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Finanzen: Schuldenuhr läuft erstmals rückwärts

Finanzen

Schuldenuhr läuft erstmals rückwärts

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    Freitagmittag in Berlin: Die Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes zeigt noch ein Plus von 58 Euro pro Sekunde an. Wenige Stunden später geht es in die entgegengesetzte Richtung: Nun reduziert sich die Schuldensumme um 78 Euro pro Sekunde.
    Freitagmittag in Berlin: Die Schuldenuhr des Steuerzahlerbundes zeigt noch ein Plus von 58 Euro pro Sekunde an. Wenige Stunden später geht es in die entgegengesetzte Richtung: Nun reduziert sich die Schuldensumme um 78 Euro pro Sekunde. Foto: Zinken, dpa

    Dreizehn große rote Ziffern markieren den Schuldenstand der Bundesrepublik Deutschland: Auf fast zwei Billionen Euro belaufen sich die Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand. Eine Billion, das sind 1000 Milliarden. Jeder Deutsche, vom Säugling bis zum Greis, steht damit rein rechnerisch mit fast 24000 Euro in der Kreide. Und die Schuldenuhr, die über dem Eingang zur Zentrale des Bundes der Steuerzahler in der Berliner Reinhardstraße prangt, läuft weiter. Seit gestern aber zum allerersten Mal rückwärts – die Staatsverschuldung sinkt. Ein Meilenstein in der Geschichte dieses Mahnmals für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Bürger.

    Seit die Uhr vor 22 Jahren – zunächst noch in Wiesbaden – in Betrieb genommen wurde, kannte sie nur eine Richtung: vorwärts. Die Schulden stiegen, mal schneller, mal langsamer, das blieb auch so, als die Schuldenuhr nach Berlin umzog. Zwischen 1995 und 2015 verdoppelten sich die Verbindlichkeiten fast. Ungläubig blickten die vielen Touristen, die an der großen Digitalanzeige im Regierungsviertel innehalten, vor allem auf das ständig blinkende Feld mit der sekündlichen Neuverschuldung. Im Zuge der Finanzkrise lag der Wert im Jahr 2009 bei 4439 Euro pro Sekunde. Gestern Vormittag betrug der sekündliche Schuldenzuwachs noch 58 Euro. Doch seit dem Nachmittag zeigt die Anzeige sinkende Schulden, minus 78 Euro pro Sekunde.

    Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: „Basis sind die aktuell vom Statistischen Bundesamt gemeldeten Zahlen, wonach die Gesamtverschuldung im zurückliegenden Jahr um 2,9 Prozent zurückgegangen ist.“ Die anhaltend gute Konjunktur führe zu hohen Steuereinnahmen, durch niedrige Zinsen komme der Schuldendienst den Staat zudem seit Jahren weniger teuer zu stehen. Einen Grund zur Entwarnung sieht Holznagel in der Entwicklung keineswegs: „Die Kuh ist noch lange nicht vom Eis. Deutschland erfüllt noch immer nicht die Stabilitätskriterien des Maastrichter Vertrages, der Staat gibt weiter das Geld mit vollen Händen aus.“ Bis Ende kommenden Jahres werden sich die Verbindlichkeiten laut Holznagel um lediglich 2,5 Milliarden Euro verringert haben. In diesem Tempo würde es fast acht Jahrhunderte bis zur völligen Schuldenfreiheit des Staates dauern.

    Aus Sicht des Steuerzahlerbundes müsse die Politik nun mit deutlichen Entlastungen der Bürger dafür sorgen, dass Wirtschaftswachstum und Konjunktur stabil bleiben. Eine Senkung des Beitragssatzes der Arbeitslosenversicherung und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags nennt Holznagel als besonders dringende Forderungen. Zudem müsse weiter an unsinnigen Ausgaben gespart werden. Subventionen und Steuervergünstigungen für bestimmte Branchen, die jährlich 25 Milliarden kosten, sollten mit dem „Rasenmäher“ gestutzt werden. Ausufernde oder scheiternde Großprojekte wie Stuttgart 21 oder den Berliner Pannen-Flughafen BER könne sich der Staat schlichtweg nicht leisten.

    Dass manche Bundesländer noch immer auf neue Schulden setzten, sei verantwortungslos, sagt der Steuerzahler-Präsident. Das unrühmlichste Beispiel sei Rheinland-Pfalz, das im kommenden Jahr 54 Millionen Euro an neuen Schulden aufnehmen wolle. Dagegen sei erfreulich, dass Bayern als „Tilgungs-Meister“ stolze 1,5 Milliarden und Baden-Württemberg immerhin 250 Millionen Euro an Schulden abzubauen planten.

    In den kommenden vier Jahren sei nach vorliegenden Schätzungen damit zu rechnen, dass der Schuldenstand zumindest in bescheidenem Umfang weiter reduziert werden kann. Ein gewaltiges Risiko liege aber in der Entwicklung der Zinsen. „Wenn die Zinsen steigen, ist das Dynamit für die Staatsfinanzen. 2008 hat die Bundesrepublik noch 40 Milliarden Euro allein an Zinsen bezahlt, heute ist es noch die Hälfte. Doch das kann sich ändern.“

    Dass die nun rückwärts laufende Schuldenuhr ihren Schock-Charakter verliert, befürchtet der Chef des Steuerzahler Bundes jedenfalls nicht. Reiner Holznagel: „Unsere Anzeige taugt jetzt mehr denn je zur Mahnung an die Politik. Wenn die Regierung, wie immer sie auch künftig aussieht, Fehler macht, läuft die Uhr ganz schnell auch wieder vorwärts.“

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