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Justiz: USA schieben früheren KZ-Wächter nach Deutschland ab

Justiz

USA schieben früheren KZ-Wächter nach Deutschland ab

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    Das Foto Jakiv Palijs auf dem US-Visum Ende der 40er Jahre.
    Das Foto Jakiv Palijs auf dem US-Visum Ende der 40er Jahre. Foto: dpa

    Der aktuelle Fall um den früheren KZ-Wächter Jakiv Palij zeigt erneut: Die deutsche Justiz ist entschlossen, gegen NS-Täter zu ermitteln, solange es geht. Das bekommt jetzt ein 95-jähriger früherer Angehöriger der SS zu spüren, der aus den USA nach Deutschland abgeschoben wurde. Die Maschine landete am Dienstag in Düsseldorf, der gebrechliche Mann wurde in ein nahe gelegenes Pflegeheim gebracht.

    Die US-Behörden sind davon überzeugt, dass Palij als bewaffneter Wärter im Zwangsarbeiter- und Arbeitslager Trawniki im von der Wehrmacht besetzten Polen eingesetzt wurde. Palij soll die Aufgabe gehabt haben, Gefangene an der Flucht zu hindern. Er habe durch seine Arbeit zu den "unmenschlichen Lebensbedingungen" im Lager beigetragen, erklärte die US-Botschaft. In dem Lager wurden am 3. November 1943 rund 6000 jüdische Kinder, Frauen und Männer erschossen. Botschafter Richard Grenell sagte gestern, es sei dem "politischen Willen und starkem Engagement" mehrerer Kabinettsmitglieder zu verdanken, dass Palij tatsächlich nach Deutschland abgeschoben werden konnte. Namentlich nannte er Außenminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU).

    Alle NS-Verbrechen sollen aufgeklärt werden

    Wie so oft in solchen Fällen zogen sich Ermittlungen und die Umsetzung von Beschlüssen über viele Jahre hin. US-Richter hatten die Auslieferung bereits vor 14 Jahren angeordnet. Doch zunächst fand sich kein Staat, der Palij aufnehmen wollte. Zuletzt lebte der gebürtige Pole, der 1949 in die USA auswanderte, in New York. Die Bild-Zeitung hatte berichtet, dass im Jahre 2015 in Abwesenheit eingeleitete Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Würzburg im Sande verlaufen seien. Nun soll sich die Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen des Falles annehmen.

    Noch vor wenigen Jahren hätte für eine Verurteilung die rechtliche Grundlage gefehlt. Doch seit dem 12. Mai 2011 ist alles anders. An diesem Tag wurde John Demjanjuk in München wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dieses Urteil hatte große Tragweite: Denn Demjanjuk wurde schuldig gesprochen, obwohl es der Staatsanwaltschaft nicht gelang, ihm nachzuweisen, dass er persönlich in einen Mordfall im Lager Sobibor verwickelt gewesen ist. Für das Gericht war es ausreichend, dass Demjanjuk als Aufseher "Teil der Tötungsmaschinerie" gewesen ist – eine spektakuläre Abkehr von dem Rechtsgrundsatz, dass eine individuelle Schuld bewiesen werden muss. Dieser Paradigmenwechsel wurde insbesondere in Israel begrüßt.

    Oft platzen Prozesse gegen die Täter wegen Krankheit und Tod

    Doch es gab einen bitteren Beigeschmack, der auch bei späteren Verfahren im Spiel war: Verurteilt wurde 2011 in München eine kleine Schraube in der Höllenmaschine. Der gebürtige Ukrainer Demjanjuk bekam die volle Härte der Justiz zu spüren, während deutsche Nazi-Verbrecher mit weit mehr Verantwortung für ihre Taten nicht büßen mussten und einen unbehelligten Lebensabend verbringen konnten. Und doch ging von der Verurteilung Demjanjuks das Signal der Entschlossenheit aus, NS-Verbrechen zu sühnen.

    Allerdings erfüllten sich die Hoffnungen vieler der letzten Überlebenden und derer Familien nicht. Oft platzten Prozesse gegen die betagten Täter. Die Gründe sind profan: Krankheit und Tod. Einiges spricht dafür, dass dies im Fall von Jakiv Palij nicht anders sein wird.

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