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EU: Sarkos ganz eigene Sicht

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Sarkos ganz eigene Sicht

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    Carla und Nicolas Sarkozy
    Carla und Nicolas Sarkozy Foto: DPA

    War Nicolas Sarkozy am Donnerstag auf einem anderen EU-Gipfel als Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen europäischen Staats- und Regierungschefs? Den Eindruck konnte gewinnen, wer die Schlüsse hörte, die der französische Präsident aus dem Treffen zog. Die Aussage, Merkel habe ihm versichert, dass auch Deutschland in den kommenden Wochen Roma-Camps evakuieren werde, ließ die Bundesregierung postwendend zurückweisen. "Solche Ankündigungen hat es nicht gegeben. Sie würden auch dem deutschen Verfassungsgefüge widersprechen", sagte Außenminister Guido Westerwelle.

    Sein französischer Amtskollege Bernard Kouchner gab zu, er wisse nichts von einem solchen Gespräch zwischen Merkel und Sarkozy. Ob es sich, wie Westerwelle vermutet, um ein bloßes "Missverständnis" handelte oder ob Sarkozy bewusst eine falsche Spur legte, weil er sich über mangelnde Unterstützung ärgerte - von seinem Sicherheitskurs will er trotz des drohenden EU-Strafverfahrens nicht abweichen.

    Frankreich werde "weiterhin alle illegalen Camps ohne Unterschied von Herkunft oder Kultur auflösen", versicherte Sarkozy. Das Problem der Roma sei ein europäisches, vor dem zumindest seine Regierung nicht die Augen verschließe. Zugleich sieht es der französische Staatschef durchaus auch innenpolitisch, da er von der Brüsseler Bühne aus auch zur heimischen Klientel sprach: Die Sicherheitspolitik gilt als Sarkozys Paradefeld, auf dem er enttäuschte konservative Wähler wiedergewinnen oder der Front National abspenstig machen will.

    Nachdem seine Regierung wochenlang durch interne Skandale in der Kritik gestanden war, hatte er mit der massiven Auflösung illegaler Camps und Ausweisung Tausender Roma einen neuen Diskussionsschwerpunkt geschaffen. Die Kritik daran fand ihren Höhepunkt, als ein internes Schreiben bekannt wurde, das die systematische Räumung von Lagern "vorrangig der Roma" vorsah. EU-Justizkommissarin Viviane Reding prangerte dies als "Schande" an, die ungute Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg wecke. Eine inakzeptable Beleidigung, konterte Sarkozy. "So spricht man nicht unter europäischen Partnern. Meine Pflicht als Staatschef war es, Frankreich zu verteidigen." Alle Staats- und Regierungschefs der EU hätten sich einmütig hinter ihn gestellt, führte er aus. Dies ist eine weitere Uminterpretation der Geschehnisse. Denn die einmütige Solidarität mit Frankreich betraf nur die Kritik an Redings scharfem Ton und der Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg, für die sie sich inzwischen entschuldigt hat. Nicht aber deren Kern, nämlich die grundsätzliche Befürchtung, Frankreich diskriminiere eine ganze ethnische Rasse. Auch der Großteil Presse Frankreichs folgte nicht Sarkozys Version, der Frankreich als Opfer einer bösartigen EU-Kommissarin sieht, sondern beklagte den totalen Verlust politischer Glaubwürdigkeit. Sehr sensibel auf das internationale Bild Frankreichs achtend, befürchtet sie, der Präsident bringe es immer mehr in Misskredit. "Sarkozy und Berlusconi gegen den Rest der Welt! Am Ende kommen die großen Geister immer zusammen", spottete die Zeitung Le Dauphiné Libéré über die Unterstützung, die Sarkozy in der Roma-Frage allein von seinem italienischen Kollegen bekommen hatte.

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