das war ein Versprecher, aber ein wenig wird daraus die Bedeutung Chrystia Freelands im Kabinett von Kanadas Premier Justin Trudeau deutlich. Als Handelsministerin spielt sie dort eine wichtige Rolle. Selbst in Europa hat sie dank des Streits über das Handelsabkommen Ceta schon einen gewissen Bekanntheitsgrad.

    Rotes Kleid, roter Pullover, rote Windjacke – in dieser Farbe zeigt sich Freeland gerne. Rot ist auch die Farbe der regierenden Liberalen in Kanada. Dass die Journalistin überhaupt in der Politik ist, liegt an Trudeau. Monatelang bemühte er sich, sie für eine Kandidatur für das Bundesparlament zu gewinnen. Das war 2013, als in Toronto ein Wahlkreis neu zu besetzen war. Chrystia Freeland, die noch in New York als Korrespondentin arbeitete, zögerte. Sie war sich unsicher, Familie und Politik vereinbaren zu können. Denn ihre Kinder Natalka, 14, Halyna, 10, und Ivan, 6, sowie Ehemann Graham Bowley, der für die New York Times arbeitet, bedeuten ihr viel. Am Ende gewann Trudeau. Im Herbst 2013 wurde sie erstmals ins Bundesparlament gewählt. Vor fast genau einem Jahr wurde sie Handelsministerin.

    Chrystia Freeland studierte in Harvard

    Geboren wurde die heute 48-Jährige als Christina Alexandra Freeland in Peace River im Norden der Provinz Alberta. Dass sie ihren Vornamen in das ukrainische Chrystia änderte, hat etwas mit ihren familiären Wurzeln zu tun. Die Großeltern mütterlicherseits sind aus der Ukraine nach Kanada geflohen, Mutter Halyna kam in einem Flüchtlingslager in Deutschland zur Welt.

    Das ist CETA

    Was ist Ceta? Ceta ist die Abkürzung für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen). Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und Handelsbeschränkungen wie unterschiedlichen Standards die Wirtschaft anzukurbeln.

    Was macht dieses Abkommen so wichtig? Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Außerdem: Ceta gilt als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), durch das mit rund 800 Millionen Verbrauchern der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen würde.

    Warum ist es so umstritten? Die Gegner solcher Handelsabkommen mit Nordamerika befürchten eine Angleichung der Standards auf geringerem Niveau und kritisieren zudem mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen über das Abkommen. Die TTIP-Gegner machen sich ferner für eine öffentliche Gerichtsbarkeit, ordentliche Arbeitsrechte für alle und für den Erhalt der bisherigen Umweltstandards stark.

    Wie sehen die Deutschen Ceta? In einer Umfrage für die „Wirtschaftswoche“ sagen 38 Prozent, sie unterstützten das Projekt nicht. 18 Prozent geben an, sie hielten Ceta für eine gute Sache. Ein Viertel hingegen sagt, noch nie von dem Abkommen gehört zu haben; der Rest ist unentschlossen.

    Wie geht es jetzt weiter? Ende Oktober soll Ceta beim EU-Kanada-Gipfel schließlich unterzeichnet werden. Bis dahin müssen die EU-Staaten einen Beschluss über die Unterzeichnung und eine vorläufige Anwendung von Teilen des Abkommens gefasst haben. Anschließend muss noch das Europäische Parlament zustimmen, laut Wirtschaftsministerium wird es sich Anfang 2017 mit Ceta befassen. Dann müssen die EU-Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren – in Deutschland Bundestag und Bundesrat. dpa, afp

    In Harvard studierte die Juristentochter Publizistik. Bevor sie in Oxford ihr Studium fortsetzte, kam sie im Frühjahr 1989 im Rahmen eines Austauschs nach Kiew. Die dortige Begegnung mit dem New York Times-Reporter Bill Keller beeinflusste ihren weiteren Werdegang. „Ich glaube, er hat wesentlichen Anteil daran, dass ich Journalistin wurde“, erzählt sie.

    Freeland räumte viele Bedenken gegen Ceta aus

    In der Ukraine war sie freie Mitarbeiterin so renommierter Zeitungen wie Financial Times, Washington Post und The Economist. Sie arbeitete später in London für die Financial Times, war Moskau- und Osteuropa-Korrespondentin und danach stellvertretende Herausgeberin der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Daneben schrieb sie erfolgreich und preisgekrönt Bücher. Chrystia Freeland spricht nicht nur Englisch und Französisch, sondern auch Ukrainisch, Russisch und Italienisch. Nicht zuletzt ihre ukrainischen Wurzeln dürften dazu beigetragen haben, dass sie seit der Krim-Krise mit einem Einreiseverbot in Russland belegt ist, eine Antwort Putins auf Kanadas Sanktionen.

    In der Politik hat sie sich in kurzer Zeit einen Namen gemacht. Wenn sie im Parlament auftritt oder sich im Kabinett zu Wort meldet, haben ihre Aussagen Gewicht. In Europa konnte sie mit Sachkenntnis und Überzeugung die meisten Bedenken gegen Ceta ausräumen. Wären da nicht die Wallonen gewesen...

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