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Kommentar: Warum die Tragödie des Jemen im Westen auf Desinteresse stößt

Kommentar

Warum die Tragödie des Jemen im Westen auf Desinteresse stößt

Simon Kaminski
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    Menschen versammeln sich an der Stelle des Luftangriffs der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition. Die Tragödie im Jemen bekommt im Westen nur wenig Aufmerksamkeit.
    Menschen versammeln sich an der Stelle des Luftangriffs der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition. Die Tragödie im Jemen bekommt im Westen nur wenig Aufmerksamkeit. Foto: Abdulkareem Al-Zarai (dpa)

    Das Zusammentreffen der Stichworte „Kinder“, „Schulbus“ und „Luftangriff“ war der Auslöser dafür, dass ein Krieg wieder in die Schlagzeilen geriet, von dem man sonst nicht allzu viel hört. 51 Tote, darunter 40 Schüler – das ist die Bilanz der Attacke im Süden der Arabischen Halbinsel. Kampfjets der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition hatten die tödlichen Raketen abgefeuert.

    Jetzt wird – mal wieder – die Frage laut, warum die Welt so wenig Notiz nimmt vom Schicksal des Jemen. Das Land gilt im Westen seit vielen Jahren als „failed state“, als „gescheiterter Staat“. Ein Staat jedoch, dem dieser Status anhängt, hat ein doppeltes Problem. Zunächst bildet dieses Etikett ja zumindest ein Teil der Realität ab. Auf der anderen Seite lähmt es die Hilfsbereitschaft und entzieht Aufmerksamkeit. „Gescheiterter Staat“, das klingt endgültig, für eine Wende zum Besseren verloren. Ein hoffnungsloser Fall. Doch es gibt einen weiteren Grund für das Desinteresse des Westens: Die zumeist bettelarmen Jemeniten tauchen weder in den USA noch in Europa in nennenswerter Zahl als Flüchtlinge auf. Sie sind zu Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht.

    Der Bürgerkrieg im Jemen steht im Schatten anderer Krisen

    So stand der Konflikt, bis auf wenige kurze Phasen, im Schatten anderer Krisen. Dabei sind die Fakten niederschmetternd: Der Bürgerkrieg im Jemen gilt längst als weltweit größte humanitäre Krise. Über 10000 Zivilisten sollen gestorben sein, über 70 Prozent der rund 30 Millionen Jemeniten sind auf Hilfe angewiesen. Wie viele davon vom Hungertod bedroht sind, lässt sich nur schätzen. Sicher ist: Es sind Hunderttausende – unter ihnen viele Kinder. Hinzu kommt die Cholera, an der nach Zahlen der UN bereits vier Prozent der Bevölkerung erkrankt sind.

    Der Spielraum für die Hilfsorganisationen, die trotz der Gefahren noch im Lande sind, ist begrenzt. Schließlich tobt in dem Land, dessen neuere Geschichte reich ist an militärischen Konflikten, ein Bürgerkrieg, der zu einem klassischen Stellvertreterkrieg eskaliert ist. In den umkämpften Regionen ist die Zivilbevölkerung ohne Schutz: Bomben treffen Märkte, Moscheen, Kliniken oder eben Schulbusse.

    Im Jemen bekriegen sich Saudi-Arabien und der Iran

    Die Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran bekriegen sich dort indirekt, aber mit großer Härte. Die Saudis griffen 2015 in den Bürgerkrieg ein. Seitdem wurden die Kämpfe noch erbarmungsloser. Riad steht an der Spitze eines sunnitischen, multinationalen Bündnisses gegen die schiitischen Huthi-Rebellen. Milizen dieser Volksgruppe hatten 2014 die Hauptstadt Sanaa besetzt und den sunnitischen Präsidenten Mansur Hadi vertrieben. Hinter den Huthi-Rebellen steht der Iran. Komplettiert wird das Chaos durch einen Ableger der islamistischen Terrororganisation Al-Kaida, die einige Landstriche kontrolliert.

    Was kann der Westen, was kann Europa tun, um diesen Irrsinn zu stoppen? Es gibt keine einfache Formel, dafür ist der Konflikt zu kompliziert. Der Iran muss wissen, dass seine destruktive Rolle in Syrien und im Jemen die eigene prekäre Lage noch verschlimmern wird. Gegenüber den Saudis, traditionell mit dem Westen verbündet, muss ein Politikwechsel beginnen. Waffenlieferungen an diesen unberechenbaren Partner sind tabu. Kriegsverbrechen müssen als Kriegsverbrechen benannt werden, auch wenn der Ölstaat mit seiner wirtschaftlichen Macht droht.

    Doch wer mag an eine solche Wende glauben, wenn Deutschland und die EU nicht einmal willens sind, Kanada in dem diplomatischen Konflikt mit Riad um Menschenrechte zu unterstützen.

    So droht sich das Schweigen der Welt nach der Empörung über die toten Kinder wieder wie ein Leichentuch über den Jemen zu legen.

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