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Klimaschutz: Wie Schweden einst die CO2-Steuer einführte - und damit Erfolg hat

Klimaschutz

Wie Schweden einst die CO2-Steuer einführte - und damit Erfolg hat

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    Stockholmer Stadtkulisse: Umgerechnet 26 Euro Steuern musste ein schwedischer Bürger auf eine Tonne fossiler Brennstoffe bezahlen.
    Stockholmer Stadtkulisse: Umgerechnet 26 Euro Steuern musste ein schwedischer Bürger auf eine Tonne fossiler Brennstoffe bezahlen. Foto: Christoph Driessen, dpa

    Als die CO2-Steuer in Schweden eingeführt wurde, kostete eine Tonne Kohlendioxid etwas mehr als eine Portion Köttbullar mit Kartoffelpüree und Bier in einem durchschnittlichen Stockholmer Restaurant: Umgerechnet 26 Euro Steuern musste ein schwedischer Bürger auf eine Tonne fossiler Brennstoffe bezahlen. Das war 1991. Seitdem wurde die Steuer mehrfach angehoben. Heute hat Schweden den mit Abstand höchsten Abgabensatz der Welt. Eine Tonne fossilen Kohlenstoffs wird mit 120 Euro besteuert. Privatleute werden genauso zur Kasse gebeten wie Wirtschaftsunternehmen – und die Akzeptanz in der Bevölkerung ist riesig.

    So organisiert Schweden seine CO2-Steuer zugunsten von Sozialschwachen

    Die Abgabe in Schweden berechnet sich relativ unkompliziert. Es gibt feste Steuersätze für jeden Brennstoff, die sich aus seinem durchschnittlichen CO2-Gehalt ergeben. Je schmutziger, desto höher die Steuer. Dabei ist es egal, ob zum Beispiel Kohle die Produktion eines Industrieunternehmens anheizt oder in den Kachelofen eines Privatbürgers wandert. Genau das ist es, wovor in Deutschland insbesondere die Union in den Verhandlungen über ihr Klimapakt am meisten Angst hat: die Bürger gegen sich aufzuwiegeln und ihnen das Gefühl zu geben, dass ihre Freiheiten eingeschränkt sind.

    Kaisa Amaral hat untersucht, wie eine für jeden Bürger akzeptable CO2-Steuer aufgebaut sein müsste. Ihre unabhängige Organisation Carbon Market Watch mit Sitz in Brüssel vergleicht, wie europäische Länder ihre CO2-Bepreisung gestalten. Sie nennt zwei Kriterien dafür, dass die Klimasteuer funktionieren kann: Transparenz und öffentliche Teilhabe. Die Steuer darf ihr zufolge nicht hinter verschlossenen Bürotüren konzipiert werden. „Man muss die Bürger mitnehmen, sie teilhaben lassen“, sagt Amaral. Außerdem sollten Steuerzahler genau wissen, wie der Staat die Einnahmen reinvestiere – und das Gefühl haben, dass die Steuer gerecht verteilt ist. „Es hilft, wenn die Erträge für Projekte genutzt werden, die das Leben der Leute erleichtern.“

    Schweden etwa senkte, analog zum steigenden CO2-Preis, die Gewerbesteuer für Unternehmen und die Einkommensteuer, vor allem für Angestellte mit mittleren und niedrigen Löhnen. 2018 spülte die CO2-Abgabe rund 2,2 Milliarden Euro in die schwedische Staatskasse. Ein Großteil davon wird wieder klimafreundlich investiert, vor allem in den öffentlichen Nahverkehr und in Förderprogramme, die energetische Sanierungen unterstützen. Wenn die Politik verdeutlichen könne, wie mit den Steuergeldern der landesweite Klimaschutz refinanziert werde, bringe das eine noch größere Akzeptanz, sagt Steuerexpertin Amaral.

    Eins zu eins vergleichen kann man Schweden und Deutschland nicht. Eine Klimasteuer stößt in dem skandinavischen Land auf weit geringere Widerstände der Wirtschaft. Schweden hat keine eigenen Kohle- und Gasvorkommen, die Heizstoffe sind Importgüter. Eine Kohle-Lobby, die öffentlichkeitswirksam aufbegehrt, gibt es kaum. Und die zehn Millionen Bürger im spärlich besiedelten Schweden gelten traditionell als besonders umweltbewusst.

    Das schwedische Brutto-Inlandsprodukt steigt - auch mit Klimasteuern

    Svante Mandell, Leiter der Abteilung Umwelt an Schwedens Nationalem Institut für Wirtschaftsforschung, nennt noch einen entscheidenden Unterschied zu Deutschland: „Schweden hatte schon 1991 einen Energie-Mix, der zum großen Teil nicht auf fossilen Kraftstoffen basierte.“ Das habe die Einführung der CO2-Steuer erleichtert. In Deutschland speiste sich der Mix 2018 noch zu 60 Prozent aus konventionellen Trägern wie Kohle, Öl, Gas und Kernkraft – wobei sich auch hierzulande die Anteile zuletzt in Richtung erneuerbarer Energien verschoben haben.

    Das schwedische Brutto-Inlandsprodukt hat sich Anfang der neunziger Jahre um 75 Prozent erhöht – trotz Klimasteuer. Wirtschaftsforscher Mandell legt aber Wert darauf, eins nicht zu verschweigen: „Firmen, die auf dem internationalen Markt aktiv sind, bekommen teils erhebliche Steuererleichterungen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht zu verletzen.“

    Einer der entscheidenden Faktoren, um die EU-Klimaziele zu erreichen, ist der Straßenverkehr. In Deutschland nahmen die Emissionen laut Umweltbundesamt seit Mitte der 90er Jahre um 20 Prozent zu, in Schweden liegen sie um die zehn Prozent niedriger als damals. Ökonomen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft machen dafür in einer neuen Studie aber „nicht per se“ die Klimasteuer verantwortlich. Mitentscheidend ist ihrer Meinung nach, dass den Schweden seit vielen Jahren CO2-freier Biosprit zur Verfügung gestellt wird, im Lauf der Jahrzehnte auch zunehmend steuerlich gefördert.

    Der schwedische Wirtschaftsforscher Svante Mandell hingegen nennt als Ursache für sinkende Emissionen auf den Straßen, dass ein Großteil seiner Landsleute heute energieeffiziente Autos fahre. Er ist sich sicher, dass unter anderem die CO2-Steuer das Klimabewusstsein der Schweden erhöht hat. Heute heize etwa nahezu kein Schwede mehr mit Öl. Mehr als 90 Prozent der Haushalte nutzen Fernwärme. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in Deutschland ähnliche Effekte auftreten würden.“

    Lesen Sie dazu auch: Linke und Grüne kritisieren Entwurf für Klimaschutz-Paket der Koalition

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