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Kommentar: Wie soll diese Koalition bis 2021 halten?

Kommentar

Wie soll diese Koalition bis 2021 halten?

Rudi Wais
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    Am Montag wurde die neue Große Koalition besiegelt. Seitdem fällt die neue Regierung mit allerlei Konflikten auf. Hält die Allianz bis 2021?
    Am Montag wurde die neue Große Koalition besiegelt. Seitdem fällt die neue Regierung mit allerlei Konflikten auf. Hält die Allianz bis 2021? Foto: Gregor Fischer, dpa

    Wenn der Ball nicht läuft, wenn ein Tor nur das Ergebnis glücklicher Zufälle ist und die Spieler sich festdribbeln oder den Nebenmann ständig übersehen, ist der Fußballfreund gerne mit einem Begriff zur Stelle, den Franz Beckenbauer nach einer blamablen Europameisterschaft geprägt hat: dem Rumpelfußball.

    Die neu zusammengewürfelte Mannschaft von Union und SPD in Berlin zieht gerade ein ähnlich holpriges Spiel auf. Anstatt die unverhoffte Chance, die das Scheitern der Jamaika-Gespräche ihr gegeben hat, nun zu nutzen und sich mit Elan an die Arbeit zu machen, rumpelt es von der ersten Minute an.

    Eine SPD-Frau beleidigt die Kollegen der Union als "widerliche Lebensschützer", weil die partout keine Werbung für Abtreibungen erlauben wollen. Die Debatte um Horst Seehofers Bemerkung, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, nimmt immer erratischere Züge an – und der neue Gesundheitsminister Jens Spahn, so scheint es, beschäftigt alles andere mehr als die Gesundheitspolitik: Hartz IV, das Abtreibungsrecht, die Flüchtlingspolitik. Für ein Kabinett, das sich eigentlich noch finden muss, sind die Fliehkräfte jedenfalls schon gewaltig.

    Natürlich hat jeder, der jetzt mit eigenen Ideen und Initiativen vorprescht, gute Gründe. Als CSU-Chef muss Seehofer vor der Landtagswahl im Herbst zeigen, dass die neue Bundesregierung die Zuwanderung sehr wohl steuern und begrenzen kann. Spahn will nicht nur als fähiger Fachpolitiker wahrgenommen werden, sondern als jemand, dem man auch noch deutlich größere Aufgaben zutraut.

    Weitere Konflikte zwischen SPD und Union sind absehbar

    Und in der SPD funktionieren die alten Oppositionsreflexe umso besser, je länger die Partei regiert. Die Entgleisung der Abgeordneten Eva Högl im Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen ist dafür nur das bislang augenfälligste Beispiel. Weitere Konflikte sind bereits absehbar – vor allem in der Innenpolitik, wo der neue Minister Seehofer einen deutlich restriktiveren Kurs vertritt als die Sozialdemokraten.

    Angela Merkel ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, welche Eigendynamik solche Situationen gelegentlich entwickeln. In ihrer ersten Großen Koalition waren es die äußeren Umstände, die Lehman-Pleite und die Finanzkrise, die Union und SPD zu einem engen und einvernehmlichen Miteinander zwangen.

    Diesmal ist das Gegenteil der Fall: Die äußeren Umstände, die notorische Schwäche der SPD, die schwindende Autorität der Kanzlerin und die nahende Wahl in Bayern, forcieren einen Prozess der Entfremdung, wie ihn andere Koalitionen häufig am Ende einer Legislatur durchleben, aber nicht schon am Anfang.

    GroKo: Keine Spur von Eintracht

    Jeder arbeitet auf eigene Rechnung, der Teamgeist ist zerrüttet, das Misstrauen dafür umso größer. Union und SPD verbindet heute nicht viel mehr als die Notwendigkeit, eine Regierung stellen zu müssen. Dass diese Allianz tatsächlich bis zum nächsten regulären Wahltermin 2021 hält: darauf würde vermutlich nicht einmal Angela Merkel selbst wetten. Zu tönern sind die Füße, auf denen ihre vierte Koalition steht.

    Die Kanzlerin hat zwar ihr wichtigstes Ziel schon erreicht, nämlich Kanzlerin zu bleiben. Die Probleme aber beginnen damit erst: Wie loyal steht die SPD noch zur GroKo, wenn sie im Herbst auch in Bayern und Hessen krachend verliert? Wird Horst Seehofer ein noch unbequemerer Partner, wenn die CSU viel besser abschneidet, als es die Umfragen gerade erwarten lassen?

    Kaum vereidigt, denkt die neue Bundesregierung schon wieder an die nächsten Wahlen – als habe das Land keine anderen Sorgen. Auch deshalb knirscht und rumpelt es unüberhörbar im politischen Berlin.

    Franz Beckenbauer, der große Sportphilosoph, würde jetzt sagen: "Geht’s raus und regiert’s."

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