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Österreich: Warum in Adolf Hitlers Geburtshaus jetzt die Polizei einzieht

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Warum in Adolf Hitlers Geburtshaus jetzt die Polizei einzieht

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    Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau.
    Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau. Foto: Lino Mirgeler, dpa

    Seinerzeit war es ein Braugasthaus. Die Nazis machten später ein Kulturzentrum daraus. Nach dem Krieg beherbergte es eine Stadtbücherei, hinterher eine Schule und am Schluss, das war freilich schon 2011, eine Behindertenwerkstätte der Lebenshilfe Oberösterreich. Die Rede ist von einem Gebäude in Braunau am Inn, besser bekannt als Adolf Hitlers Geburtshaus. Seit vielen Jahren diskutiert halb Österreich darüber, was denn nun mit dem leer stehenden Haus geschehen soll. Viele Pläne wurden verworfen, jetzt gibt es endlich eine Entscheidung.

    Hitler-Haus in Braunau: Manche zeigen im Vorbeifahren den Hitlergruß

    Die einen strecken aus vorbeifahrenden Autos ihre Arme zum Hitler-Gruß hinaus. Andere kommen jedes Jahr am 8. Mai und feiern hier das Ende von Weltkrieg und Diktatur. Ein Gedenkstein am Gehweg vor dem Gebäude erinnert an die Millonen Opfer des Holocausts. Beides soll nun der Vergangenheit angehören, keine Neonazis mehr, keine Befreiungsfeiern – das Haus soll „neutralisiert“ werden. Ein heikles Wort, gefallen erst vor rund einer Woche bei der Präsentation des erfolgreichen Projekts eines international ausgeschriebenen Architekturwettbewerbs.

    Das Ergebnis überrascht: Bis 2023 wird das Haus gemäß den Vorgaben der Auftraggeber und beratenden Historiker saniert und rückgebaut. Der ursprüngliche Zustand von vor Hitlers Geburt soll optisch wieder hergestellt werden. Das historisch belastete Haus muss sich wieder harmonisch, also unauffällig in den Straßenzug einordnen. Auch die spätere Nutzung ist bereits beschlossene Sache: Ist die Sanierung in drei Jahren abgeschlossen, soll die Polizei einziehen.

    Österreich: Nichts an Hitlers Geburtshaus soll mehr an ihn erinnern

    Damit ist klar: Nichts an Hitlers Geburtshaus soll mehr an seine Geschichte erinnern. Ein "Haus des Friedens" hätte es einmal werden sollen. Ein "Haus der Verantwortung" war einmal vorgeschlagen worden, jetzt wird die Polizei einziehen. Eine starke, eine vielsagende und durchaus umstrittene Symbolik. Sie passt jedoch für die Entscheidungsträger in Wien, schließlich sei die Polizei die "Hüterin von Freiheit und Grundrechten", argumentiert Innenminister Karl Nehammer von der konservativen ÖVP. Das Geburtshaus des Nazi-Diktators war nach der Enteignung der Alteigentümerin 2017, die ihr mit 812.000 Euro abgegolten wurde, ins Eigentum der Republik übergegangen.

    Ein Gedenkstein soll weg, Opferverbände sind empört

    Hitlers Geburtshaus, das es für die Allermeisten trotz aller Neutralisierungsversuche wohl immer bleiben wird, steht nicht erst seit damals für eine alte Streitfrage zwischen Links und Rechts: Soll man die Geschichte nicht endlich ruhen lassen oder die Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis stets in frischer Erinnerung behalten? Die Bundesregierung in Wien hat sich ganz offensichtlich entschieden. Sogar der alte Gedenkstein soll jetzt weg. Der 1989 von der Stadt Braunau vor dem Gebäude aufgestellte Stein mit der Aufschrift „Für Frieden, Freiheit und Demokratie – Nie wieder Faschismus – Millionen Tote mahnen“ solle ins „Haus der Geschichte“ in Wien abtransportiert werden, sagt der Innenminister.

    Der Gedenkstein vor dem Haus soll verschwinden.
    Der Gedenkstein vor dem Haus soll verschwinden. Foto: dpa

    Doch Gedenk- und Opferverbände, das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) oder das Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus wollen Widerstand leisten und protestieren: „Verdrängung statt Auseinandersetzung“. MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi sagte: „Offenbar will man die Welt vergessen lassen, dass der schlimmste Massenmörder der Geschichte in Braunau geboren wurde. Der Gedenkstein muss dort stehen bleiben. Alles andere wäre absurd und eine völlige Idiotie. Was mache ich sonst mit all den anderen Gedenksteinen im ganzen Land? Verfrachten wir die jetzt alle ins Museum?“

    In der Zwischenzeit lenkte der Innenminister ein wenig ein und stellt nun Braunau, die Stadt ist immerhin Eigentümerin des Gedenksteins, für diesen Diskussionsprozess Experten zur Verfügung.

    Die Befürchtung in Wien ist jedoch auch nachvollziehbar: Verbleibt der Mahnstein gegen Krieg und Faschismus an Ort und Stelle, könnte das Haus in der Salzburger Vorstadt für immer auch eine Art Pilgerstätte für Rechtsextreme bleiben.

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