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Gesundheitswesen: Pflegekräftemangel "bringt uns täglich in Verzweiflung"

Gesundheitswesen

Pflegekräftemangel "bringt uns täglich in Verzweiflung"

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    Das Gesundheitssystem in Deutschland kränkelt. Mehr Intelligenz beim Einsatz der vorhandenen Ressourcen könnte helfen.
    Das Gesundheitssystem in Deutschland kränkelt. Mehr Intelligenz beim Einsatz der vorhandenen Ressourcen könnte helfen. Foto: Marijan Murat, dpa

    Vor dem Hintergrund der endlos anmutenden Debatte über einen Mangel an Pflegefachpersonal kommt die Nachricht überraschend: Im internationalen Pro-Kopf-Vergleich liegt Deutschland bei der Beschäftigtenzahl im Gesundheitssystem erheblich über dem Durchschnitt. Nur Norwegen und die Schweiz sind signifikant besser. Das geht aus einem neuen Gutachten hervor, das der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege am Donnerstag in Berlin vorstellte. Für die Patientinnen und Patienten erwächst daraus allerdings kein Vorteil. Lebenserwartung wie Heilergebnisse sind hierzulande nicht besser als anderswo. Denn im krassen Gegensatz zur absoluten Summe ist die Zahl der Fachkräfte pro behandeltem Fall unterdurchschnittlich niedrig. Das liegt unter anderem an hohen Fallzahlen und einer langen Verweildauer im Krankenhaus. 

    Sachverständigenratschef Michael Hallek, er ist Onkologe an der Uni Köln, sprach von „strukturellen Defiziten“. Mit anderen Worten: Würde die Pflege besser organisiert, wäre der Dauerpatient Pflegesystem deutlich gesünder. Deutschland hat zwar eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt – rund 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geht hierzulande für Gesundheitskosten drauf – doch die vielen Milliarden kommen nicht an. Schuld ist nicht zuletzt die Bürokratie. „Wir sind brutal organisiert in Deutschland“, sagte Hallek und ergänzte: „Wir verbrennen unheimlich viel Geld.“ Als demokratischer Bürger könne man damit nicht zufrieden sein, richtete der Professor den Blick auf die Politik: „Wir müssen beginnen, mit der Ressourcenverschwendung aufzuhören.“

    Kliniken und Pflegepersonal sind verzweifelt

    Das siebenköpfige Gremium hat auf gut 300 Seiten Vorschläge erarbeitet, wie dem Missstand beizukommen ist, der sich von Jahr zu Jahr weiter verschlimmert. „Die Arbeit muss neu organisiert werden, intelligenter“, aber ohne Einbußen bei der Qualität, fasste Hallek zusammen. Dazu gehört nach Einschätzung der Expertinnen und Experten eine effizientere Patientensteuerung, denn in Deutschland kommen zu viele Menschen unnötig in die Notaufnahme, und davon wiederum wird jeder Zweite zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus aufgenommen – was deutlich mehr ist als in anderen Ländern. Die Situation „bringt uns täglich in Verzweiflung“, sagte Hallek. 

    Ausgerechnet das so oft kritisierte Berlin wird als Beispiel für mehr Effizienz in dem Gutachten aufgeführt. Das Land und die Kassenärztliche Vereinigung verantworten seit etwa fünf Jahren die Notfallnummer 112 und den ärztlichen Bereitschaftsdienst gemeinsam. Wenn sich bei einem Anruf auf der 112 herausstellt, dass der Patient besser durch kassenärztliche Notfallstrukturen als durch den Rettungsdienst versorgt werden könnte, wird er in teilweise vollautomatisierten Prozessen rund um die Uhr an die entsprechende Leitstelle weitergegeben. Die Rettungsdienste und Kliniken werden spürbar entlastet. 

    Telemedizin auf dem Vormarsch

    Für Sachverständigenratsvize Jonas Schreyögg sind solche „Satelliten“ ein gutes Beispiel dafür, dass sich in der Not neue Strukturen herausbilden, an denen sich Politik ein Beispiel nehmen kann. Ohne den Gesetzgeber geht es allerdings auch nicht, wie der Gesundheitsökonom der Universität Hamburg festgestellt hat. „Deutschland kommt an Strukturreformen im Gesundheitswesen nicht vorbei. Die Versorgungslandschaft, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, bindet zu viel Personal und bringt für das, was wir investieren, nicht die Qualität, die wir uns für den Krankheitsfall wünschen“, erklärte er. Die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sei da ein wichtiger Baustein für die Zukunft, sagte Schreyögg. Es brauche aber „natürlich mehr“.

    Zu einem festen Bestandteil im Gesundheitssystem muss in Zukunft nach Lauterbachs Einschätzung die Telemedizin gehören. Eine Meinung, die vom Sachverständigenrat geteilt wird. Die Nutzung digitaler Technologien wie der künstlichen Intelligenz habe das Potenzial, menschliche Arbeit zu unterstützen und zu entlasten, heißt es in dem Gutachten. Zur Stärkung des vertragsärztlichen Versorgungspotenzials in unterversorgten Regionen raten die Experten unter anderem dazu, die „sich stetig verbessernden technischen Möglichkeiten“ im Hinblick auf Telesprechstunden und die digitale Vernetzung von Fachärzten zu flexibilisieren und „telemedizinische Angebot ohne direkten Patientenkontakt“ als neue Versorgungsebene in die Bedarfsplanung aufzunehmen.

    Nicht zuletzt muss es darum gehen, die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, „dass Pflegefachpersonen motiviert, gesund und langfristig in ihrem Beruf tätig sind“, wie die stellvertretende Sachverständigenratsvorsitzende Melanie Messer, Pflegewissenschaftlerin an der Universität Trier, betonte. 

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