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NSU-Prozess: Pressestimmen zum NSU-Urteil

NSU-Prozess

Pressestimmen zum NSU-Urteil

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    Lebenslange Haft für Beate Zschäpe wegen der Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds".
    Lebenslange Haft für Beate Zschäpe wegen der Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds". Foto: Peter Kneffel, dpa

    Mit der Höchststrafe für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist der fünf Jahre andauernde NSU-Prozess endlich zu Ende gegangen. Das Oberlandesgericht München verurteilte die 43-Jährige unter anderem wegen zehnfachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Viele Medien sehen die Aufarbeitung der rechtsextremen Terrorserie aber nicht als beendet an.

    "Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, den Verfassungsschutz abzuurteilen. Ein Richter soll die individuelle Schuld eines Menschen klären - nicht die Fehler eines Systems. Doch genau deshalb darf nach dem Urteil gegen Zschäpe nicht Schluss sein." Berliner Morgenpost

    So manche Hinterbliebenen (...) sind enttäuscht, denn es verschafft ihnen keine Genugtuung. Sie hatten an das leichtfertig dahingesagte Versprechen der Bundeskanzlerin geglaubt, der Staat werde alles tun, um die Hintermänner der NSU-Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. Und wo sind sie nun, diese Hintermänner? Die Opfer sind über das ihnen angetane Leid hinaus durch die Täter und später durch die Ermittler auch noch politisch instrumentalisiert worden." Die Welt

    "Neonazis morden. Das ist banal. Nicht banal ist aber, dass die Mittäterschaft nicht geklärt ist. Und wahrscheinlich wird sie es nie sein. Kein Mensch weiß, was der NSU ist, und kaum einer, der sich mit diesem Terror auseinandersetzt, traut sich in der Öffentlichkeit die sehr einfache Frage zu stellen, wie genau der Verfassungsschutz mit dem NSU verwoben ist. Können die dringenden Fragen deshalb nicht beantwortet werden, weil der Verfassungsschutz die Informationsquellen vernichtete, nicht um Rechtsextreme zu schützen, sondern sich selbst?" Die Zeit

    "Der Mammutprozess ist vorbei. Aber einen Schlussstrich darf es nicht geben. Die Aufarbeitung, die Suche nach Antworten dürfen nicht aufhören. Das Gericht hat entschieden, aber die Konsequenzen aus dem NSU zu ziehen, ist Aufgabe aller - der Politik, der Behörden, der Medien, der Bürger. Und es ist noch viel zu tun. Wer 'nie wieder' sagt, kann nicht 'weiter so' machen." Frankfurter Rundschau

    "Das Gericht hätte einen Aufklärungsbeitrag zur fragwürdigen Rolle des Verfassungsschutzesleisten und Erkenntnisse über Hintermänner und Helfershelfer zutage fördern müssen. Auf einer bislang nur unzureichend ausgewerteten 'Todesliste' des NSU stehen 10.000 Namen. Schlussstrich? Das wäre töricht und gefährlich." Kölner Stadt-Anzeiger

    "Kein Urteil kann darüber hinwegtäuschen, dass die Hinterbliebenen nie Genugtuung erfahren können für den Verlust, für die Demütigung, die sie erlitten haben. Wir müssen wachsam bleiben. Demokratie ist kein Selbstläufer. Vor allem nicht in diesen Zeiten." Mittelbayerische Zeitung

    "Wenn das Beschwören des "Nie wieder" einen Sinn haben soll, dann diesen: Einen solchen Dunstkreis von Unterstützern und Sympathisanten, in dem sich das Mordtrio ungehindert bewegen konnte, darf es nicht mehr geben. In Zeiten zunehmend aggressiver Stimmung gegen Ausländer ist diese Mahnung aktueller denn je." Münchner Merkur

    Aufarbeitung des NSU-Terrors sollte nicht abgeschlossen sein

    "Für das Bagatellisieren von Gewalt darf es kein Verständnis geben, für Selbstzufriedenheit der angeblich so akkuraten deutschen Verwaltung ebenfalls nicht. Auch die Aufarbeitung des NSU-Terrors sollte mit dem Urteil nicht als abgeschlossen gelten. Die Taten wirken weiter. Hoffentlich auch die Lehren." Neue Osnabrücker Zeitung

    "Das Allerwichtigste ist aber, dass eine gut informierte und aufgeweckte Gesellschaft nicht gleichgültig auf Fremdenfeindlichkeit und Rassismus reagiert. Das gilt heute mehr denn je." Stuttgarter Zeitung

    "Der Staat kann keine Garantie geben, jeden Mordfall aufzuklären. Aber er muss zeigen, dass er alles unternommen hat und alle juristischen Mittel ausgeschöpft hat. Das kann man dem Gericht nicht absprechen. Es hat in 440 Prozesstagen versucht, mit rechtsstaatlichen Mitteln für Transparenz zu sorgen. Mehr kann man nicht erwarten." Reutlinger General-Anzeiger

    "Der Rechtsstaat ist am Ende doch in der Lage, sich gegen solche Täter zu wehren. Die gesellschaftliche Aufarbeitung der Morde des NSU muss weitergehen. Auch damit nicht noch einmal passiert, was Ende der 1990er die Taten des NSU erst ermöglichte: dass rechtsextremer Terror aus dem Blick gerät." Rhein-Zeitung

    Versprechen der Kanzlerin hat sich nicht ganz erfüllt

    "Einige werden das Urteil mutig nennen, weil Zschäpe bei den Morden nicht am Tatort war und trotzdem als Mittäterin verurteilt wurde. Ein Paukenschlag ist das trotzdem nicht. Wer glaubt, dass jemand, der nicht am Tatort war, nicht wegen Mittäterschaft verurteilt werden kann, ist naiv.  Zschäpe hatte Organisationsmacht, sie war mit der Beschaffung von Waffen, Tatfahrzeugen und falschen Papieren befasst und Verwalterin der Beute der Raubüberfälle. Wenn das nicht für Mittäterschaft genügt!" Süddeutsche Zeitung

    "Das Versprechen der Kanzlerin nach rückhaltloser Aufklärung hat sich nur zum Teil erfüllt. Schon deshalb kann es keinen Schlussstrich geben. (...) Politisch schon gar nicht. Denn die entscheidende Frage bleibt doch, ob sich eine derart furchtbare, braun motivierte Verbrechensserie wiederholen kann. Einschlägige parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben dazu eine Fülle von Vorschlägen entwickelt. Höchste Zeit für einen wirksamen 'Masterplan', Herr Seehofer." Trierischer Volksfreund

    "Mit Gerechtigkeit oder auch Genugtuung für die Angehörigen der NSU-Opfer hat der Spruch des Oberlandesgerichts München nichts zu tun. Es ist nicht mehr als das vorläufige Ende eines der größten und aufwendigsten Verfahren der deutschen Nachkriegsgeschichte" Westfälische Nachrichten

    Internationale Pressestimmen zum NSU-Urteil

    "Die Aufarbeitung darf noch nicht vorbei sein. Die Bedrohung durch Rechtsextremismus bleibt, und in einer Zeit, in der der Ton gegen "die Fremden" immer rauer wird, darf Kanzlerin Merkel ihr Versprechen von 2012 nicht vergessen. Deckel drauf und Schlussstrich, das wäre jetzt nach diesem Urteil fatal." Der Standard

    "Es braucht wenig Phantasie, sich vorzustellen, was die häufigsten Anschläge auf Flüchtlingsheime bei heutigen Rechtsextremen auslösen könnten. Auch die Art und Weise, wie immer mehr Menschen über Flüchtlinge reden, dient nicht unbedingt dazu, diese als Mitmenschen zu betrachten und zu schützen. Hinzu kommt, dass die Verbreitung von Hassparolen und Hetze in Zeiten von Facebook und Messenger-Diensten so einfach ist, wie sich das der NSU noch gar nicht erträumen konnte." Neue Zürcher Zeitung  (AZ)

    Auch wir kommentieren das Urteil im NSU-Prozesses:

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