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Österreich: Wie die Identitären die Koalition in Wien spalten

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Wie die Identitären die Koalition in Wien spalten

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    Die streitenden Koalitionspartner in Wien: Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ, links) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
    Die streitenden Koalitionspartner in Wien: Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ, links) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Foto: Roland Schlager/APA, dpa (Archiv)

    Nach mehr als einem Jahr Honeymoon brechen die unvermeidlichen Konflikte in Österreichs rechtskonservativer Regierung auf. Anlass sind vielfältige Kontakte von FPÖ-Funktionären zur rechtsextremen Identitären Bewegung. Gegen deren Chef Martin Sellner ermitteln die österreichischen Behörden, weil ihm der Attentäter von Christchurch eine Spende von 1500 Euro überwiesen hat.

    Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will nicht dulden, dass sich FPÖ-Vertreter und ihre Mitarbeiter in Ministerien für Rechtsextreme engagieren. Er verurteilte den „schwammigen Umgang mit den Identitären“.

    Sie seien in der Vergangenheit durch Gewaltbereitschaft aufgefallen. „Insofern erwarte ich mir, dass es keine Verflechtungen mit politischen Parteien, auch nicht dem Koalitionspartner gibt“, sagte Kurz. Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) habe ihm zugesichert, dass es in der FPÖ eine „klare Entscheidung gebe, bei welcher Institution man tätig ist“.

    Martin Sellner, Sprecher der österreichischen «Identitären», bei einer Kundgebung in Wien. Im Zusammenhang mit dem Attentat von Christchurch ist seine Wohnung durchsucht worden.
    Martin Sellner, Sprecher der österreichischen «Identitären», bei einer Kundgebung in Wien. Im Zusammenhang mit dem Attentat von Christchurch ist seine Wohnung durchsucht worden. Foto: Roland Schlager/APA, dpa (Archiv)

    FPÖ-Mitglieder dürfen bei den Identitären auftreten

    Strache selbst äußerte sich allerdings bei einem gemeinsamen Auftritt weniger entschieden. Die Identitären seien ein Verein, der organisatorisch und finanziell nichts mit der FPÖ zu tun habe. Der Vorstand habe 2018 beschlossen, dass ein aktives Mitglied der Identitären kein Mandat und keine Funktion in der FPÖ übernehmen könne.

    Aber es stehe FPÖ-Mitgliedern frei, an Veranstaltungen und Demonstrationen der Identitären teilzunehmen und dort Reden zu halten. Strache, 49, forderte Sachlichkeit, die er selbst auch erst „in einem gewissen Alter“ aufgebracht habe. Der 32-jährige Kurz konterte: „Ich glaube, wie man die Identitären findet, ist keine Altersfrage. Die kann man widerlich finden, egal wie alt man ist.“

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Bemühungen der Staatsanwaltschaft, ein Verbot der Identitären Bewegung durchzusetzen, sind bisher mangels Beweisen stets vor Gericht gescheitert.

    Die FPÖ und die Identitären sind eng vernetzt

    Die engen Verbindungen zwischen FPÖ und Identitären haben auch außenpolitisch Konsequenzen. Da die Freiheitlichen mit Herbert Kickl den Innenminister stellen, der für die Geheimdienste und den Verfassungsschutz zuständig ist, sind die Dienste kaum in den internationalen Austausch eingebunden, so der Chef des Verfassungsschutzes, Peter Gridling, in einem Gerichtsverfahren des Innenministers gegen den Abgeordneten Peter Pilz.

    Tatsächlich sind FPÖ und Identitäre eng vernetzt. Die oft relativ jungen Rechtsextremisten mit bürgerlichem Hintergrund sind sowohl in der Parlamentsfraktion und den Ministerien als auch in den Bundesländern in der FPÖ aktiv.

    In Linz und Graz sind Identitäre Mieter in Häusern, die der FPÖ oder ihren Mitgliedern gehören. Die FPÖ kofinanziert Publikationen der Identitären durch Inserate. Strache selbst stellte wiederholt Videos der Identitären auf seine Facebook-Seite.

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