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Politik: Warum Jörg Meuthen um den AfD-Vorsitz bangen muss

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Warum Jörg Meuthen um den AfD-Vorsitz bangen muss

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    Ungleiches Duo: die beiden AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland.
    Ungleiches Duo: die beiden AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland.

    Wenn es eng wird, setzt Jörg Meuthen gerne sein Lausbubenlächeln auf und gibt sich ganz harmlos. So ist es auch jüngst am Sonntag beim TV-Sommerinterview. Fragen nach dem Klimawandel tut der 58-Jährige als „Klimahysterie“ ab. Und zum rechtsnationalen „Flügel“ seiner Partei fällt ihm Erstaunliches ein. „Der Flügel ist nicht Teil der AfD“, sagt Meuthen da. Dass Flügel-Wortführer Björn Höcke auch AfD-Landeschef in Thüringen ist, ignoriert er.

    Meuthen will Ende November als Parteichef wiedergewählt werden. Das könnte ihm ausgerechnet Höcke streitig machen. Der steht vor seinem größten Erfolg, wenn zuerst in Brandenburg und Sachsen sowie später in Thüringen der Landtag neu gewählt wird. In allen drei Ländern kann die AfD mit Rekordergebnissen rechnen und überall stehen Flügel-Vertreter an der Spitze. Bei der Vorstandswahl könnten sie dann mehr Macht einfordern.

    Der Preis für die AfD wäre hoch. In den Westländern, wo schon jetzt fast überall der Richtungsstreit tobt, könnte ein rechtslastiger Bundesvorstand Wähler vergraulen. Vor allem in Baden-Württemberg gehen tiefe Risse durch die jeweiligen Landtagsfraktionen. Ob Meuthen als Mann der Gemäßigten in diesem Umfeld wieder eine Mehrheit bekommt, ist nicht sicher.

    Parteifreund: „Jörg Meuthen muss sich anders positionieren“

    Einen Vorgeschmack auf die neuen Verhältnisse hat Meuthen schon in seinem Heimatkreis bekommen. Die Mitglieder im Kreisverband Ortenau ließen den Europaabgeordneten bei der Wahl der Delegierten für den Bundesparteitag durchfallen. Meuthen darf also beim Bundesparteitag nicht mitwählen. Der Landtagsabgeordnete Stefan Räpple sprach von einem „klaren Zeichen, dass er sich innerparteilich anders positionieren muss“.

    Dabei bemüht sich Meuthen darum, Höcke und seine Freunde nicht zu verprellen. Einerseits fordert er „klare Kante gegen Rechtsextreme“. Aber den Appell der 100 Gemäßigten gegen den Personenkult um Höcke unterschreibt er nicht. Zugleich verharmlost er immer wieder Ausfälle Höckes und seiner Anhänger. So zeigt er sogar „ein bisschen Verständnis“, wenn die Bundestagsabgeordnete Verena Hartmann nach dem Tod eines Achtjährigen auf dem Frankfurter Hauptbahnhof im Internet den Satz verbreitet: „Frau Merkel, ich verfluche den Tag ihrer Geburt.“

    Eigentlich ist Meuthen für die AfD Gold wert. Als ehemaliger Professor mit einem bildungsbürgerlichen Hintergrund ist er das freundliche Gesicht einer Partei, die immer wieder durch rechte Grenzverletzungen für Aufregung sorgt. Dieser Bedeutung verdankt der gebürtige Essener seinen Aufstieg an die Spitze. Nach dem Abschied von Partei-Mitgründer Bernd Lucke holte sich die damals als rechts geltende Vorsitzende Frauke Petry 2015 Meuthen als Co-Chef an ihre Seite. Das Kalkül: Der charmante Professor aus Baden-Württemberg sollte die gemäßigten Wähler binden. Was Meuthen aber nicht davon abhielt, bald auch die Nähe zu Höcke zu suchen. Ohne Unterstützung aus dessen Lager hätte er die 72 Prozent, die ihn 2017 als AfD-Chef bestätigten, nicht erreicht.

    Wenn es hart kam, stießen Meuthens Fähigkeiten zur innerparteilichen Konsensbildung schnell an Grenzen. Als AfD-Landtagsfraktionschef in Stuttgart konnte er im Sommer 2016 die Spaltung nicht verhindern. Ausgerechnet Petry handelte hinter seinem Rücken einen Kompromiss mit den rechten Abweichlern aus. Nach einigen dramatischen Monaten fand die Fraktion wieder zusammen.

    Professor Meuthen schrieb eine Doktorarbeit über die Kirchensteuer

    Die ersten Jahre als AfD-Bundesvorsitzender stand Meuthen im Schatten Petrys. In der zweiten Amtszeit dominierte ab 2017 sein Co-Chef Alexander Gauland die öffentliche Wahrnehmung. Spöttern gilt Meuthen deshalb schon als der „ewige Zweite“. Wobei völlig offen ist, wer nach Gaulands Verzicht auf eine weitere Kandidatur die künftige Nummer eins sein könnte.

    Der Weg an die Spitze einer rechtspopulistischen Partei war für Jörg Meuthen nicht vorgezeichnet. Der Volkswirt schrieb eine Doktorarbeit über die Kirchensteuer und wurde 1997 Professor an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Als junger Wissenschaftler sympathisierte Meuthen mit der FDP, landete aber nach der Bundestagswahl 2013 bei der AfD. Schon nach ein paar Monaten war er Mitglied im Landesvorstand, im Juli 2015 wurde er Landeschef im Südwesten und praktisch gleichzeitig Bundesvorsitzender.

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