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Wahlkampf: Wie die Flüchtlings-Kanzlerin im Wahlkampf ankommt

Wahlkampf

Wie die Flüchtlings-Kanzlerin im Wahlkampf ankommt

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    Merkel war in Aalen auf Wahlkampf. Nicht alle Bürger stehen zu ihrer Flüchtlingspolitik. Das äußerten sie auch.
    Merkel war in Aalen auf Wahlkampf. Nicht alle Bürger stehen zu ihrer Flüchtlingspolitik. Das äußerten sie auch. Foto: Harald Tittel, dpa

    Die Erwartungen der rund tausend Menschen sind groß in der Stadthalle Aalen. Die Kanzlerin kommt. „Ich bin gespannt, wie sie live auf einen wirkt und ob sie zur Flüchtlingskrise etwas sagen wird“, sagt Erika Palme, pensionierte Ärztin aus Aalen. Volker Schumacher ist über zwanzig Kilometer hergefahren. Der 59-Jährige ist eigentlich seit vielen Jahren CDU-Wähler, zweifelt aber stark an Angela Merkels Flüchtlingspolitik: „Sie soll heute zu ihren Fehlern stehen und zugeben, dass der Weg, den sie eingeschlagen hat, falsch war“, fordert der Heidenheimer.

    Sowohl die pensionierte Ärztin Palme, seit vielen Jahren CDU-Mitglied, als auch der langjährige Unions-Stammwähler Schumacher sagen, dass Winfried Kretschmann der richtige Mann in der falschen Partei sei. „Eigentlich sollte der heute da oben stehen“, erklärt Schumacher mit Blick auf die noch leere Bühne. Wenig später steigt Merkel aus ihrer Limousine aus.

    Selfies mit der mächtigsten Frau der Welt

    Die Kanzlerin trägt einen grauen Hosenanzug, wirkt trotz ihres straffen Terminplans entspannt. Ein kleiner Bub fasst sich ein Herz und bittet die mächtigste Frau der Welt um ein „Selfie“. Merkel nimmt sich die Zeit für das Foto und gibt dem Kleinen einen Klaps auf die Schulter. Die Kanzlerin mischt sich im Wahlkampfendspurt der CDU oft unter das baden-württembergische Volk. Auch am vergangenen Donnerstag in Aalen gilt es, für den CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf Stimmen zu sammeln.

    In einem Vorzimmer der schlichten Stadthalle wird Merkel noch vom regionalen CDU-Landtagsabgeordneten Winfried Mack mit einer schwäbischen Maultaschensuppe empfangen. „Es war, als ob man mit der Mama zu Hause am Tisch sitzt und Suppe isst“, beschreibt Mack die Vertrautheit, die Merkel ausstrahle. Von dieser Ausstrahlung erhoffen sich viele in der CDU im Schatten des beliebten Grünen-Ministerpräsidenten Kretschmann noch mal einen Popularitäts-Schub vor der Wahl. Andere sind skeptisch, ob die umstrittene Flüchtlings-Kanzlerin wirklich eine Wahlhelferin für die im Umfragen-Sinkflug befindliche Südwest-CDU ist.

    Die Zuhörer warten auf das Thema Flüchtlingspolitik

    Als Merkel den Saal betritt, stimmt eine lokale Schüler-Bigband die kämpferische Hymne aus dem Boxerfilm Rocky an und es brandet Applaus für die Kanzlerin auf. In ihrer halbstündigen Wahlkampfrede spannt Merkel ihre Kritiker zunächst auf die Folter. Fünfzehn Minuten redet sie erst über eine mangelhafte Verkehrspolitik der Grünen, von digitaler Entwicklung oder einer verbesserungswürdigen Bildungspolitik. Merkel gestikuliert viel, ballt immer wieder die Fäuste. „Ich sage mit voller Überzeugung: Mit Guido Wolf werden die Weichen für die Zukunft dieses Landes besser gestellt.“ Doch die Anwesenden warten auf ein anderes Thema: die Flüchtlingspolitik.

    „Viele Menschen machen sich Sorgen“, sagt Merkel schließlich. „Aber wir werden das schaffen“, fügt sie hinzu. Doch statt Applaus gibt es einen wütenden Zwischenruf: „Auf Koschden von di Bürger“, ruft ein Schwabe aus dem Publikum. Peinliche Stille im Saal.

    Merkel: Es gehe um Werte wie friedliches Zusammenleben

    Merkel kommt kurz aus dem Konzept, stößt ein nachdenkliches „Ähm“ aus und spricht den Mann direkt an: „Wissen Sie, was auf Kosten der Bürger ist, genau darüber geht die Diskussion.“ Man müsse zu den eigenen Werten und Zielen wie dem friedlichen Zusammenleben, den Menschenrechten oder der Meinungsfreiheit stehen und auch danach handeln. „Deshalb sind wir angesehen in der Welt.“ Jetzt applaudiert das Publikum.

    Die Kanzlerin räumt ein, man habe leider viel zu lange gebraucht, um den Unterschied herauszustellen zwischen denjenigen, die in Deutschland ein Schutzrecht haben, und denen, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen. „Aber es werden weniger und wir wollen die Zahl der ankommenden Flüchtlinge weiter reduzieren.“ Deshalb wolle sie mit der Türkei die Fluchtursachen bekämpfen. Die Flüchtlinge fordert Merkel auf, Integrationsangebote auch anzunehmen. „Und jeder, der die Gesetze hier nicht achtet und einhält, hat keinen Anspruch auf Schutz in Deutschland.“ Erneut erntet sie Applaus.

    Zumindest Erika Palme ist beeindruckt vom Auftritt der Kanzlerin: „Ich fand gut, dass sie ihre Flüchtlingspolitik erklärt hat.“ Sie gehe am Sonntag mit einem besseren Gefühl in die Wahlkabine. Volker Schumacher sieht das anders: „Merkel ist zwar wahnsinnig charismatisch. Ich verstehe ihre Flüchtlingspolitik aber trotzdem nicht.“ Die CDU will er am Sonntag dennoch wieder wählen. „Sie ist das kleinere Übel“, sagt er.

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