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Umwelt: Wissenschaftler halten nichts von Fahrverboten

Umwelt

Wissenschaftler halten nichts von Fahrverboten

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    Die Debatte um Diesel-Abgase und Feinstaub geht weiter.
    Die Debatte um Diesel-Abgase und Feinstaub geht weiter. Foto: dpa

    Der Streit um die Luft in Deutschlands Städten ist längst zur Glaubensfrage geworden. Quasi im Wochenrhythmus gibt es neue Vorschläge für den Kampf gegen gesundheitsschädliche Stoffe. Nur was bringen sie wirklich? Um diese Frage zu beantworten, hat die Bundesregierung sich Rat von höchster Stelle gesucht. Am Dienstag haben die Experten der nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina ihre Sicht der Dinge erklärt – und die dürfte die Diskussion wieder in Fahrt bringen. Denn die Fachleute warnen vor „kurzfristigem Aktionismus“ und meinen damit zum Beispiel die heftig umstrittenen Fahrverbote in einzelnen Städten. Außerdem kritisieren sie als „nicht zielführend“, dass die Debatte sich so sehr auf Stickstoffdioxid in Diesel-Abgasen verengt habe. Viel schädlicher für die Gesundheit sei schließlich der Feinstaub. Anstelle von lokalen Einzelmaßnahmen fordert die Akademie, was der Politik offenkundig nach wie vor fehlt: Eine ressortübergreifende Strategie für eine grundlegende Verkehrswende.

    Die 20 beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler plädieren dafür, die Anstrengungen zur Luftreinhaltung auf die Feinstaubreduktion zu konzentrieren – und der wird nicht nur durch Verbrennungsmotoren erzeugt, sondern beispielsweise auch durch den Abrieb von Reifen, Straßenbelag und Bremsbelägen. Allein durch die Partikel von Reifen entstehen im Jahr rund 150000 Tonnen Staub, rechnete der Toxikologe und Leopoldina-Vizepräsident Martin Lohse vor. Aber auch Feuerstätten und Holzöfen, die Landwirtschaft mit ihrem Ammoniak-Ausstoß und die Industrie tragen zur Verschmutzung der Luft bei. Einige dieser Bereiche seien bisher nicht gesetzlich geregelt, sagte der Experte.

    Auch zur besonders erbittert diskutierten Frage nach den Grenzwerten beziehen die Wissenschaftler eine Stellung: „Es gibt keine exakte Grenzziehung zwischen gefährlich und ungefährlich“, sagte der frühere Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Manfred Hennecke. In Deutschland komme es bei Stickstoffoxiden zu Überschreitungen des relativ strengen Grenzwerts, der weniger strenge Grenzwert für Feinstaub werde hingegen nahezu flächendeckend eingehalten, heißt es in der Stellungnahme. Das Problem daran ist laut Hennecke, dass es aus wissenschaftlicher Sicht für beide keine Unbedenklichkeitsschwelle gebe. Stickstoffoxide könnten die Symptome von Lungenerkrankungen wie Asthma verschlimmern. Feinstaub sei deutlich schädlicher und könnte unter anderem Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Lungenkrebs verursachen.

    Und wie geht die Bundesregierung nun mit den Erkenntnissen um? Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) nannte sie eine „wertvolle Grundlage für eine vernünftige Luftreinhaltepolitik der Zukunft“. Sie hofft, dass sich die Diskussion nun versachliche. Das dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Ihr Kollege im Verkehrsministerium Andreas Scheuer (CSU) bezeichnete das Gutachten als „Steilvorlage für eine erneute Diskussion“ und betonte: „Grenzwerte dürfen nicht politisch-ideologisch festgesetzt sein. Sie müssen erreichbar sein. Wir müssen Fahrverbote vermeiden.“ Greenpeace wiederum forderte, Verbrennungsmotoren aus den Innenstädten zu verbannen. Und im besonders belasteten Stuttgart hält der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann flächendeckende Fahrverbote für Euro-5-Diesel inzwischen nicht mehr für nötig. (msti, dpa, epd)

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