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US-Wahl 2020: Während Trump und Biden um den Sieg ringen, bleibt Merkel zunächst sprachlos

US-Wahl 2020

Während Trump und Biden um den Sieg ringen, bleibt Merkel zunächst sprachlos

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    Der Beweis für Trumps Charme-Offensive bei Merkel? Die Kanzlerin Angela Merkel zeigt diplomatische Zurückhaltung gegenüber den USA.
    Der Beweis für Trumps Charme-Offensive bei Merkel? Die Kanzlerin Angela Merkel zeigt diplomatische Zurückhaltung gegenüber den USA. Foto: Guido Bergmann, dpa

    Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die US-Präsidentschaftswahl fiel kurz und knapp aus. Da noch kein Ergebnis feststehe, gebe es auch keinen Kommentar, erklärte ihr Sprecher Steffen Seibert am Mittwochmittag in Berlin. Die Auszählung der Stimmen zu den Wahlen in den Vereinigten Staaten lief da noch auf Hochtouren, ein Sieger war nicht absehbar.

    Doch genau das dürfte im Kanzleramt für gehörige Unruhe gesorgt haben. Selbst wenn es die diplomatische Zurückhaltung auferlegte, sich nicht zum Wahlausgang zu äußern, so war doch immer offensichtlich, dass die Bundesregierung auf einen Durchmarsch Joe Bidens setzte – und ihre Hoffnung dabei in die Umfrageinstitute setzte. Unglücklich, so viel ist wohl klar, wäre Merkel über eine Niederlage des Amtsinhabers nicht.

    So waren Merkels Beziehungen zu Obama und Trump

    Sympathien und Abneigungen spielen auch im Leben von Politikerinnen und Politikern eine Rolle. Wer sich in Erinnerung rufen will, wie die transatlantischen Beziehungen in der Regierungszeit von Trumps Vorgänger Barack Obama waren, sollte sich Fotos aus dem Mai 2015 anschauen. Die Kanzlerin bekam damals im Rosengarten des Weißen Hauses die "Medal of Freedom" überreicht. Nicht nur die Verleihung dieser höchsten zivilen Auszeichnung der USA ließ Merkel strahlen. Der US-Präsident lud sie überraschend zum Abendessen ein und verbrachte so viel Zeit mir ihr wie mit kaum einem anderen internationalen Staatsgast. Noch heute stehen die beiden in Kontakt.

    Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama treten nach ihrem Gespräch vor die Presse.
    Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama treten nach ihrem Gespräch vor die Presse. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Der Kontrast zu Merkels Treffen mit Trump fällt umso krasser aus. Bei den wenigen direkten Aufeinandertreffen verzog die Kanzlerin kaum Miene, lauschte äußerlich unbewegt den Worten des Amerikaners. Selbst als der sie mal in blumigen Worten als fantastische Frau bezeichnete, blieb Merkel zurückhaltend. Nachdem Trump öffentlich vier amerikanische Politikerinnen rassistisch attackiert hatte, verließ Merkel sogar die üblichen diplomatischen Pfade. Sie distanzierte sich entschieden von Trumps Äußerungen und erklärte sich mit den dunkelhäutigen Frauen solidarisch.

    Merkel: "Wir dürfen Lügen nicht Wahrheiten nennen"

    Wohl noch nie zuvor hatte es aus der deutschen Regierung heraus einen so heftigen verbalen Angriff auf einen US-Präsidenten gegeben. Dem nahe kam nur noch Merkels umjubelte Rede vor Studenten der Harvard Universität in Cambridge, bei der sie den Präsidenten kritisierte, ohne ihn beim Namen zu nennen. Den meisten Applaus erhielt sie für den Satz: "Wir dürfen Lügen nicht Wahrheiten nennen und Wahrheiten nicht Lügen."

    Studierende verfolgen die Rede von Bundeskanzlerin Merkel 2019 an der Harvard Universität. Die Elite-Universität hatte gegen die Maßnahme der US-Regierung geklagt.
    Studierende verfolgen die Rede von Bundeskanzlerin Merkel 2019 an der Harvard Universität. Die Elite-Universität hatte gegen die Maßnahme der US-Regierung geklagt. Foto: Omar Rawlings, dpa

    Merkel dürfte sich in ihrer Haltung bestätigt gefühlt haben, als sie am Mittwochmorgen verfolgen musste, wie Trump sich selbst zum Sieger erklärte – noch ehe ein Ergebnis feststand. Und sie war nicht die Einzige. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprach von einer "sehr explosiven Situation" in den Staaten; damit brachte sie die deutsche Sorge um die Lage im Land des wichtigsten Verbündeten präzise auf den Punkt.

    Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, befürchtete sogar, dass es bei einer längeren Hängepartie zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte. "Wenn es dauert, bis es eine rechtskräftige Entscheidung über den Wahlsieger gibt, ist zu befürchten, dass es auch auf den Straßen zu Konfrontationen zwischen beiden Lagern kommt", sagte der CDU-Politiker. Beyer betonte aber, dass sich Deutschland auch bei einem Wahlsieg Trumps um eine konstruktive Zusammenarbeit mit den USA bemühen müsse. "Es wäre geradezu unverantwortlich, wenn wir uns trotzig in die Schmollecke zurückziehen würden, wenn Trump gewinnt", sagte er.

    Gibt es einen Neustart der transatlantischen Beziehungen?

    Außenminister Heiko Maas hatte vor der Wahl angekündigt, unabhängig vom Ausgang mit Vorschlägen für einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen auf die USA zugehen zu wollen. Er sprach dabei von einem "New Deal".

    Die Störungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis haben allerdings nicht nur mit Trump zu tun. Der Streit über das Zwei-Prozent-Ziel der Nato etwa begann schon unter Obama, er war der erste Präsident, der die Europäer als "Trittbrettfahrer" bezeichnete. Die NSA-Abhörattacke auf Merkels Handy fiel in Obamas Amtszeit. Und bereits in der Obama-Administration wurde mit Blick auf die engen deutsch-russischen Beziehungen die Frage ventiliert, auf welcher Seite Deutschland eigentlich stehe. Ob sich daran unter einem US-Präsidenten Joe Biden etwas ändern würde, ist fraglich.

    Nach Einschätzung von Lisandra Flach, der Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, würden sich die Handelsbeziehungen zumindest leicht verbessern. "Biden bietet die Chance, die weltweiten Spannungen und Unsicherheiten beim Handel abzubauen und die Zukunft der Welthandelsorganisation zu sichern", sagte sie unserer Redaktion.

    Biden sei zwar kein Freihändler, wolle aber eine tiefere Integration mit Europa vorantreiben und über gemeinsame Standards bei Handel, Technik und Investitionen verhandeln. "Ganz im Gegensatz hierzu steht Trump, der die Gespräche zu unterschiedlichen Handelsabkommen eher beenden will", erklärte Flach. Eine Bestätigung Trumps hingegen würde "die internationalen Handelsspannungen weiter verschärfen".

    Die USA ist das wichtigste Abnehmerland für deutsche Waren

    Das wirtschaftliche Verhältnis zwischen den USA und Deutschland ist nach Flachs Analyse ohnehin beschädigt. „Trump hat einen sehr aggressiven Ton insbesondere gegenüber der deutschen Automobilindustrie angeschlagen, die eine Schlüsselbranche für die deutsche Wirtschaft ist, und immer wieder mit Zöllen gedroht“, sagte sie. Gleichzeitig gelte aber auch, dass trotz der aggressiveren Stimmung die USA immer noch das wichtigste Abnehmerland für deutsche Waren seien. Seit 2017 nahmen die deutschen Exporte in die USA sogar um sechs Prozent zu, wie Flach erklärte.

    Der auch in Deutschland vielerorts vertretenen These, Trump habe weniger Schaden verursacht als zunächst befürchtet und seine Wirtschaftspolitik sei nicht nur schlecht, kann Flach kaum bestätigen. "In seinem Handelskrieg mit China kann er aktuell wenig Erfolg vorweisen: Alles deutet darauf hin, dass sein selbst proklamierter ,historischer Deal‘ mit China die Versprechen Trumps nicht einhält", sagte sie. So seien beispielsweise die chinesischen Importe von US-Waren heute niedriger als zu dem Zeitpunkt, als Trump 2018 den Handelskrieg begonnen habe.

    Unterm Strich dürfte es Angela Merkel und der Bundesregierung ähnlich gehen, wie dem ehemaligen SPD-Chef und Außenminister Sigmar Gabriel, der dringend auf eine baldige Wahlentscheidung hoffte. Sollten die USA auf Monate mit sich selbst beschäftigt und ohne klare Führung sein, wäre das ein "Riesenproblem", sagte der Vorsitzende der Atlantikbrücke imZDF und mahnte, das werde "die freuen, die das Vakuum füllen wollen. Das sind China, Russland, die Türkei."

    Alle Entwicklungen bei der US-Wahl lesen Sie in unserem Live-Blog.

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