
Das Rückkehrrecht in einen Vollzeit-Job ist ein Rohrkrepierer


Die Bundesregierung wollte Frauen aus der "Teilzeitfalle" befreien. Seit über zwei Jahren gibt es einen Rechtsanspruch auf Vollzeit. Doch gebracht hat er wenig.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sprach von einem großen Schritt. Seine SPD hatte im mühevollen Kampf der Union und den Arbeitgebern das Rückkehrrecht auf Vollzeit abgerungen. Seit Anfang 2019 sind die Beschäftigten nicht mehr auf das Wohlwollen der Unternehmen angewiesen, Vondern haben einen rechtlich abgesicherten Anspruch darauf. Vor allem Frauen sollten davon profitieren. Doch mehr als zweieinhalb Jahre später zeigt sich, dass das Rückkehrrecht weitgehend Theorie geblieben und in der Praxis nicht angekommen ist.
Das Resümee ergibt sich durch den Blick in verschiedene Statistiken aus der Arbeitswelt. Hauptgrund für die mangelnde Wirksamkeit des Rechtsanspruches ist ein Webfehler im Gesetz. Denn er greift erst in Betrieben, die mindestens 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Laut der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur ist mit 44,4 Prozent aber beinahe die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten in Firmen tätig, die kleiner sind. "Statt Schönfärberei zu betreiben, muss die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen dort ansetzen, wo es den Beschäftigten auch wirklich hilft: Notwendig ist ein echtes Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeit für alle", forderte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Ferschl, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die SPD lässt prüfen
Die SPD hätte im Gesetzgebungsprozess gerne mehr durchgesetzt, scheiterte am Widerstand von CDU und CSU. Der Arbeitsminister sprach hernach von einem vernünftigen und pragmatischen Weg, der in Wirklichkeit die Wirksamkeit des eigenen Gesetzes schwer einschränkte. Das könnte der Grund dafür sein, dass das Arbeitsministerium bis heute keine Daten herausgeben will, wie viele Männer und Frauen das neue Instrument tatsächlich nutzen. Erst fünf Jahre nach seiner Einführung soll es durch die Bundesregierung bewertet werden.

Eigentlich passt das Rückkehrrecht auf eine volle Stelle in die Zeit, weil es das Arbeitsleben flexibel macht. Wer sich um die Kinder kümmern, einen geliebten Menschen pflegen oder sich weiterbilden will, solle dafür beruflich kürzer treten können, ohne hinterher auf das Entgegenkommen der Firma angewiesen zu sein, ob die Stunden wieder aufgestockt werden. Die auf einige Jahre begrenzte Teilzeit mit weniger Verdienst - Brückenteilzeit genannt - hätte vor allem Frauen helfen können, später wieder mehr zu verdienen.
Denn die Erziehung der Kinder ist in Deutschland nach wie vor Frauensache. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen es eindeutig. Während nur sechs Prozent der Väter hierzulande ihre Stunden reduzieren, sind es 47 Prozent der Mütter. In absoluten Zahlen sind es 560.000 zu 5,22 Millionen, wie aus dem Mikrozensus der Statistiker hervorgeht.
Weniger Stunden, weniger Lohn, weniger Rente
Arbeitssoziologen sprechen von der Teilzeitfalle, in der Mütter stecken. Hinzu kommt, dass Arbeiten in Teilzeit häufig schlechter bezahlt wird. 55 Prozent der Beschäftigten bekommen Gehälter, die unter dem mittleren Lohnniveau liegen. Weniger Stunden zu magerer Bezahlung führen dazu, dass auch am Ende des Berufslebens die Rente schmaler ausfällt. "Teilzeitbeschäftigte müssen zwar immer mehr Arbeit schultern, bekommen aber durchschnittlich nach wie vor weniger Lohn und Gehalt als ihre vollzeitbeschäftigten Kolleginnen und Kollegen", beklagt Ferschl.
Dass es in der Gesellschaft ein Bedürfnis für die Brückenteilzeit gibt, wird seit einigen Jahren durch die Arbeitszeitumfrage des Statistischen Bundesamtes deutlich. Während über zwei Millionen Männer und Frauen jede Woche länger arbeiten wollen, stehen ihnen rund anderthalb Millionen gegenüber, die kürzer arbeiten wollen. Die Daten stammen aus der Zeit vor der Pandemie, aktuelle liegen noch nicht vor.

Die von der Großen Koalition eingeführte Brückenteilzeit hat bislang kaum dazu beigetragen, dass für mehr Beschäftigte die Stundenzahl zu den Lebensumständen passt. Eine Umfrage des Personalvermittlers Randstad hatte schon Ende 2019 gezeigt, dass nur wenige Arbeitnehmer von der befristeten Teilzeit Gebrauch machen. In nur drei Prozent der Firmen wurde der Anspruch genutzt. Daran dürfte sich bis heute wenig geändert haben, worauf die Erhebungen und Umfragen hindeuten.
Die Pandemie könnte den Begleiteffekt haben, dass die Unternehmen stärker auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen. Denn heute erscheint zum Beispiel das Arbeiten von zu Hause als nichts besonderes, während es vor Corona noch die Ausnahme war.
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