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Die "Organhändlerin": So geriet eine Deutsche in die russische Propaganda-Schlacht

Die "Organhändlerin"

So geriet eine Deutsche in die russische Propaganda-Schlacht

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    Die Ärztin Olga Wieber aus Waldkirch ist in die Propagandaschlacht der Russen geraten.
    Die Ärztin Olga Wieber aus Waldkirch ist in die Propagandaschlacht der Russen geraten.

    Die Ärztin Olga Wieber aus Waldkirch, rund 16 Kilometer nordöstlich von Freiburg, handelt mit Organen, die toten und verletzten ukrainischen Soldaten entnommen werden. Herzen, Nieren, Lebern, Lungen, Bauchspeicheldrüsen. Russische Medien decken den Skandal auf und klären ihr Volk im Staatsfernsehen über die Machenschaften Wiebers auf, gegen die selbst der deutsche Staat nicht vorgeht.

    Das Problem bei der Sache: Alles ist erfunden. Wieber ist keine Medizinerin, sondern studierte Mathematikerin, die im Schwarzwald als Vorstandsassistentin bei einer Aktiengesellschaft arbeitet. Es ist die Geschichte einer Frau, die völlig unerwartet Opfer russischer Propaganda wurde.

    5. Juli dieses Jahres. Eine Beschimpfung und Drohung nach der anderen geht in den sozialen Netzwerken ein, in denen Wieber gemeldet ist. Ein Auszug: Faschistin; Hast du den Handel von Seelen der Toten organisiert?; Du wirst in der Hölle brennen; Bist du also die Schlampe, die mit menschlichen Organen handelt?;  Ich bin von der Polizei. Wir treffen uns. Du bist das letzte Stück ; Warte auf meinen Besuch. Tod. Das sind nur einige der Kommentare, die gepostet werden.

    Ärztin Olga Wieber erntet Hass-Kommentare

    Auch der russische Nachrichtenkanal des Staatsfernsehens, Rossija 24, berichtet über die vermeintliche Organhändlerin. Die Nachricht verbreitet sich immer mehr. Aus einer Hand voll Hass-Kommentaren werden Hunderte, aus Hunderten werden über Tausend, die bis heute eingegangen sind, erklärt Wieber, die im ukrainische Saporischschja geboren wurde und seit 2002 in Deutschland lebt.

    Wer bei Google ihren Namen und  Organhandel  eingibt, erhält insgesamt über 1200 Suchergebnisse. "So etwas hätte ich mir nie vorstellen können", sagt die 45-Jährige, die inzwischen weiß, wie die komplette Lüge aufgebaut ist. Es wird berichtet, die deutsche Chirurgin betreibe einen Organhandel mit Sergej Wlassenko, dem Anwalt der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Als Beweis soll ein Mailverkehr dienen, in dem sich Wieber über den schlechten Zustand der Organe beschwert. Sie bittet darum, künftig auch Organe schwerverletzter, noch lebender Soldaten zu schicken und bestellt gleich fünf Herzen, zwölf Nieren, drei Lebern, drei Bauchspeicheldrüsen und eine Lunge.

    Der in Russland bekannte Journalist Dimitri Kisseljow, der kürzlich noch von Präsident Wladimir Putin ausgezeichnet wurde, bezeichnet daraufhin die Nachricht als glaubwürdig, schließlich gebe es kein Dementi aus Deutschland. Doch warum das alles? "Die Russen wollten die Ukrainer gegen ihre eigenen Leute und gegen die Deutschen aufhetzen", sagt Wieber. Natürlich habe auch den Russen gezeigt werden sollen, wie schamlos der Westen den Ukraine-Konflikt ausnütze.

    Ärztin will in die Offensive gehen

    Über die Ursachen, warum ausgerechnet sie in den Propaganda-Strudel hineingeraten sei, könne sie sich nur etwas zusammenreimen. So sei es sicherlich eine gewisse Art von Provokation, dass sie bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken ein Profilbild verwende, auf dem sie mit den Farben der ukrainischen Flagge im Gesicht zu sehen ist. "Am Ende bin ich wahrscheinlich eher zufällig zum Opfer der russischen Propaganda geworden", meint Wieber. Dabei werde keinerlei Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte genommen.

    In Waldkirch fühle sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Harald nach wie vor sicher. "Ich bin zwar nicht mehr so entspannt, aber Angst habe ich auch nicht", so Wieber. Sie versuche nun in die Offensive zu gehen, wolle über die Medien über die völlig frei erfundenen Auszügen aus mehreren Chats aufklären, erzählt Wieber. Sie habe bei der Polizei Anzeige erstattet, die deutsche Botschaft in Moskau sowie die Bundesärztekammer informiert. An ihrem Arbeitsplatz wissen ebenfalls alle Bescheid. Wieber: "Als ich es meinen Kollegen erzählt habe, mussten sie zuerst lachen."

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