Nach monatelangem Streit: Verfassungsausschuss für Syrien startet
Der UN-Verfassungsausschuss für Syrien soll Assad-Regime und Opposition an einen Tisch bringen. Doch nach acht Jahren Bürgerkrieg sind die Fronten verhärtet.
Nach mehr als acht Jahren Bürgerkrieg in Syrien mit Hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen setzen sich die verfeindeten Parteien erstmals gemeinsam an einen Verhandlungstisch. In Genf nimmt am Mittwoch nach monatelangem Ringen ein Verfassungsausschuss unter dem Dach der Vereinten Nationen seine Arbeit auf. Die UN, aber auch Russland und der Iran als Verbündeter der Regierung sowie die Türkei als Unterstützer der Opposition sehen in dem Ausschuss eine Chance für einen politische Prozess, mit dem der Bürgerkrieg in dem Land beendet werden könnte.
Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft kommen zusammen
"Es gibt für die Syrien-Krise keine militärische Lösung", erklärte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Dienstagabend in Genf nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus der Türkei und dem Iran, Mevlüt Cavusoglu und Mohammed Dschawad Sarif. Alle drei sagten dem Ausschuss ihre volle Unterstützung zu. Das Gremium mit jeweils 50 Vertretern der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft soll in den nächsten Monaten eine neue Verfassung ausarbeiten.
Der Syrien-Konflikt war im März 2011 mit Protesten gegen die Regierung ausgebrochen. Assads Truppen gingen damals mit Gewalt gegen die Demonstrationen vor. Mittlerweile sind in dem Bürgerkrieg mehr als 400.000 Menschen ums Leben gekommen. Millionen Menschen wurden vertrieben. Große Teile des Landes sind zerstört worden. Helfer mahnen, in vielen Gebieten herrsche große humanitäre Not.
Sarif erklärte, der Prozess müsse ausschließlich in den Händen der Syrer liegen und dürfe nicht als von außen beeinflusst angesehen werden. "Wir verpflichten uns dazu, uns nicht einzumischen", sagte er. Der Ausschuss sei der Beginn eines schwierigen Prozesses, der Zeit brauchen werde. Cavusoglu erklärte, das Gremium könne den Weg für einen umfassenden politischen Wandel in Syrien ebnen.
USA wollen "Beziehungen zum syrischen Regime nicht normalisieren"
Der UN-Syriengesandte Geir Pedersen hatte den Ausschuss am Montag als Meilenstein bezeichnet. Es handele sich um die erste politische Vereinbarung zwischen Regierung und Opposition, sagte er in Genf. "Es sollte ein Zeichen der Hoffnung für das seit langem leidende syrische Volk sein", erklärte der norwegische Diplomat.
Wie lange der Ausschuss tagt, ist offen. Es gebe keine Frist, weil solche Fristen meist ohnehin nicht eingehalten würden, sagte Pedersen. "Ich bin optimistisch, dass es in nicht allzu ferner Zukunft handfeste Ergebnisse geben wird." Die Verfassung müsse vom syrischen Volk in einer Abstimmung angenommen werden.
"Die Tür ist nun auf für einen friedlichen Weg aus diesem Konflikt", sagte der Syrien-Beauftragte der USA, Joel Rayburn, am Dienstagabend in Genf. Die USA seien vor Ort, um die Syrer bei ihren Bemühungen um eine neue Verfassung zu unterstützen. Auf die Regierung von Präsident Baschar al-Assad setzen die USA nicht. Diese müsse isoliert werden, bis sie ihr "destabilisierendes Verhalten ändert". "Die USA sind nicht dafür, die Beziehungen zum syrischen Regime zu normalisieren."
Die ausländischen Mächte werden offiziell nicht an dem Verfassungsprozess beteiligt sein. An der Eröffnungszeremonie nehmen nur die 150 Vertreter von Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft sowie Mitarbeiter der Vereinten Nationen teil.
Erwartungen an den UN-Ausschuss sind gering
Die Erfolgserwartungen an die Arbeit des Ausschusses sind jedoch gering. Zahlreiche frühere Genfer Syrien-Gespräche über ein Ende der Gewalt blieben in den vergangenen Jahren ohne Ergebnis. Die syrischen Regierungstruppen konnten zudem in den vergangenen Monaten militärische Erfolge erzielen und die wichtigsten Teile des Landes wieder unter ihre Kontrolle bringen. Beobachter bezweifeln deshalb, dass die Regierung zu politischen Kompromissen bereit ist.
Aus der Gruppe der 150 Ausschussmitglieder werden 45 Vertreter die eigentliche Arbeit in Genf diese Woche aufnehmen. Entscheidungen sollen im Konsens oder mit 75 Prozent Mehrheit fallen.
Der Ausschuss war im Januar 2018 bei einem "Kongress der syrischen Völker" im russischen Badeort Sotschi vereinbart worden. Streit über die Vertreter der Zivilgesellschaft verhinderte über Monate, dass er seine Arbeit aufnehmen kann. Die Regierung sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, Kandidaten unter Druck gesetzt zu haben. Aus diplomatischen Kreisen hieß es zudem, die Türkei habe ihr Veto gegen Vertreter der kurdischen Partei PYD eingelegt. Dabei handelt es sich um den politischen Arm der Kurdenmiliz YPG. Die Türkei sieht in dieser eine Terrororganisation. Anfang des Monats hatten türkische Truppen im Norden Syriens eine Offensive gegen die YPG begonnen. (dpa)
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