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Europawahl: SPD in der Krise: Jetzt soll es Katarina Barley in Brüssel richten

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SPD in der Krise: Jetzt soll es Katarina Barley in Brüssel richten

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    Katharina Barley (SPD) in einem Weinberg in Saarburg. Die Juristin wagt das Risiko „Spitzenkandidatur Europawahl“. Für ihre Partei steht viel auf dem Spiel, sie braucht einen Neuanfang.
    Katharina Barley (SPD) in einem Weinberg in Saarburg. Die Juristin wagt das Risiko „Spitzenkandidatur Europawahl“. Für ihre Partei steht viel auf dem Spiel, sie braucht einen Neuanfang. Foto: Harald Tittel, dpa

    Im Hintergrund kracht es, die lange Europafahne fällt fast zu Boden. Der bronzene Willy Brandt steht wie immer stoisch ruhig daneben. Er hat ja hier zuletzt so manchen krisenhaften Moment erlebt. „Diese nächste Wahl ist eine Schicksalswahl“, sagt Katarina Barley im Atrium der SPD-Zentrale, als sie am Mittwoch offiziell als Spitzenkandidatin für die Europawahl im Mai vorgestellt wird.

    Barley bezeichnet sich als geborene Europäerin

    „Ich bin eine geborene Europäerin“, sagt Barley über sich selbst. Und darum soll sie, so der Wille von SPD-Chefin Andrea Nahles und des gesamten Parteipräsidiums, das neue europapolitische Gesicht der SPD werden. Eine Rolle, die in der Vergangenheit Ex-Parteichef Martin Schulz als langjähriger Vorsitzender der sozialistischen Fraktion im Europaparlament sowie als Parlamentspräsident in Brüssel und Straßburg innehatte. Auf Platz zwei soll der amtierende Brüsseler Fraktionschef Udo Bullmann antreten. Das sei „ein gutes Doppel“, sagte Nahles bei der Vorstellung des Spitzenteams, „eine Doppelspitze mit viel europäischer Leidenschaft“. Daher habe sie auch keinen anderen Sozialdemokraten gefragt.

    Auch nicht Martin Schulz, bislang „Mister Europa“ der SPD, der in der SPD keine Rolle mehr spielt. Nahles macht deutlich, wie wichtig der SPD die Europawahl im kommenden Jahr ist. Barley wisse von ihrer eigenen Biografie her, „was Europa für ein friedliches Zusammenleben bedeutet“, alle politischen Debatten „sind nicht entweder europäisch oder national, sondern immer beides“. Barley räumte ein, lange gezögert zu haben. „Am Ende war ich es dann, die auf Nahles zugegangen ist und gesagt hat, ich möchte das tun.“ Und das vor der Bayern-Wahl. Bis zur Europawahl werde sie Justizministerin bleiben, der Abschied von diesem Amt werde ihr schwerfallen.

    Barley selbst nannte die Europawahl eine Schicksalswahl

    „Ich bin Juristin durch und durch, ich habe mich mit viel Leidenschaft in dieses Amt eingearbeitet“, sagte sie, das Justizressort sei „ein europäisch geprägtes Haus“ und bis Mai gebe es noch viel zu tun. „Aber ich bin sehr mit mir im Reinen mit dieser Entscheidung.“ Die 49-Jährige begründete ihre Entscheidung auch mit der schwierigen Lage der SPD. „Ich liebe diese Partei“, sagte sie. „Ich möchte meinen Beitrag leisten und Verantwortung übernehmen.“

    Die Juristin gehört erst seit 2013 dem Bundestag an, machte aber rasch Karriere. Schon im November 2015 berief sie Sigmar Gabriel als Nachfolgerin von Yasmin Fahimi zur Generalsekretärin, 2017 wurde sie Familienministerin, nach der Bundestagswahl übernahm sie kommissarisch auch noch das Sozialressort von Nahles, erst seit März ist sie Justizministerin. Wer ihr nachfolgen wird, ist noch offen. „Da fällt uns sicher was ein“, sagte Parteichefin Nahles. Als Favoritin gilt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl aus Berlin, wie Barley promovierte Juristin, die in der SPD-Fraktion seit 2013 für die Themengebiete Inneres, Recht und Verbraucherschutz sowie Sport, Kultur und Medien zuständig ist. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die 48-jährige Högl als Obfrau der SPD im ersten NSU-Untersuchungsausschuss bekannt.

    Was es mit dem "Parlamentskreis Pferd" in der SPD auf sich hat

    Für Nahles ist die Personalie auch der Versuch eines kleinen Aufgalopps nach Wochen des Missvergnügens. Die Personalie überzeugt – aber etwas unglücklich wirkt, dass es parallel Befremden über ein anderes Engagement der Parteivorsitzenden gibt: Nahles lädt als eine von vier Bundestagsabgeordneten zur Gründung eines „Parlamentskreises Pferd“ ein. Ein Abgeordneter hält dies in der Fraktionssitzung erst für einen Gag der ZDF-„heute-show“ – ein anderer ruft sarkastisch: „Es gibt ja zumindest mehr Pferde als SPD-Wähler in Bayern.“ Nahles ist begeisterte Reiterin. Einige Genossen fragen sich, ob sich Nahles ob der Krise nicht besser auf andere Dinge konzentrieren sollte. Mit viel PS war die Koalition zuletzt vor allem in Sachen Streit unterwegs.

    Wenn Barley ein gelungener Europawahlkampf mit gutem Ergebnis glückt, wäre sie durchaus auch in Berlin in Zukunft wieder eine Kandidatin für höchste Ämter. Wenngleich die Meinungen über ihre Fähigkeiten auseinandergehen. Die Zukunft der SPD hängt nun aber als nächste Etappe erst einmal auch vom Abschneiden des hessischen Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel am 28. Oktober ab. Danach kommt der Vorstand zu einer Klausur zusammen, es könnte ein Scherbengericht werden. Auch über Vizekanzler Olaf Scholz, der als „lichtscheu“ verspottet wird. Es fällt auf, wie er gerade Andrea Nahles nach dem Bayern-Debakel allein im Scheinwerferlicht stehen lässt. Am Sonntag, am Montag, am Dienstag und auch am Mittwoch dieser Woche gab es einen Nahles-Auftritt. Der Vizekanzler war nie dabei, um mit ihr ein Signal der Geschlossenheit zu senden.

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