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Sri Lanka: Terroristen aus gutem Hause

Sri Lanka

Terroristen aus gutem Hause

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    Mit Kerzen gedenken die Menschen den Opfern. Doch Fragen werden lauter, warum die Behörden nicht auf konkrete Warnungen reagiert haben.
    Mit Kerzen gedenken die Menschen den Opfern. Doch Fragen werden lauter, warum die Behörden nicht auf konkrete Warnungen reagiert haben. Foto: D. Sarkar, afp

    Der junge Mann stellte sich als „Umar“ aus Oddamaavadi vor. „Ich dachte, er sei einer von den vielen neuen Leuten, die zu uns in die Kirche kommen“, erzählt Pastor Kumaran von der Zion-Kirche in Batticaloa, einem kleinen Küstenort im Osten von Sri Lanka. Der Mann verwickelte den Pastor in ein Gespräch. Trotz der beiden großen Taschen des Besuchers habe er nichts Auffälliges an ihm gefunden, erzählt der Geistliche dem Daily Mirror in Sri Lanka. „Er sah aus wie um die 30, mittelgroß.“ Pastor Kumaran machte den Besucher mit einem anderen Gemeindemitglied bekannt. Doch bei diesem klingelten die Alarmglocken und er versuchte den jungen Mann vom Kirchengelände zu lotsen. Als „Umar“ dennoch ins Gotteshaus eindringen wollte, verstellte er ihm den Weg. Im nächsten Moment zündete der Terrorist seinen Sprengsatz. Mehr als 28 Menschen starben, darunter auch der Sohn von Pastor Kumaran.

    Batticaloa ist nur ein Schauplatz der Serie von Selbstmordattentaten auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka am Ostersonntag, bei denen mindestens 359 Menschen getötet und rund 500 verletzt wurden.

    Die Zionskirche in Batticaloa schien nicht die erste Wahl des Selbstmordattentäters gewesen zu sein. Vor der 200 Jahre alten Marien-Kathedrale, etwa 50 Meter entfernt, war „Umar“ zuerst erschienen. Doch dort war der Ostergottesdienst mit über 1000 Gläubigen bereits beendet, weil der Priester die Messe ausnahmsweise früher begonnen hatte.

    Wie „Umar“ traten auch alle anderen Attentäter enorm selbstbewusst auf. Das Video einer Überwachungskamera an der St. Sebastianskirche in Negombo zeigt den Selbstmordbomber, wie er mit seinem Rucksack forschen Schrittes auf das Gebäude zueilt. Auf dem Vorplatz kreuzt sich sein Weg mit dem eines kleinen Mädchens in einem weißen Kleid. Der Bomber streicht dem Kind über den Kopf – nur Sekunden später explodiert der Sprengsatz.

    Auch die Bomber, die die Luxus-Hotels in Colombo angriffen, wirkten gefasst und selbstsicher. Einer reihte sich in aller Ruhe mit einem Teller am Frühstücksbuffet ein, bevor er die Bombe explodieren ließ. Zahran Hashim alias Abu Ubaida soll einer der Attentäter gewesen sein, der sich im schicken Restaurant des Shangri-La-Hotels mit Militärsprengstoff in die Luft jagte. Sein Bruder gilt als Urheber des Anschlags auf das Cinnamon-Grand-Hotel. Die Geschwister stammen aus einer reichen Familie von Gewürzhändlern. Laut Polizeiangaben waren die Selbstmordattentäter allesamt Bürger von Sri Lanka, acht Männer und eine Frau, die mit einem der Attentäter verheiratet war.

    „Die Selbstmordattentäter sind fast alle gut gebildet und kommen aus der Mittel- oder gehobenen Mittelschicht. Sie sind finanziell recht unabhängig und ihre Familien leben in stabilen Einkommensverhältnissen“, erklärte Sri Lankas Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene. „Das ist ein besorgniserregender Faktor hier.“ Manche von ihnen haben offenbar im Ausland studiert. Ein Attentäter soll in Großbritannien und später in Australien Universitäten besucht haben.

    Sri Lankas Regierung macht die weitgehend unbekannte „National Tawheed Jamath“ (NTJ) für die Attentatsserie verantwortlich. Ein Motiv soll angeblich Rache für das Moscheemassaker von Christchurch in Neuseeland gewesen sein, bei dem im März 50 Menschen starben. Die Organisation habe aber Hilfe eines „internationalen Netzwerks“ gehabt. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatte sich am Dienstag zu dem Anschlag bekannt und Videos und Fotos der mutmaßlichen Selbstmordattentäter verbreitet.

    Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern erklärte jedoch, ihre Regierung habe keine Hinweise auf einen direkten Zusammenhang zwischen den Anschlägen in Sri Lanka und Christchurch. Terrorexperten gehen davon aus, dass die komplexe Attentatsserie am Ostersonntag monatelang geplant wurde.

    Indien hatte Sri Lanka zuvor mehrfach konkrete Hinweise auf einen geplanten Anschlag von Islamisten zukommen lassen. Die letzte Warnung sei nur einige Stunden vor den Attentaten erfolgt. Offenbar nahmen die Behörden diese aber nicht ernst. Die Regierung nahm dies am Mittwoch zum Anlass, die gesamte Führungsriege bei Polizei, Armee und Geheimdiensten auszutauschen. Präsident Maithripala Sirisena kündigte zudem Umstrukturierungen an.

    Sri Lankas muslimische Gemeinschaft fürchtet Repressalien. Radikal-buddhistische Mönche haben in den letzten Jahren Leute aufgehetzt und anti-muslimische Unruhen angezettelt. Muslimische Führer hatten Polizei und Nachrichtendienste schon länger vor Hass-Predigern in Sri Lanka gewarnt, die zum Dschihad aufgerufen haben, darunter auch Zahran Hashim, der die Anschläge geplant haben soll. „Diese Leute haben Gehirnwäsche betrieben“, sagt Reyyaz Salley, von der Shaikh Usman Waliyullah-Moschee. „Wenn die Behörden unserem Rat gefolgt wären, hätte dies alles verhindert werden können.“

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