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Analyse: Viele Wähler denken noch immer im Links-Rechts-Muster

Analyse

Viele Wähler denken noch immer im Links-Rechts-Muster

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    Schwarz oder rot – rechts oder links. Sind das längst überholte Kategorien oder denkt die Mehrheit der Bürger noch immer in diesen Mustern?
    Schwarz oder rot – rechts oder links. Sind das längst überholte Kategorien oder denkt die Mehrheit der Bürger noch immer in diesen Mustern? Foto: dpa

    Die Frau ist eine „Linke“, der Mann ein „Rechter“. Kategorisierungen wie diese, gerne auch versehen mit vorgestellten Adjektiven wie „extrem“, galten über viele Jahre als gängige Verortung für die politische Einstellung einer Person. Zweifel an der Aussagekraft solcher Standardisierungen gibt es schon lange, heute nennt ein Großteil der Politikwissenschaftler solche Begriffe „überholt“ oder gar „verbrannt“.

    Der Soziologe Armin Nassehi fasst es nüchtern zusammen: „Die Unterscheidung von rechts und links funktioniert nicht mehr, sie stammt aus dem 19. Jahrhundert.“ Doch das Gros der Bevölkerung scheint diese Erkenntnis schlicht zu ignorieren. Die politischen Haltungen – zumal die eigenen – wird noch immer mit „links“, „rechts“ oder „Mitte“ definiert. Auch die Parteien werden nach wie vor in dieses Schema eingefügt. Mit erheblichen Folgen für die Parteien selber – glaubt man einer groß angelegten Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Natürlich haben Wissenschaftler wie Nassehi damit recht, dass es immer schwieriger wird, politische Bewegungen, Parteien oder Politiker in die linke oder rechte Schublade zu pressen. Und zwar weltweit. Ist der russische Präsident Wladimir Putin ein Rechter oder ist sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping tatsächlich ein Linker? Schwierig.

    Eine absolute Mehrheit der Befragten verortet sich in der "Mitte"

    Doch auch der Forsa-Chef Manfred Güllner liegt nicht falsch, wenn er darauf hinweist, dass die meisten Bürger in Deutschland an den alten Parametern zur Bestimmung der politischen Ausrichtungen festhalten. Das mag aus der Zeit gefallen und holzschnittartig sein – aufschlussreich ist es allemal. Forsa hat gut 50000 Bundesbürger gebeten, ihre eigene politische Ausrichtung auf einer Skala von 1 (sehr links) bis 10 (sehr rechts) abzubilden. Das Ergebnis: Während sich 37 Prozent der Wahlberechtigten dem linken Spektrum zuordnen und nur elf Prozent sich für „rechts“ halten, bekennen sich 52 Prozent der Befragten zur politischen „Mitte“.

    Wie sagte einst der Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in Richtung seiner eigenen Partei: „Wahlen werden in der Mitte gewonnen.“ Es spricht einiges dafür, dass dieser Satz bis heute seine Berechtigung hat. Noch mehr spricht dafür, dass die SPD – sie liegt je nach Institut bei Umfragen um die 14 Prozent – auch deswegen ein Problem hat, weil sie sich wieder stärker als linke Partei profilieren will. Insbesondere die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zur SPD-Doppelsitze im Dezember 2019 hat diesen Eindruck noch verstärkt.

    Die Grünen haben weit mehr Erfolg in der bürgerlichen Mitte als die SPD

    Güllner mag über das Ziel hinausschießen, wenn er sagt, dass „die in der SPD verbliebenen Mitglieder“ weitgehend als „linke Randgruppe“ wahrgenommen werden würden. Aber, dass aus dem Block derjenigen, der sich als „Mitte“ bezeichnen, immer weniger SPD wählen, ist unstrittig. Viel besser gelingt es den Grünen in der bürgerlichen Mitte zu punkten – obwohl sich eine Mehrheit ihrer Anhänger (65 Prozent) selber als „links“ einordnet.

    Richtig ist, dass sich die Bereitschaft, von Wahl zu Wahl die Stimme einer anderen Partei zu geben, dramatisch verstärkt hat. Das bilden die Bundes- und Landtagswahlen der vergangenen Jahre eindrucksvoll ab. Keine Partei, noch nicht einmal die derzeit so starke Union, kann sich sicher sein, dass sich ein guter Teil ihrer Anhänger nicht mittelfristig wieder von ihr abwendet.

    Eine Mehrheit der Bevölkerung unterstützt den von Kritikern wiederum verächtlich als „Mainstream“ bezeichneten Grundkonsens der staatstragenden Parteien, der auf sozialdemokratischen, liberalen und auch zunehmend ökologischen Werten basiert. Doch meist ist es eben nicht die SPD, die davon profitiert und wechselwillige Wähler anzieht.

    Den Sozialdemokraten wird wenig wirtschaftspolitische Kompetenz zugebilligt

    Zumal ihr immer weniger wirtschaftspolitische Kompetenz zugebilligt wird. Es ist bezeichnend, dass mit Olaf Scholz derjenige, dem am ehesten ökonomische Expertise attestiert wird, bei der Wahl des SPD-Spitzenduos scheiterte. Doch nun wird der derartig demontierte Hamburger Politiker in der SPD wieder als Kanzlerkandidat gehandelt. Ist das Ausdruck von Konzeptlosigkeit oder schon Panik?

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