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UN-Vertrag: Grüne kritisieren deutsche Blockade des Atomwaffenverbots

UN-Vertrag

Grüne kritisieren deutsche Blockade des Atomwaffenverbots

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    Atomwaffen verbieten klingt vernünftig. Wie das gelingen soll, darüber gibt es im politischen Berlin unterschiedliche Auffassungen.
    Atomwaffen verbieten klingt vernünftig. Wie das gelingen soll, darüber gibt es im politischen Berlin unterschiedliche Auffassungen. Foto: Caroline Seidel, dpa

    An diesem Freitag tritt offiziell der internationale Vertrag zum Verbot der Atomwaffen der Verteinten Nationen in Kraft, nachdem 122 der 193 UN-Mitgliedstaaten ihn auf Initiative Österreichs beschlossen haben. Deutschland ist nicht darunter. Die Grünen kritisieren die Weigerung der Bundesregierung dem neuen Pakt beizutreten. „Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein wichtiger Schritt, um der Vision einer atomwaffenfreien Welt näher zu kommen“, sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Agnieszka Brugger unserer Redaktion.

    „Die Bundesregierung duckt sich hier seit Jahren weg und boykottiert diesen Vertrag, statt ihn als Chance zu begreifen“, kritisierte die Grünen-Politikerin angesichts des Inkrafttreten des Vertrags. „Eine Welt ohne Atomwaffen wäre eine sicherere Welt, auch wenn der Weg dorthin noch weit und steinig ist“, betonte Brugger. „Umso beeindruckender ist der Erfolg der Zivilgesellschaft, die in nur wenigen Jahren erreicht hat, dass dieser Vertrag nun in Kraft tritt und von über 50 Staaten unterstützt wird“, begrüßte sie die Ratifizierung des Pakts durch zahlreiche Nationen.

    Welche Ziele der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen hat

    Der UN-Verbotsvertrag war vor vier Jahren von zwei Drittel Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen beschlossen. Ziel ist das Verbot von Besitz, Entwicklung, Produktion, Erwerb oder Stationierung von Atomwaffen. Die Atommächten und alle Nato-Staaten - darunter auch Deutschland - lehnen ihn ab. Die Bundesregierung machte ihre Haltung jetzt noch einmal klar.

    In einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag bekräftigt das Auswärtige Amt, dass es den seit mehr als 50 Jahren bestehenden Atomwaffensperrvertrag für das wirksamere Instrument hält, um zu konkreten Abrüstungsschritten zu kommen. Aus dem neuen Vertrag ergebe sich eine nachrangige Behandlung bestehender Verpflichtungen. "Aus Sicht der Bundesregierung kann dies zu einer Fragmentierung und realen Schwächung internationaler Abrüstungsbemühungen im nuklearen Bereich führen", heißt es in dem Schreiben der Staatssekretärin Antje Leendertse.

    Bundesregierung sieht Abrüstung durch UN-Vertrag bedroht

    Sie macht darin deutlich, dass die Bundesregierung das neue Vertragswerk sogar für kontraproduktiv hält. Die darin festgeschriebene Ächtung von Atomwaffen habe "die Abrüstungsbereitschaft der Nuklearwaffenstaaten nicht erhöht, sondern tendenziell zur Verhärtung des Abrüstungsdialogs beigetragen". Auch vor dem Hintergrund dieser "Polarisierung" sei die Bundesregierung darum bemüht, die politische Aufmerksamkeit "auf praktische und realisierbare Abrüstungsschritte" zu richten.Durch Damit die Ablehnung der Nato-Staaten und Atommächte bleibt der Vertrag unwirksam, zumindest was konkrete Abrüstungsschritte angeht. Denn der Pakt ist nur für Staaten bindend, die ihn ratifizieren.

    Dem Atomwaffensperrvertrag wurde dagegen Ende der Sechzigerjahre von den Atommächten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien mit initiiert. In ihm wird ebenfalls allen Vertragsstaaten außer diesen fünf der Erwerb von Atomwaffen verboten. Die Atommächte verpflichten sich gleichzeitig zu Verhandlungen über eine vollständige Vernichtung ihrer Waffen. Der Vertrag bildet seit einem halben Jahrhundert die wichtigste Grundlage für atomare Abrüstung. Da diese allerdings zuletzt ins Stocken geraten ist, wurde der Atomwaffenverbotsvertrag von dem internationalen Netzwerk Ican initiiert, das dafür 2017 den Friedensnobelpreis bekam. Mit dem Vertragswerk soll vor allem politischer Druck auf die Atommächte ausgeübt werden.

    Ein aktuelles Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags widerspricht der Auffassung der Bundesregierung, dass der neue Vertrag den Atomwaffensperrvertrag schwäche. Die beiden Verträge stünden "juristisch nicht in Widerspruch" zueinander, heißt es darin. Die rechtliche "Fortschreibung" bestehe vor allem darin, dass der Atomwaffenverbotsvertrag "konkrete Abrüstungsverpflichtungen enthält und die Strategie der nuklearen Abschreckung delegitimiert".

    Linke kritisiert Ablehnung des Anti-Nuklearwaffen-Pakts

    Für die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen sind damit die Hauptargumente der Bundesregierung "wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen". "Einem Beitritt zu diesem historischen Abrüstungsvertrag steht nichts entgegen, im Gegenteil", sagt sie.

    Auch bei den Vereinten Nationen in New York wird die harsche Ablehnung des neuen Vertrags mit Unverständnis verfolgt. "Staaten, die nicht beabsichtigen, dem Vertrag beizutreten, sollten die berechtigten Befürchtungen und alle nach Treu und Glauben unternommenen Anstrengungen zur Erreichung der nuklearen Abrüstung respektieren", fordert der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, auch in Richtung der Nato-Staaten.

    Alle Länder müssten wieder einen Weg mit einer gemeinsamen Vision zur nuklearen Abrüstung einschlagen. Und genau da könnte auch für Deutschland und andere Länder der Beobachterstatus beim Atomwaffenverbotsvertrag eine wichtige Rolle spielen: Dieser würde es skeptischen Ländern ermöglichen, "ihre Vorbehalte zu äußern und einen Dialog mit den Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrages aufzunehmen", sagt Dujarric.

    Beobachterstatus bedeutet, dass man an der Vertragsstaatenkonferenz teilnimmt, aber kein Stimmrecht hat. Allerdings müssen sich auch die Beobachter an der Finanzierung der Konferenz beteiligen, die voraussichtlich in etwa einem Jahr stattfindet. Nach UN-Angaben haben bislang nur die Schweiz und Schweden Interesse bekundet, als Beobachter teilzunehmen. (mit dpa)

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