Parteilinke Mattheis hat Zweifel an Weg zur SPD-Doppelspitze
Exklusiv Kaum hat die SPD ihren Kurs beschlossen, gibt es erste Zweifel. Hilde Mattheis würde lieber erst das Programm klären, dann die Kandidaten suchen.
Sie ist 76 Jahre alt, hochdekorierte Politikprofessorin und ehemalige Kandidatin für das ehrwürdige Amt der Bundespräsidentin. Er ist 28 Jahre alt, lässt sein Politikstudium gerade ruhen und pflegt als Juso-Chef das Image des respektlosen Rebellen.
Auf den ersten Blick wirken Gesine Schwan und Kevin Kühnert nicht gerade wie ein ideales Paar. Doch eines verbindet sie: Die Liebe zur SPD, die tief gefallen ist, von der stolzen Volkspartei zum Sorgenkind der deutschen Parteienlandschaft. Einer SPD, die in Umfragen immer tiefer sinkt, zuletzt auf gerade noch 12 Prozent.
Nachdem Andrea Nahles nach dem schlechten Europawahlergebnis und tief verletzt von Angriffen aus den eigenen Reihen zurückgetreten ist, sucht die SPD ihr Heil in einer Doppelspitze nach dem Beispiel der Grünen. Einzelkandidaten werden zwar nicht ausgeschlossen, doch es herrscht ein breiter Konsens in der Partei, dass die Macht in diesen schwierigen Zeiten am besten auf zwei Genossen verteilt wird. Seither beschäftigt die Funktionäre im Willy-Brandt-Haus und die Abgeordneten im Reichstagsgebäude vor allem die eine Frage: Welches sozialdemokratische Traumpaar wird im Dezember auf dem Parteitag zur neuen Doppelspitze gekürt?
SPD: Gesine Schwan will gefragt werden
Als erstes mögliches Duo sind nun eben ausgerechnet Gesine Schwan und Kevin Kühnert im Gespräch. Schwan sagte im Deutschlandfunk, dass sie bereit sei, für das SPD-Spitzenamt zu kandidieren, „wenn die Bitte an mich herangetragen würde und wenn die auch eine erhebliche Unterstützung hätte“. Juso-Chef Kühnert habe sie stets als „fair und nachdenklich argumentativ“ wahrgenommen. Gefragt habe sie ihn aber noch nicht und sie glaube auch nicht daran.
In Parteikreisen wird ihr Flirt mit Kühnert eher mit Belustigung gesehen. Doch das Thema Kandidatenkür wirft gleichzeitig viele ernste Fragen auf. Denn das vom Vorstand beschlossene Verfahren weicht deutlich vom Modell der Grünen ab, die beide Mitglieder der Doppelspitze einzeln wählen. Bei der Ökopartei ermöglichte dies in der Vergangenheit den Ausgleich zwischen den konkurrierenden Parteiflügeln der Realos und Fundis. Die SPD will dagegen, dass sich die Kandidatenduos bis zum 1. September zusammenfinden, danach gemeinsam bei bis zu 30 Regionalkonferenzen für sich werben und sich quasi auch im Doppelpack dem Mitgliedervotum stellen.
Hilde Mattheis: „Das ist ein Mammutprogramm“
Für die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis (Ulm), die Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21, wirft das geplante Wahlverfahren zahlreiche Fragen auf. So habe die Parteiführung zwar festgelegt, dass jeder Einzelkandidat oder jedes Duo die Unterstützung von fünf Unterbezirken, einem Bezirk oder einem Landesverband brauche. Doch faktisch könne das bedeuten, „dass nun erst mal jeder, der will, seinen Hut in den Ring wirft“. Aus dem großen Bewerberkreis dann auch noch aussichtsreiche Paare zu bilden, könne schwierig werden, sagt Mattheis. Wenn sie dann auch noch von 20 bis 30 geplanten Regionalkonferenzen in nur zwei Monaten höre, sei sie „ratlos“. Die Parteilinke: „Das hieße ja im schlimmsten Fall jeden zweiten Tag eine Konferenz, das muss ja alles vorbereitet sein. Das ist schon ein Mammutprogramm.“
Bedenken hat sie auch in einem weiteren Punkt: „Was ist, wenn die Delegierten auf dem Parteitag den dringend nötigen GroKo-Ausstieg beschließen und die Mitglieder gleichzeitig für ein Spitzenduo sind, das weiter in der Regierung bleiben will? Oder umgekehrt. Da könnte das nächste Problem schon vorprogrammiert sein.“ Logischer wäre es, sagt Hilde Mattheis, „inhaltliche Entscheidungen, vor allem über den Ausstieg aus der GroKo, zuerst zu treffen und dann die passenden Personen dazu zu wählen“. Dass die SPD die Basis stark einbinden will, sei ja richtig, so Mattheis. Doch es sei ein „sehr ambitionierter“ Pfad, der zur Doppelspitze führen soll.
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