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Der Algorithmus ist König: Wie sich der Bundeskanzler in den sozialen Medien präsentiert

Soziale Medien

Kanzler der jungen Leute? Wie sich Friedrich Merz auf Instagram und Tiktok präsentiert

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    Friedrich Merz (CDU) bei der Grundsatzprogrammkonferenz seiner Partei 2024.
    Friedrich Merz (CDU) bei der Grundsatzprogrammkonferenz seiner Partei 2024. Foto: Andreas Arnold, dpa (Symbolbild)

    „Good morning, Mr. President“, sagt eine Männerstimme, während Donald Trump mit ernster Miene den Screen betritt. Schnitt. Vor blauem Himmel wehen die „Stars and Stripes“ der US-amerikanischen Flagge. Schnitt. Ein lächelnder Friedrich Merz steigt aus einem schwarzen SUV und schüttelt dem US-Präsidenten eifrig die Hand. Schnitt.

    All das passiert in nur sieben Sekunden. Drei kurze Videosequenzen, aneinander geschnitten und mit einer basslastigen Hip-Hop-Melodie unterlegt. Sie sind der unmittelbare Einstieg in ein Instagram-Video des Bundeskanzlers, das seinen Besuch im Weißen Haus dokumentiert. Es wurde 3,4 Millionen Mal aufgerufen und einige Male sogar lobend kommentiert: „Videoeditor hat alles richtig gemacht“, schreibt eine Nutzerin. Hat also ausgerechnet Friedrich Merz, der älteste Bundeskanzler seit Adenauer, die sozialen Medien durchgespielt?

    Ein Frage-Antwort-Format soll den Kanzler nahbar wirken lassen

    Anruf bei einer Expertin. Giulia Fioriti ist Mitgründerin der Agentur Mecoa, die sich auf politische Kommunikation in den sozialen Medien spezialisiert hat. Sie erklärt: „Wenn man Reichweite erzielen möchte, muss man schon im Blick haben, wie die Plattformen funktionieren, und Strategien kennen.“ Kurz gesagt: Was auf Social Media gesehen wird, entscheiden Algorithmen. Und die mögen es, wenn User die verschiedenen Funktionen der App möglichst gut nutzen.

    Dass die USA-Reise des Kanzlers mit einer Melodie unterlegt ist, dient demnach nicht nur der Stimmung des Videos, wie Fioriti weiß: „Die Algorithmen bewerten Inhalte meistens besser, wenn sie eine Musikspur verwenden.“ Und weil der gewählte Hip-Hop-Sound die Instagram-Community wohl positiv überrascht, kann der Account des @bundeskanzlers damit doppelt punkten: Die Nutzerinnen und Nutzer hinterlassen zahlreiche Kommentare dazu. „Dieser Beat dazu, Junge“, schreibt einer und wird für seine Beobachtung mit über 6000 Likes belohnt. Je mehr Menschen mit einem Beitrag interagieren, desto höher stuft die Plattform seine Relevanz ein. „Und desto größer ist im Normalfall die Reichweite“, sagt Fioriti.

    Das ist auch eine Erklärung dafür, dass Merz' Social-Media-Team akribisch auf Kommentare reagiert. Und zwar nicht nur mit einem schnellen Emoji, sondern mit einer ausführlichen Antwort. Diese Vorgehensweise bewertet auch die Expertin positiv. Sowohl aus algorithmischer Sicht als auch aus demokratischer: „Auf Social Media geht es ja auch um den Dialog. Und darum, dass sich die User gesehen und gehört fühlen.“ Neben Videos, die den Kanzler wichtig und weltmännisch präsentieren, gibt es auf seinem Account deshalb auch solche: „Können Sie mal Ihre Frisur erklären?“, fragt ein Nutzer. Merz liest die Bitte offenkundig amüsiert von einem Tablet ab. Er sitzt zurückgelehnt in einem beigefarbenen Sessel, die Beine übereinander geschlagen. Bei seinem kurzen Einleitungs-Lacher zucken seine Schultern sogar ein wenig mit. „Gegenfrage“, sagt er dann mit Blick in die Kamera. „Ist das eine Frisur?“.

    Das Fragespiel soll den Account ein bisschen auflockern, vermutet Giulia Fioriti. Etwas spontaner dürfte das Format durchaus sein, findet sie – etwa wie beim französischen Präsidenten, der sich „im Selfie-Modus bei sich im Büro filmt und irgendwas in die Kamera reinquatscht“. Authentisch wirkt es auf die Expertin trotzdem. „Das machen sie auch strategisch, um ihn bei der jüngeren Zielgruppe als humorvoll und nahbar zu platzieren.“ Auf Instagram erreiche man hauptsächlich Menschen im Alter von 20 bis Ende 30. Auf Tiktok dagegen die unter 25-Jährigen, darunter viele Jugendliche, „die noch gar nicht im wahlfähigen Alter sind“.

    Social-Media-Beraterin Giulia Fioriti appelliert an Politikerinnen und Politiker, auf Tiktok aktiv zu werden.
    Social-Media-Beraterin Giulia Fioriti appelliert an Politikerinnen und Politiker, auf Tiktok aktiv zu werden. Foto: Ansgar Wörner

    Auf Instagram folgen dem Account des Bundeskanzlers rund 2,4 Millionen Menschen. Auf Tiktok etwa eine halbe Million. Eine differenzierte Strategie für zweiteres kann Fioriti bislang nicht erkennen. Dabei sei es höchste Zeit, sich mit dieser Plattform zu beschäftigen: Für die politische Meinungsbildung junger Menschen seien soziale Medien heute ein maßgeblicher Treiber. Und das weiß vor allem eine Partei.

    Demokratische Parteien haben den digitalen Raum zurückerobert

    Die AfD ist auf Tiktok bekanntermaßen erfolgreich. Das Narrativ, die rechtsextreme Partei sei die erfolgreichste in den sozialen Medien, treffe aber nicht zu, sagt Martin Fuchs, Experte für politische Kommunikation. Die demokratischen Parteien hätten es zwar jahrelang verschlafen, auf Tiktok aktiv zu werden. „Seit anderthalb Jahren hat man es aber geschafft, den digitalen Raum zurückzuerobern. Was Reichweiten angeht, hat man die AfD eigentlich abgehängt“, erklärt der Experte. Einen entscheidenden Vorsprung hat die rechte Partei allerdings in einem konkreten Punkt.

    Followerzahlen spielen laut Fuchs eine immer kleinere Rolle. „Viel entscheidender ist dagegen, wer wo über mich redet und wie viele Menschen meine Inhalte aufgreifen.“ Die AfD habe sich in den vergangenen Jahren eine Struktur aus Influencern und anderen Content-Erstellern aufgebaut, die ihre politischen Inhalte in den sozialen Medien verbreiten. Bei anderen Parteien seien zwar Ansätze zu erkennen, aber „da ist die AfD fünf bis sechs Jahre voraus“.

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