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Italien: Populisten einigen sich doch noch auf Regierungsmannschaft

Italien

Populisten einigen sich doch noch auf Regierungsmannschaft

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    Kommen doch noch zusammen: Luigi Di Maio und Matteo Salvini.
    Kommen doch noch zusammen: Luigi Di Maio und Matteo Salvini. Foto: Tiziana Fabi, AFP

    Nach drei Monaten der politischen Krise kommt in Italien höchstwahrscheinlich erstmals eine europakritische Regierung an die Macht. Die Koalition aus der Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischen Lega unter Führung des parteilosen Juristen Giuseppe Conte soll am Freitag (16 Uhr) vereidigt werden. Die beiden Parteien hatten sich am Donnerstag im zweiten Anlauf auf die erste Koalition dieser Art in der Geschichte des Landes geeinigt.

    Europa und auch Deutschland stehen damit vor einer harten Belastungsprobe. Denn beide Parteien hatten zuletzt verstärkt Stimmung gegen Brüssel und Berlin gemacht. Auch an den Finanzmärkten hatten die Wehen der Regierungsbildung in dem hoch verschuldeten Land Turbulenzen ausgelöst.

    Giuseppe Conte erhielt erneut den Regierungsauftrag

    Staatspräsident Sergio Mattarella gab Conte am Donnerstagabend erneut den Regierungsauftrag, den dieser erst vergangenen Sonntag zurückgegeben hatte. "Mit der Bildung der Regierung ist ein schwieriger Weg zu Ende", erklärte der Präsident.

    Das Parlament muss der neuen Regierung noch zustimmen. Da die Lega und die Sterne aber in beiden Kammern die Mehrheit haben, gilt das als ausgemacht. "Die Regierung des Wandels ist Wirklichkeit", erklärte Sterne-Chef Luigi Di Maio auf Facebook. Er soll in der neuen Regierung Arbeitsminister werden und kann dort sein Herzensprojekt umsetzen: das Grundeinkommen für alle.

    Lega-Anführer Matteo Salvini soll als Hardliner mit Anti-Zuwanderungs-Kurs ins Innenministerium einziehen. Italien werde in Europa nun nicht mehr in der zweiten Reihe stehen und in Brüssel um Geld betteln, verkündete er. "Ich will, dass Italien wieder Protagonist in Europa ist." Salvini kündigte noch in der Nacht zu Freitag an, Migranten "wieder nach Hause zu schicken" statt viel Geld für ihre Unterbringung auszugeben. Di Maio und Salvini sind beide als Stellvertreter des Regierungschefs vorgesehen.

    Außenminister und Finanzminister stehen bereits fest

    Ins Außenministerium soll der Rechtswissenschaftler Enzo Moavero Milanesi ziehen. Er war bereits in Regierungen unter Mario Monti und dem Sozialdemokraten Enrico Letta für EU-Angelegenheiten zuständig und gilt als gemäßigter und international erfahrener Verhandlungspartner.

    Das strategisch bedeutsame Finanzministerium soll der Wirtschaftsprofessor Giovanni Tria führen. Der 69-Jährige steht den Mitte-Rechts-Parteien nahe und gilt nicht als Befürworter eines Euro-Austritts. "In Meinungsartikeln hatte er Deutschlands Handelsbilanzüberschuss als einen Indikator für das Scheitern des Euros bezeichnet", sagte der Politanalyst Wolfango Piccoli.

    Die Zeitung La Repubblica nannte Tria einen "Feind Berlins" und rückte ihn ins Umfeld des umstrittenen Deutschland- und Eurokritikers Paolo Savona. Der war ursprünglich fürs Finanzministerium vorgesehen, wurde auf diesem Posten allerdings von Mattarella abgelehnt, was die Koalition beim ersten Anlauf zum Scheitern brachte. Savona soll nun für Europäische Angelegenheiten zuständig sein und Brüssel die Stirn bieten.

    Das Regierungsprogramm beunruhigte die Märkte und die EU

    Mattarellas Segen beendet die wochenlange Hängepartie. Die Unsicherheit über die Zukunft Italiens und die Euro-kritische Haltung einer Populisten-Allianz hatte auch die Kapitalmärkte in Alarm versetzt. An der Börse wurden böse Erinnerungen an die Zeiten der Euro-Krise wach. Die Aussicht auf eine gewählte Regierung in Italien sorgte bereits am Mittwoch für Beruhigung – auch weil damit Neuwahlen noch in diesem Jahr wohl vom Tisch wären.

    Doch auch das Regierungsprogramm der Parteien beunruhigte die Märkte und die EU, planen doch die Populisten trotz des immensen Schuldenbergs des Landes Mehrausgaben etwa durch Steuersenkungen und die Einführung eines Grundeinkommens. In Italien belaufen sich die Staatsschulden in absoluten Zahlen auf fast 2,3 Billionen Euro. Das entspricht fast 132 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung und ist damit so hoch wie in kaum einem anderen Land der Welt.

    Bei der Wahl am 4. März hatte die Fünf-Sterne-Bewegung 32 Prozent bekommen, die Lega 17 Prozent. Beide Parteien sind von Grund auf verschieden und haben eine sehr heterogene Wählerschaft: Die Lega ist vor allem im Norden stark und stramm rechts. Die Fünf Sterne haben besonders viele Anhänger im armen Süden, für ihre Wähler vom linken Flügel ist die Koalition mit der Lega ein Alptraum.

    "Die Haltbarkeitsdauer dieser Regierung wird wahrscheinlich begrenzt sein", sagte Politanalyst Piccoli. Eine Neuwahl sei daher schon im Frühjahr 2019 möglich. (dpa)

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