"Die CDU ist wieder da" – und ist sich im Grundsatz einig
Die CDU feilt an den letzten Details ihres Grundsatzprogramms. Es soll auch Stimmen von Wechselwählern ziehen und den Sieg bei der nächsten Bundestagswahl garantieren.
Die nackten Zahlen zeugen von der Größe des Auftrags. Genau 6732 Tassen Kaffee, so hat es Generalsekretär Carsten Linnemann gezählt, wurden bei der Erarbeitung des neuen CDU-Grundsatzprogramms getrunken. Es gab 200 Sitzungen der einzelnen Fachkommissionen, zahlreiche Regionalkonferenzen. Auf dem CDU-Parteitag in Berlin folgte am Dienstag das dicke Ende: 2120 Änderungsanträge mussten durchgeackert werden. Eine Mammutaufgabe, die am späten Abend noch andauerte. Die Verabschiedung des vierten Grundsatzprogramms seit der Premiere 1978 in Ludwigshafen galt indes als sicher. Denn nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel und einer verlorenen Bundestagswahl soll es nun heißen: "Die CDU ist wieder da. Die CDU lebt", wie Linnemann erklärte.
CDU-Chef Friedrich Merz, zum Auftakt des Parteitags am Montag mit knapp 90 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, beschrieb die große Klammer des rund 70 Seiten starken Grundsatzprogramms so: "Es geht darum, dass wir der CDU wieder inhaltlich Gewicht verleihen." Die Niederlage aus dem Jahr 2021 hat die bis dahin so erfolgsverwöhnten Christdemokraten hart getroffen. Der anschließende Gang in die Opposition verschaffte der Partei andererseits, das wurde in Berlin immer wieder betont, die Zeit für eine Runderneuerung. 17 Jahre ist das letzte Grundsatzprogramm alt, das Wort Digitalisierung kam darin nicht vor, zu China stand darin nur ein einziger Satz. Die technologischen und geopolitischen Veränderungen finden im neuen Programm mit dem Titel "In Freiheit leben" Niederschlag. Es soll, erklärte Merz, zeigen: "Die CDU ist wieder da. Sie ist unterscheidbar."
Mit neuen Grundsatzprogramm will CDU Bundestagswahl 2025 gewinnen
Mit dem Grundsatzprogramm im Rücken will die CDU angreifen. Nicht nur nach innen soll es Signale senden, sondern vor allem nach außen. Die Bundestagswahl 2025 fest im Blick, wirbt die Partei um Wechselwähler. Man wolle "diejenigen erreichen, und deren Zahl wird größer, die bei allen Wahlen neu entscheiden, wen sie wählen sollen", sagte Merz. Ohne die kleine Schwesterpartei, auch das ist in der CDU klar, wird die Rückeroberung des Kanzleramts nicht gelingen, und um die Einigkeit zu untermauern, reiste der CSU-Vorsitzende Markus Söder nach Berlin.
Der bayerische Ministerpräsident entfachte eine Begeisterung im Saal, die einige am Vortag womöglich vermisst hatten. "Dass ihr mich freundlich empfangt, ist mir eine Ehre", freute sich der Gast aus München und legte nach: "Es ist tatsächlich so: Ohneeinander geht es nicht. Wir sind untrennbar miteinander verbunden." Entsprechend zugewandt fiel der Dank an Friedrich Merz aus. "Wenn wir beide ehrlich sind: Wir hatten beide nicht erwartet, dass es so gut läuft", sagte Söder.
CDU-Parteitag: Söder will über Kanzlerkandidat mitentscheiden – Merz aber Favorit
Heftige Kritik äußerte er in seiner umjubelten Rede an den Pro-Kalifat-Demonstrationen, sprach von einem "schlimmen Störgefühl". Mit Religionsfreiheit habe das nichts zu tun, da wolle jemand einen neuen Staat. Das zu fordern sei grundsätzlich okay, "aber nicht in Deutschland", kritisierte der CSU-Chef und ergänzte: "Möglicherweise war manche Einbürgerung ein Fehler." Wer die doppelte Staatsbürgerschaft besitze und ein Kalifat fordere, der könne diese nicht behalten. "Wir wollen Migration, aber keine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme", bekräftigte der Ministerpräsident und stellte vor diesem Hintergrund fest: "Unsere Bürger sind heute in den Städten verunsicherter denn je."
Bei der Entscheidung über die Spitzenkandidatur reklamierte Söder sein Mitspracherecht. Die K-Frage werde man "gemeinsam lösen", aber natürlich sei ein CDU-Vorsitzender "immer Favorit". An ihm werde es jedenfalls, zeigte sich Söder friedfertig, nicht liegen. Gemeinsam werde die Union das kommende Jahr "rocken" und die Ampelbundesregierung ablösen.
CDU-Delegierte wollen Wehrpflicht durch Gesellschaftsjahr ersetzen
Ob der Plan aufgeht, wird sich weisen. Unterschiede zu den politischen Konkurrenten, an denen sich die Wählerinnen und Wähler reiben können, finden sich im Grundsatzprogramm einige. Zu den markanten Themen gehört beispielsweise die seit 2011 ausgesetzte Wehrpflicht. "Wir werden die Aussetzung der Wehrpflicht schrittweise zurücknehmen und die Wehrpflicht in ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr überführen", heißt es da.
Die Formulierung ging auf Betreiben der Delegierten über die ursprüngliche Fassung sogar noch hinaus. Sie forderte lediglich, dass es "nach der Aussetzung der Wehrpflicht keine Denkverbote für die Zukunft geben" dürfe. Der Vorsitzende Merz verfolgte es zufrieden. Er hatte Antworten auf die Frage gefordert, was "eigentlich Christdemokraten im 21. Jahrhundert angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen" ausmache. Hier hatte er eine deutliche Antwort.
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Das Bild zum Artikel zeigt, wie sich Herr Söder und Herr Merz kräftig an den Händen festhalten, um sich wohl gegenseitig zu stützen mit der Gewissheit, dass die Aera Strauss-Kohl-Merkel immer noch die Personalpolitik der Unionsparteien beeinflussen kann. Und erkannt haben könnten, dass beim nächsten CDU-Parteitag ein frischer und befreiender Wind eine neue Epoche einläuten wird. Und beide endlich Zeit haben für lange Waldspaziergänge, um über die verpassten Gelegenheiten, die den Werdegang in Politik bestimmen, philosophieren können und sich gegenseitig Versprechen - beim nächsten machen wir es besser.
Gunther Kropp, Basel
Große Ereignisse werfen immer Ihre Schatten voraus. Markus Söder war als Ministerpräsident von Bayern innerhalb eines knappen halben Jahres überraschend auf Staatsbesuchen in Israel, China und jetzt im Vatikan und scheint seinen Segen als Kanzlerkandidat für die UNION abgeholt zu haben.
Der einzige Stolperstein bis zu den 21. Bundestagswahlen im Herbst 2025 könnten noch „die Iden des Merz“ werden. Aber letztendlich überzeugen beide nicht, leider
Gottseidank überzeugen aber speziell die grünen Minister, die nicht für das Wohl des Deutschen Volkes (wie geschworen, aber nicht bindend und daher nicht eingehalten), sondern der Ideologie ihrer Partei folgen.
Und darum muss man jetzt die AFD (?) oder die FDP mit dem meisten Realitätssinn wählen.
Mich wundert, dass mittlerweile von den Kapriolen der Grünen in der AZ nicht mehr berichtet wird