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SPD-Parteivorsitz: Olaf Scholz hat es schwer an der SPD-Basis

SPD-Parteivorsitz

Olaf Scholz hat es schwer an der SPD-Basis

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    Olaf Scholz kommt bei der SPD-Basis nur mittelmäßig gut an.
    Olaf Scholz kommt bei der SPD-Basis nur mittelmäßig gut an. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Die beiden jungen Parteimitglieder Maximilian Gutsche und Abdu Bilican kommen nicht mit leeren Händen, wenn darum es geht, die SPD vor dem weiteren Absturz zu retten. Sieben Kandidatenduos und der Einzelbewerber Karl-Heinz Brunner wollen am vergangenen Donnerstagabend im kleinen Saal der Nürnberger Meistersinger-Halle in einer Art Castingshow an der Basis darum kämpfen, wer die SPD an der Spitze aus der Krise führen soll. Die beiden jungen Genossen aus dem Würzburger Land sind froh, dass sich vor Beginn das Bewerberduo Christina Kampmann und Michael Roth unters Parteivolk mischen.

    Der 26-jährige IT-Fachmann Gutsche und der 22-jährige stellvertretende SPD-Unterbezirksvorsitzende Bilican haben gemeinsam eine professionelle App und Onlineplattform namens „SPDemocrazy“ entwickelt, die sie dem Duo vorführen: „Wir wollen, dass die Parteiarbeit wieder Spaß macht, dass statt Hinterzimmer-Sitzungen in Ortsvereinen Mitglieder aus ganz Deutschland sich für Projekte vernetzen und vor allem eine echte inhaltliche Mitbestimmung bekommen“, sagt Gutsche. Kandidatin Kampmann hört mit spürbarer Begeisterung zu.

    Modernisierung, Zukunft, Spaß. All das scheint in der SPD tatsächlich verloren gegangen zu sein. Die Partei leidet unter dem widerwilligen Mitregieren in der Großen Koalition. Leidet unter der manischen Selbstbeschäftigung mit dem Hartz-IV-Trauma. Leidet darunter, dass immer weniger Bürger ihre Sozialstaatsrezepte von Mindestlohn bis zur Grundrente in Umfragen und bei Wahlen honorieren.

    SPD: Führungskrise trifft auf tiefe Verunsicherung

    Auf diese tiefe Verunsicherung trifft nun auch noch eine beispiellose Führungskrise: Gleich 15 Bewerber streiten um den Parteivorsitz, der künftig mit einer Doppelspitze besetzt werden soll. Aber auch nach fast der Hälfte des Marathons von 23 Regionalkonferenzen zeichnen sich keine Favoriten ab. Auch die jungen Genossen Gutsche und Bilican wissen zu Beginn in Nürnberg noch nicht sicher, wen sie im ersten Wahlgang Ende Oktober wählen wollen.

    Kampmann, die 39-jährige frühere nordrhein-westfälische Familienministerin, und Roth, den 49-jährigen Europastaatssekretär aus Hessen, loben sie für deren jung-dynamische Aufbruchsstimmung. Doch auch „Nowabo“, wie sie in der SPD den früheren NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans nennen, der mit der baden-württembergischen Parteilinken Saskia Esken kandidiert, kommt für die beiden infrage. Ebenso das Duo aus Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und der Sächsin Petra Köpping.

    Wie der Illertisser Kandidat Brunner Applaus erntet

    Und was ist mit Olaf Scholz? Gutsche und Bilican gehen sofort in Abwehrhaltung: „Nein, er ist ein Technokrat, der 110 Prozent für ein ,Weiter so‘ steht“, sagt Bilican. Wie den beiden digitalbegeisterten Unterfranken geht es offensichtlich auch vielen Älteren an diesem Abend in Nürnberg. Olaf Scholz ist in der großen Runde nur einer von vielen. So wie der Bayer Karl-Heinz Brunner, der per Los als Einzelkandidat die Vorstellungsrunde eröffnet. Der Illertisser Abgeordnete macht dem Ruf der Regionalkonferenzen als „Speeddating“ alle Ehre.

    In atemberaubendem Tempo rattert Brunner als Vertreter des konservativen Flügels seine Position herunter, die SPD müsse für „Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit“ stehen: sozial im Leben, als Friedenspartei in der Weltpolitik, aber auch mit einem klaren Bekenntnis zur inneren Sicherheit. Vor allem aber müsse die SPD wieder mit Spaß an der Demokratie verbunden werden: „Mit der Sozialdemokratie ist es geil, Politik zu machen“, ruft Brunner später in den tobenden Applaus der Basis.

    Tatsächlich sorgt der perfekt durchgetaktete Mix aus fünfminütigen Vorstellungsrunden, kurzen Talkshow-artigen Diskussionsrunden und einminütigen Publikumsfragen für einen sehr kurzweiligen Abend. Zumal alle Kandidaten fair und harmonisch miteinander umgehen. Die Bewerber kitzeln immer wieder die Emotionen der Zuhörer.

    Allen voran das jüngste Duo Kampmann und Roth liefert einen perfekt inszenierten Auftritt ab. „Wir stehen beide total auf Europa!“, ruft Roth und löst damit einen kleinen Begeisterungssturm aus. Und noch mehr mit seiner Analyse eines Grunddilemmas der Genossen, die abseits der großen Bühne selten durch Harmonie auffallen: „Unser Problem ist, dass uns die Menschen Solidarität nicht mehr abnehmen, weil wir selber nicht mehr solidarisch miteinander umgehen.“

    Warum Olaf Scholz es schwer an der SPD-Basis hat

    Schwerer hat es an diesem Abend der Vizekanzler. Der Olaf, wie sie ihn hier in der Partei, in der jeder jeden duzt, nennen. Scholz vermeidet alle Aussagen zur Großen Koalition, spricht lieber über sozialdemokratische Grundwerte. Auch wie er die Partei aus der Krise führen möchte, verrät er nicht. Aber mehr und mehr Teilnehmer stellen dem Olaf unangenehme Fragen: Warum habe Deutschland auf EU-Ebene schärfere Regeln für die Besteuerung von Internetkonzernen ausgebremst, fragt ein empörter Genosse, der deshalb erstmals seine eigene Partei nicht mehr gewählt habe. Ein anderer will wissen, warum der SPD-Finanzminister nicht dafür kämpfe, dass Organisationen wie Attac ihre finanziell überlebenswichtige Gemeinnützigkeit behalten können.

    Scholz windet sich. Er kann an diesem Abend wohl keinen unentschlossenen Wähler auf seine Seite ziehen. Möglich, dass er bei der Masse der nicht anwesenden Briefwähler mit Bekanntheitsgrad und langer Regierungserfahrung punkten kann. Doch sicher scheint es nicht, ob der Finanzminister es überhaupt in die Stichwahl der zwei bestplatzierten Teams Ende November schafft. Denn immer wieder wandern hier in Nürnberg die Blicke des Publikums auf Scholz, wenn trotz der guten Stimmung ein zentrales Problem der SPD zur Sprache kommt: die Glaubwürdigkeit.

    Ist die Große Koalition tot?

    Wie soll die SPD im Wahlkampf ihre Forderungen nach einer besseren Politik aufstellen, wenn sie ihre Vorschläge in acht Jahren Regierung nicht durchsetzen konnte, fragt nicht nur der Bewerber Karl Lauterbach. „Die gute Nachricht ist: Die Partei, sie lebt“, betont er. „Die schlechte Nachricht ist: Die GroKo, sie ist tot“, ruft er unter donnerndem Applaus. Nur mit einem Ausstieg aus der Regierung könne die SPD glaubwürdig für eine linke Mehrheit kämpfen.

    Die beiden jungen Parteimitglieder Maximilian Gutsche und Abdu Bilican sind am Ende mit dem Abend zufrieden: „Der Partei tut das sehr gut“, sagt Gutsche. Dass die Genossen nun online abstimmen können, ist für den IT-Experten in der altehrwürdigen SPD fast schon ein kleines Wunder. Doch wen sie wählen, wissen die beiden noch immer nicht. „Wir haben immer noch unsere drei Favoritenduos, auch Karl-Heinz Brunner hat mit seinem Auftritt positiv überrascht“, sagt Bilican. „Hauptsache, es wird nicht Olaf Scholz“, fügt Gutsche hinzu.

    Lesen Sie dazu auch: Das sind die Kandidaten für den SPD-Vorsitz

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