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SPD-Abgeordnete: Lebenslauf geschönt: Petra Hinz legt Bundestagsmandat nieder

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Lebenslauf geschönt: Petra Hinz legt Bundestagsmandat nieder

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    Petra Hinz SPD spricht am 01. Februar 2013 in Berlin während einer Sitzung im Bundestag.
    Petra Hinz SPD spricht am 01. Februar 2013 in Berlin während einer Sitzung im Bundestag. Foto: Sven Hoppe/dpa

    Die langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz gibt ihr Bundestagsmandat ab. Am Mittwochvormittag hatte sie eingeräumt, wesentliche Teile ihres Lebenslaufes erfunden zu haben. Sie habe keine allgemeine Hochschulreife erworben, kein Studium der Rechtswissenschaften absolviert und auch keine Juristischen Staatsexamina abgelegt, erklärte der Anwalt der SPD-Politikerin, nachdem "WAZ" und "NRZ" die Angaben der Parlamentarierin hinterfragt hatten. Hinz habe nach Angaben ihrer Anwälte Bundestagpräsident Norbert Lammert über ihren Entschluss in Kenntnis gesetzt. Sie habe ihn "um einen schnellstmöglichen persönlichen Termin gebeten", um ihm gegenüber ihren Verzicht auf das Mandat zu erklären.

    "In der Rückschau vermag Frau Hinz nicht zu erkennen, welche Gründe sie seinerzeit veranlasst haben, mit der falschen Angabe über ihren Schulabschluss den Grundstein zu legen für weitere unzutreffende Behauptungen über ihre juristische Ausbildung und Tätigkeit", heißt es in der Erklärung des Anwalts, die inzwischen auch auf der Internetseite der Essener SPD-Politikerin zu finden ist. 

    Hinz hat demnach im Jahr 1983 am heutigen Erich-Brost-Berufskolleg der Stadt Essen die Fachhochschulreife erworben. "Mitte der 1990er Jahre unternahm sie den Versuch, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachzuholen und so zumindest einen Teil ihrer biografischen Falschangaben zu heilen", heißt es weiter. Aus Zeitgründen habe sie dies jedoch bereits nach etwa einem Jahr wieder aufgeben müssen.

    SPD-Bundestagsabgeordnete Hinz: Lebenslauf geschönt

    "Es ist klarzustellen, dass Frau Hinz zu keinem Zeitpunkt rechtsberatend tätig war", unterstrich der Anwalt in der Erklärung. Die Angestelltentätigkeit in den Jahren 1999 bis 2003 sei nicht juristischer Natur gewesen. "Das politische Engagement von Frau Hinz war und ist von Aufrichtigkeit und Integrität geprägt. Sie ist daher sehr bestürzt, nicht die Courage aufgebracht zu haben, für ihr Fehlverhalten geradezustehen", heißt es in der Erklärung weiter.

    Hinz bitte ihre Wegbegleiter, Mitarbeiter, Freunde, "all die Menschen, die ihr vertraut haben, und auch die allgemeine Öffentlichkeit von ganzem Herzen um Entschuldigung". Die  SPD-Politikerin gehört dem Deutschen Bundestag seit 2005 an. 

    Welche Konsequenzen die SPD aus dem Fall zieht, blieb zunächst unklar. Auch im Bundestag sind kritische Fragen zu erwarten. Für den SPD-Unterbezirk Essen bedeutet das Eingeständnis nun weitere Unruhe. Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty ist erst seit gut zwei Monaten neuer Vorsitzender der Essener SPD.

    Chronologie der Affäre Guttenberg

    15. Februar 2011: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet vorab über mögliche Plagiate in der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Arbeit wurde 2006 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth eingereicht. Guttenberg hatte dafür die Bestnote summa cum laude erhalten.

    16. Februar: In der "Süddeutschen Zeitung" stehen erste Plagiatsbeispiele, die der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano festgestellt hat. Guttenberg weist die Vorwürfe noch als "abstrus" zurück.

    Kurz darauf berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in ihrer Online-Ausgabe, dass die Einleitung der Doktorarbeit aus einem Artikel in dem Blatt abgeschrieben sein soll. Der einleitende Absatz der Arbeit decke sich fast wortwörtlich mit einem 1997 erschienenen Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig.

    17. Februar: Während Guttenberg die deutschen Truppen in Nordafghanistan besucht, werden in Deutschland fast stündlich neue Plagiatsvorwürfe laut. Erstmals werden Rufe nach einem Rücktritt laut. Im Internet wird eine Webseite für die Schummel-Recherche eröffnet. Unter "Guttenplag-Wiki" sollen die Vorwürfe gegen den CSU-Politiker gesammelt und bewertet werden.

    18. Februar: Erstmals gehen Strafanzeigen gegen Guttenberg wegen der Plagiatsvorwürfe ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt ihrem Minister Unterstützung für den Fall zu, dass er sich zu den Vorwürfen erkläre.

    In einem eilig einberufenen Pressestatement entschuldigt sich Guttenberg am Mittag für "Fehler" und erklärt, er werde seinen Doktortitel bis zur Aufklärung durch die Uni Bayreuth nicht führen. Zugleich versichert er erneut: "Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat."

    21. Februar: Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollen die Plagiatsvorwürfe zum Thema im Bundestag machen. "Guttenplag-Wiki" legt einen Zwischenbericht vor: Danach stehen 271 Seiten der Dissertation oder knapp 70 Prozent unter Plagiatsverdacht.

    22. Februar: Der Wissenschaftsverlag Duncker und Humblot will Guttenbergs Doktorarbeit künftig weder ausliefern noch neu auflegen.

    23. Februar: Die Universität Bayreuth entzieht Guttenberg den Doktortitel.

    28. Februar: Wissenschaftler übergeben einen von 23.000 Doktoranden unterzeichneten offenen Brief an Merkel, in dem sie der CDU-Politikerin in der Plagiatsaffäre eine "Verhöhnung" aller wissenschaftlichen Hilfskräfte vorwerfen.

    1. März: Guttenberg gibt seine politischen Ämter auf, wie er in einem kurzfristig anberaumten Statement erklärt. "Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens", sagt er.

    3. März: Guttenberg legt auch sein Bundestagsmandat nieder.

    7. März: Die Staatsanwaltschaft Hof nimmt Ermittlungen gegen Guttenberg auf.

    8. April: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass die Universität offenbar davon ausgeht, dass Guttenberg absichtlich getäuscht hat.

    15. April: Guttenberg hat kein politisches Mandat mehr. Der Kreistag des oberfränkischen Landkreises Kulmbach stimmt einstimmig Guttenbergs Antrag auf Niederlegung seines Amtes zu.

    6. Mai: Jetzt ist es amtlich: Die Universität Bayreuth geht in ihrem Abschlussbericht davon aus, dass Guttenberg absichtlich getäuscht habe. "Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Freiherr zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat".

    11. Mai: Die Universität stellt den über 80 Seiten langen Abschlussbericht inklusive einer Übersicht einiger der Zitierverstöße Guttenbergs in Bayreuth vor. "Evidente Plagiate" hätten sich über die ganze Arbeit verteilt gefunden.

    23. November: Die Staatsanwaltschaft Hof gibt bekannt, dass die Ermittlungen gegen Guttenberg gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 20.000 Euro eingestellt wurden.

    Seine Vorgängerin Britta Altenkamp war im Februar von dem Spitzenamt zurückgetreten, nachdem drei Ortsvereine der Essener SPD für Empörung gesorgt hatten. Die Parteigliederungen aus dem Essener Norden hatten der Stadtverwaltung vorgeworfen, bei der Unterbringung von Flüchtlingen benachteilige sie die sozial schwächeren Bezirke im Norden. Erst nach öffentlichen Protesten verzichteten die Ortsvereine auf eine geplante Demo gegen neue Flüchtlingsunterkünfte.

    AZ/dpa

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