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Rechtsextremismus: Studie: Der Hass erreicht die Mitte

Rechtsextremismus

Studie: Der Hass erreicht die Mitte

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    Solche Bilder von rechtsextremistischen Aufmärschen (hier 2015 in Saalfeld/Thüringen) häufen sich in Deutschland.
    Solche Bilder von rechtsextremistischen Aufmärschen (hier 2015 in Saalfeld/Thüringen) häufen sich in Deutschland. Foto: dpa

    Gut jeder zehnte Deutsche hätte gern „einen Führer, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“. 35 Prozent plädieren für „mehr Mut zu einem stärkeren Nationalgefühl“. Während im Osten des Landes vor allem junge Menschen unter 30 zum Rechtsextremismus neigen, sind es im Westen die Senioren ab 61. Rund 40 Prozent finden es ekelhaft, wenn sich gleichgeschlechtliche Partner in der Öffentlichkeit küssen.

    Rechtsextreme haben in der AfD eine Heimat gefunden

    Und noch ein Ergebnis sticht heraus aus der Studie „Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland“ der Universität Leipzig, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde: „Rechtsextreme haben in der AfD eine Heimat gefunden.“

    Seit 2015 haben in Deutschland mehr als 100 Flüchtlingsunterkünfte gebrannt; über 1000 Anschläge haben einen rechtsextremen Hintergrund. Dass diese sowieso schon radikal geprägte Tätergruppe in den vergangenen Jahren gewalttätiger geworden ist, bestätigt die jüngste „Mitte“-Studie. Jene Rechten, die es seit Jahren in Deutschland gebe, treten 2016 deutlich lauter und gewaltbereiter auf. Das zeige sich nicht nur in den Pegida-Demonstrationen vor allem in Dresden und Leipzig, sondern auch in jenen Heimen, aus denen Flüchtlinge vor den Flammen fliehen mussten.

    „Viele Rechte wollen ihren Volkswillen mit Gewalt durchsetzen“, sagt Oliver Decker vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus und Demokratieforschung der Uni Leipzig. Es herrsche eine Radikalisierung vor allem gegenüber bestimmten Menschengruppen wie Muslimen, Sinti und Roma, Asylsuchenden und Homosexuellen. Dabei sei rechte Gesinnung keine Frage bestimmter Bevölkerungsschichten, sagt der Autor der Studie. Viele machten sich allerdings keine Mühe, Vorurteile aus dem Weg zu räumen und den Menschen kennenzulernen. Oder sie hätten einfach kein Interesse daran.

    Durch Muslime "wie Fremde im eigenen Land"

    Gut die Hälfte der Befragten würden sich durch die Muslime in Deutschland „wie Fremde im eigenen Land“ fühlen. Knapp 34 Prozent sprechen laut Studie von einer gefährlichen Überfremdung. Sogar gut 60 Prozent glaubten, dass Asylbewerber in deren Heimat nicht verfolgt werden.

    Elmar Brähler, ebenfalls von der Uni Leipzig und Mitautor der Studie, ist über ein Resultat positiv überrascht. Ein Großteil der Deutschen lehnt den Rechtsextremismus ab und vertraut auf Einrichtungen und Organisationen in Deutschland, welche die Demokratie prägten. Gegenüber 2006 sei dieses Vertrauen enorm gewachsen. 66 Prozent der Deutschen bewerten die Polizei als wichtig, 46 Prozent vertrauten den Tages- und Wochenzeitungen, 38 Prozent der Bundesregierung. Mit Misstrauen begegnen allerdings rund 48 Prozent den politischen Parteien.

    Bähler sagt aber auch, zu glauben, dass alle Rechtsextremen zu rechten Parteien neigen, sei falsch. Rund elf Prozent von ihnen würden nämlich für die CDU/CSU stimmen, gut 15 Prozent für die SPD. Nur knapp drei Prozent der Befragten mit rechtsextremen Ansichten würden die NPD wählen, fast 35 Prozent aber ihre Stimme der AfD geben.Was in der Studie auch festgestellt wurde: AfD-Wähler sind offenbar überdurchschnittlich gewaltbereit, sexistisch, glauben an Verschwörungstheorien und denken bei Zeitungen, Radio oder Fernsehen an das Wort „Lügenpresse“.

    Die Forscher untersuchten auch, wie die politische Einstellung der Deutschen mit der Befürwortung von Pegida zusammenhängt. Dabei stellte sich heraus, dass Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit die Pro-Pegida-Einstellung beeinflussen.

    Den Ergebnissen der Studie zufolge führt der große Zuzug an Flüchtlingen nicht zu einer höheren Ausländerfeindlichkeit, die 2016 bei rund 20 Prozent der Bevölkerung feststellbar sei. Die Zahlen aus früheren Jahren liegen darüber. 2012 war laut Studie rund ein Viertel der Bevölkerung fremdenfeindlich eingestellt. 2002 waren es knapp mit 27 Prozent ebenfalls mehr als heute.

    Die Wissenschaftler der Studie haben rund 2400 Menschen aus Ost- und Westdeutschland zu den Themen Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Chauvinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus befragt. Die Leipziger Langzeitstudie wird seit 2002 alle zwei Jahre durchgeführt.

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