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Pflege: Probleme in der Intensivmedizin: Spahns Pflegepolitik steht in der Kritik

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Probleme in der Intensivmedizin: Spahns Pflegepolitik steht in der Kritik

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    Nach Problemen in der Intensivmedizin steht Bundesgesundheitsministers Jens Spahns Pflegepolitik massiv in der Kritik.
    Nach Problemen in der Intensivmedizin steht Bundesgesundheitsministers Jens Spahns Pflegepolitik massiv in der Kritik. Foto: Lisa Ducret, dpa (Archiv)

    Angesichts wachsender Probleme in der Intensivmedizin wächst bei Kliniken, Ärzten und der Opposition die Kritik an von Bundesgesundheitsminister Spahn verordneten Mindestvorgaben zum Pflegepersonal. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt vor einer Gefahr für die Patientenversorgung in Deutschland. „Werden die Untergrenzen ausgeweitet und Verstöße mit Sanktionen belegt, kann das ernsthafte Folgen für die Versorgung haben“, sagte DGK-Hauptgeschäftsführer Georg Baum unserer Zeitung.

    „Die schon jetzt spürbare Folge ist, dass ein Rettungswagen nicht immer das nächstgelegene Krankenhaus ansteuern kann, da die Klinik zuvor über die Leitstelle Kapazitäten abgemeldet hat“, berichtet Baum. Auch müssten Klinken vermehrt geplante Operationen verschieben, um die Notfallversorgung aufrechtzuerhalten. Baum verwies auf Untersuchungen, wonach 37 Prozent aller Kliniken mit Intensivversorgung Intensivbetten zeitweilig schließen mussten, um die Untergrenzen einzuhalten. „Wir sehen diese Zahl als Warnsignal, dass die starren Untergrenzen die Versorgung gefährden können“, betonte der Krankenhausverbands-Geschäftsführer.

    Pflege: Krankenhäuser brauchen mehr Personal

    Derzeit seien mehr als 15.000 Stellen in der Krankenpflege unbesetzt: „Fast alle Krankenhäuser sind schon jetzt auf der Suche nach Personal, können es aber aufgrund des leeren Arbeitsmarktes kaum einstellen.“ Baum fordert von der Politik nicht nur eine bessere Finanzierung der Pflege, sondern auch eine Entschlackung der Dokumentationsvorschriften: „Pflegekräfte müssen heute drei bis vier Stunden täglich für Bürokratiearbeit aufbringen. Das ist inakzeptabel.“

    Der Linken-Gesundheitsexperte Harald Weinberg kritisierte, die starren, willkürlich und nicht am Pflegebedarf der Patienten ausgerichteten Untergrenzen würden den Pflegenotstand eher verschärfen statt zu lindern. „Es ist für viele Krankenhäuser sogar günstiger, dringend benötigte Betten in den pflegesensitiven Bereichen zu schließen“, sagte Weinberg der unserer Zeitung. „Andere Häuser haben aus den nicht betroffenen Stationen Personal abgezogen, was dort den Pflegenotstand weiter verschärft hat“, berichtete er. Zudem gebe es Krankenhäuser, die bislang deutlich über den Untergrenzen lagen, Personal bis an die Untergrenze reduziert hätten.

    Auch der Chef des Marburger Bunds, Rudolf Henke, berichtet von entsprechenden Fehlentwicklungen: „Es besteht die Gefahr, dass sich Personaluntergrenzen fälschlicherweise als tatsächlicher Personalbedarf oder gar als Personalobergrenze verfestigen könnten.“ Es gebe bereits erste Anzeichen in diese Richtung und Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung: „Es gibt schon Krankenhausträger, die ihren Ärzten mit dem Abbau von Stellen drohen“, warnte der Ärztevertreter. Entscheidend sei den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Henke verwies darauf, dass es bis 300.000 ausgebildete Pflegekräfte gebe, die sich von dem Beruf abgewandt hätten. „Um 10.000 Pflegestellen zu besetzen, müssten wir 3,3 Prozent der inaktiv gewordenen ausgebildeten Pflegekräfte reaktivieren“, betonte er „Mit Fantasie und Ehrgeiz sollte das möglich sein.“

    FDP: Krankenhäusern bei Fachkräftemangel mit Honorarkürzung zu drohen, ist absurd

    Der FDP-Gesundheitsexperte Michael Theurer kritisierte die Personaluntergrenzen angesichts des Fachkräftemangels als wirkungslose Planwirtschaft: „Es reicht nicht, einfach mehr Planstellen auszuschreiben – es ist völlig ungeklärt, woher die benötigten Pflegefachkräfte eigentlich kommen sollen“, sagte der FDP-Fraktionsvizechef unserer Zeitung. „Krankenhäusern angesichts dieser Situation mit Honorarkürzungen zu drohen, ist geradezu absurd“, betonte er. „Die Bundesregierung muss als Erstes dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege besser werden und die Bürokratiebelastung verringert wird“, betont er. „Am wichtigsten wäre, die Pflegekräfte zu halten, die in diesen Beruf gehen.“

    Auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche sagte: „Die Verordnung von Pflegepersonaluntergrenzen im Krankenhaus ist eine Farce und kein geeignetes Mittel, um die Versorgungsqualität zu verbessern.“ Wie die Krankenhausgesellschaft, der Marburger Bund und Linken-Experte Weinberg forderte die Grüne eine verbindliche Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Pflegebedarf orientiere. Einen entsprechenden Vorschlag wollen die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Pflegerat und die Gewerkschaft Verdi bis Ende des Jahres vorlegen.

    Spahn hatte zum Jahresbeginn per Verordnung verpflichtende Untergrenzen festgelegt, wie viel Fachpersonal Krankenhäuser auf Intensivstationen und in den Abteilungen Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie mindestens vorhalten müssen. Ab kommenden Jahr sollen feste Mindestbesetzungen auch für in den Bereichen Herzchirurgie, Neurologie, neurologische Frührehabilitation und in Spezialstationen für Schlaganfall-Patienten gelten.

    Lesen Sie dazu: Wie die Pflegekrise Intensivstationen in der Region trifft.

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