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Österreich: Verstolpert Ex-Kanzler Kurz den Wahlkampf?

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Verstolpert Ex-Kanzler Kurz den Wahlkampf?

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    Abgesetzter ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz: Immer wieder kommt es zu "Hoppalas".
    Abgesetzter ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz: Immer wieder kommt es zu "Hoppalas". Foto: Hans Punz, dpa (Archiv)

    Die Szene war gespenstisch: „Vater, wir danken dir so sehr für diesen Mann, für die Weisheit, die du ihm gegeben hast“, betete der ehemalige Drogendealer und jetzige Prediger Ben Fitzgerald auf der Bühne der Wiener Stadthalle. „Segne Sebastian Kurz.“ Neben dem australischen Prediger stand der vor einem Monat vom Parlament per Misstrauensvotum aus dem Amt gewählte Ex-Kanzler. Sein Gesicht versteinerte, als der Prediger ihm die Hand auf den Arm legte. Unten streckten etwa 10.000 evangelikale Christen aus 45 Ländern ihre Arme betend hoch und jubelten auf dem Großevent „Awakening Austria“.

    Doch was in Amerika normal ist, hat viele Österreicher befremdet. Kurz wird schnell klar geworden sein, dass es falsch war, in diesem Rahmen aufzutreten. Er erklärt den Freikirchen-Auftritt damit, dass er alle Religionsgemeinschaften gleich behandle. Doch normalerweise legt seine Umgebung großen Wert darauf, die Kontrolle über seine öffentlichen Auftritte und die dort entstehenden Bilder zu haben. „Es passieren jetzt handwerkliche Fehler“, urteilte Christian Nusser, Chefredakteur der Zeitung Heute.

    Anders als vor der Wahl 2017 läuft die Maschinerie des „Team Kurz“ holprig. Immer wieder kommt es zu „Hoppalas“, wie die Wiener zu den Stolperern sagen. In ein Fettnäpfchen tappte Kurz beim Thema Parteispenden. Im bekannten „Ibiza-Video“ hatte Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache damit angegeben, dass es möglich sei, Großspenden am Rechnungshof vorbei zu schleusen, obwohl es gesetzlich vorgeschrieben ist, Spenden über 50.000 Euro zu melden.

    Spenden: Kurz hatte im Wahlkampf mit Transparenz geworben

    In der Folge gerieten alle Parteifinanzen ins Visier der Aufmerksamkeit. Kurz und seine neue ÖVP als „türkise Bewegung“ hatten im Wahlkampf 2017 mit hoher Transparenz geworben und versprochen, alle Wahlkampfspenden zwischen 21. Juni und 15. Oktober offenzulegen. Der Eigentümer des Motorradbauers KTM, Stefan Pierer, kündigte damals an, seine Spenden zu verdoppeln.

    Er galt als größter Spender mit 437.000 Euro. Jetzt stellte sich aber heraus, dass der Tiroler Bauunternehmer Klaus Ortner, der in der offiziellen Liste mit lediglich 30.000 Euro erscheint, tatsächlich in zahlreiche Tranchen gestückelt zu je unter 50.000 Euro bis 2019 eine ganze Million Euro direkt an die ÖVP gespendet hatte.

    Rechtlich mag das legal sein, politisch facht es eine für Kurz unangenehme öffentliche Debatte an, inwieweit durch Spenden politischer Einfluss erkauft wird. Die Finanzierung des laufenden Wahlkampfes und die Parteienförderung insgesamt sollen begrenzt und transparenter werden – darauf hat sich nun eine Parlamentsmehrheit von SPÖ, FPÖ und der Liste Jetzt des ehemaligen Grünen-Chefs Peter Pilz geeinigt.

    ÖVP-Chef Kurz sagt, jeder Regelung zuzustimmen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig; denn der Rechnungshofbericht beweist, dass seine „türkise Bewegung“ 2017 die vereinbarte Wahlkampfkostengrenze von sieben Millionen Euro um sechs Millionen Euro überschritten hat. Dafür muss die ÖVP jetzt eine hohe Geldstrafe zahlen.

    Großindustrieller Haselsteiner lobt Kurz

    Doch Kurz wäre nicht Kurz, wenn er nicht versuchte, Schwierigkeiten durch hohen persönlichen Einsatz auszugleichen. Er tourt durch Österreich und kommentiert jede Aussage seiner politischen Gegner. Aktuell sind Konflikte der FPÖ sein Thema. Während der Ex-Minister Herbert Kickl auf Fundamentaloppositionskurs zur ÖVP geht, wirbt Parteichef Norbert Hofer um eine Fortsetzung der türkis-blauen Koalition nach der Wahl. Kurz gibt sich nach allen Seiten offen. Umfragen sehen ihn nach wie vor vorn.

    Damit erntet er Respekt von unerwarteter Seite: Der mächtige Hauptaktionär des österreichischen Bauriesen Strabag, Hans Peter Haselsteiner, ist eigentlich Finanzier der liberalen Partei Neos und saß in den Neunzigern für die Liberalen im Bundesparlament. Doch Haselsteiner sagt, er halte Kurz für das größte politische Talent Österreichs seit FPÖ-Chef Jörg Haider. „Man ist fassungslos vor lauter Begabung.“

    Aber Haselsteiner kritisiert, dass Kurz dem Land Österreich geschadet hat, indem er die Koalition mit der FPÖ einging. „Wer sich mit Hunden ins Bett legt, wacht mit Flöhen auf“, betont der Großindustrielle. Er sagt voraus, dass Kurz bei der Wahl am 29. September „die 40-Prozent-Marke knacken“ kann. Bis dahin drohen Österreich 90 Tage schmutziger Wahlkampf.

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