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Analyse: Wie Russland und China den Westen in der Ostsee herausfordern

Analyse

Wie Russland und China den Westen in der Ostsee herausfordern

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    Der manövrierunfähige Tanker „Eventin“ liegt zwischen Binz und Sassnitz auf der Reede Sassnitz.
    Der manövrierunfähige Tanker „Eventin“ liegt zwischen Binz und Sassnitz auf der Reede Sassnitz. Foto: Stefan Sauer, dpa

    Die Ostsee ist ein Winzling im Vergleich zu den Weltmeeren. Doch ihre wirtschaftliche Bedeutung als Handelsweg ist immens. Der ökonomische Faktor, gepaart mit wachsenden politischen Spannungen zwischen dem Westen und Russland, hat aus dem Binnenmeer einen Schauplatz für harte Konfrontationen gemacht – insbesondere nach dem Generalangriff Moskaus auf die Ukraine im Februar 2022. Da geht es um Einschüchterungsversuche im Luftraum über der Ostsee, Sabotageaktionen gegen Pipelines, Strom- oder Datenkabel auf dem Meeresgrund und die Angst vor Umweltkatastrophen durch Havarien von maroden Tankern der sogenannten russischen Schattenflotte, die unter Umgehung westlicher Sanktionen russisches Öl transportieren.

    Nicht nur Russland, auch China mischt mit in diesem hybriden Krieg gegen den Westen. „Peking und Moskau arbeiten in einer Weise zusammen, die für Europa und auch Deutschland sehr gefährlich ist“, sagte der Experte für maritime Sicherheit und Cyberangriffe, Moritz Brake, unserer Redaktion. Die Dimensionen dieser Allianz gegen den Westen, zu der auch der Iran sowie Nordkorea gehören, sind nach Brakes Einschätzung enorm.

    Finnland handelte schnell und konsequent

    Im Herbst 2023 beschädigte das chinesische Frachtschiff „New Polar Bear“ mit einem Anker eine Gasleitung sowie Datenkabel zwischen Finnland und Estland. Am ersten Weihnachtsfeiertag ließ der Tanker Eagle S seinen Anker über den Meeresboden schleifen und durchtrennte das Stromkabel Estlink 2 zwischen Finnland und Estland. Das Schiff, das unter der Flagge der Cookinseln fährt, wird der russischen Schattenflotte zugeordnet. Die finnische Polizei zur See brachte das Schiff unter ihre Kontrolle brachte, durchsuchte es und stellte Ausrüstung für Spionagetätigkeit sicher.

    Brake hegt keinen Zweifel daran, dass Russland hinter der Sabotageaktion der Eagle S steht. „Finnland hat alles richtig gemacht. Es hat sich an nationales und internationales Recht gehalten, hat konsequent und schnell gehandelt und – das ist ganz entscheidend – sofort Beweise gesichert.“ Sie hätten die Eagle S, die aus einem russischen Hafen kam, mit höchster Wahrscheinlichkeit bereits im Blick gehabt, als Schäden an dem Kabel gemeldet wurden. Das sei vorbildlich. „Deutschland muss dies genauso hinbekommen“, sagte der Korvettenkapitän der Reserve im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Immenser Schaden für die deutsche Wirtschaft durch Cyberangriffe und Sabotage

    Eine vom Bundesministerium in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass durch Cyberangriffe und Sabotage der deutschen Wirtschaft im Jahr 2024 Schäden von knapp 270 Milliarden entstanden sind, davon entfallen zwei Drittel auf Cyberangriffe. 45 Prozent der digital angegriffenen Unternehmen waren Ziel chinesischer Angriffe, 39 Prozent Ziel von russischen Attacken.

    Auch Umweltschützer verfolgen die Präsenz der Schattenflotte in der Ostsee mit Argusaugen. In der vergangenen Woche wurde der mit fast 100.000 Tonnen Öl beladene manövrierunfähige Öltanker Eventin aufgebracht, der aktuell vor Rügen liegt. Brake geht von einem harten Kern von 50 Schiffen aus sowie, je nach Quelle, zwischen 200 und 500 Tankern, die von Moskau punktuell gechartert werden. „Ein Ölunfall in der Ostsee wäre eine Katastrophe für Meeressäuger, Seevögel“, warnte jetzt die Organisation Greenpeace, die die Ausweitung von Sanktionen gegen diese tickenden Zeitbomben auf See fordert.

    Warum nicht den engen Seeweg zwischen Dänemark und Deutschland für die Schattenflotte sperren?

    Warum also nicht den engen Seeweg zwischen Deutschland und Dänemark für die Schattenflotte sperren? Dann wären die für Moskau äußerst lukrativen Öltransporte von und zu den Häfen Primorsk und Ust-Luga in der Region Sankt Petersburg blockiert. „Der Westen muss sich natürlich auch auf See an das Völkerrecht halten, sonst werden Präzedenzfälle geschaffen. Wenn man Schiffe mit Fracht für Russland grundsätzlich stoppen würde, wäre das mit einer Seeblockade vergleichbar, die nach dem Seerecht als kriegerischer Akt gilt“, gibt Brake zu bedenken.

    Wehrlos sei der Westen jedoch nicht. „Wichtig ist, dass die EU alle Schiffe der Schattenflotte listet und sich anschaut, ob Verdachtsmomente für Verstöße gegen Umweltschutzvorgaben, die Sicherheit der Schifffahrt oder Sabotage und Spionage gegeben sind. All dies sind gute, seerechtlich gedeckte Gründe, solchen Schiffen die Durchfahrt durch Hoheitsgewässer – der Zwölf-Meilen-Zone – zu verweigern.“ Auch in der 200-Meilen-Zone und auf offener See sei es möglich, Schiffe zu stoppen, wenn Gefahr für die Umwelt besteht. „Ist eine Pipeline gefährdet, ist das ein Schlüssel, um gegen Sabotage vorzugehen.“ Tatsächlich stehen bereits fast 80 Schiffe auf einer EU-Sanktionsliste.

    40.000 Schiffsbewegungen pro Jahr

    Doch die Aufgabe ist gewaltig, bei bis zu 40.000 Schiffsbewegungen in dem flachen Binnenmeer pro Jahr. Schließlich liegt ein Netz von Daten- und Stromkabeln auf dem Ostseegrund, weitere Verbindungen sind in Planung.

    Am Wochenende wurde von Kiel aus ein Minenräum-Verband der Nato in den östlichen Teil der Ostsee entsandt. Die Allianz will Kabel und Leitungen in der Ostsee künftig mit deutlich mehr Schiffen, Flugzeugen und Drohnen schützen. Es gehe darum, die maritime Präsenz des Bündnisses zu verstärken, sagte Nato-Generalsekretär Mark Rutte auf einer Pressekonferenz zum Abschluss eines Ostsee-Gipfels in der finnischen Hauptstadt Helsinki. Auch Deutschland will sich mit Schiffen am Schutz der Infrastruktur in der Ostsee beteiligen: „Selbstverständlich bedeutet das, dass wir auch mit deutschen Schiffen für die Sicherheit in der Ostsee Sorge tragen“, sagte Kanzler Olaf Scholz in Helsinki.

    Moritz Brake appelliert an die deutsche Politik, endlich die Schlagkraft der Marine zu erhöhen. Dazu sei eine Ausweitung ihres „rechtlichen Handlungsrahmens“ nötig. „Russland unterscheidet immer weniger zwischen Frieden und Krieg. Intensität und Hemmungslosigkeit der Angriffe werden immer weiter gesteigert. Wir müssten die Flotte verdoppeln.“ Das alles werde viel kosten, aber Deutschland müsse „seine Resilienz stärken, damit unsere Gegner realisieren, dass wir nicht so leicht in die Knie zu zwingen sind. Das ist das Fundament der Abschreckung“.

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    1 Kommentar
    Jochen Hoeflein

    Es ist ein schmaler Pfad die Aktivitäten des RU Öltransports zu kontrollieren. Bei hinlänglichen Verdacht auf Umweltschädigung z.Bsp. durch Lecks oder technische Gebrechen der Schiffe ist Eingreifen auch berechtigt oder wenn ein Schiff mutmasslich Unterwasserkabel oder Pipelines beschädigt hat oder im Begriffe ist dies zu tun. Aber weitergehende Kontrollen quasi in Form einer Art von Embargo ist als kriegerische Handlung einzustufen und kann zur unkontrollierten Eskalation und Weiterung des UA Krieges führen. Oder was passiert wenn Öltransportschiffe aus RU dann von RU Kriegsschiffen eskortiert werden - auch eingreifen ?

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