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Großbritannien: Labour-Partei streitet über Krieg in Nahost

Großbritannien

Labour-Partei streitet über Krieg in Nahost

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    Der Labour-Vorsitzende Keir Starmer hat ein Problem mit Parteifreunden, die seine pro-israelische Haltung im Nahost-Krieg nicht billigen.
    Der Labour-Vorsitzende Keir Starmer hat ein Problem mit Parteifreunden, die seine pro-israelische Haltung im Nahost-Krieg nicht billigen. Foto: Stefan Rousseau, pa wire, dpa

    Es ist ein Ringen um die richtigen Worte, dem sich der britische Labour-Chef Keir Starmer derzeit ausgesetzt sieht. Und so korrigierte er in einer Rede vor wenigen Tagen erneut seine Sicht auf den Gaza-Krieg, zumindest ein wenig. Er verstehe, dass viele für einen Waffenstillstand plädierten, halte dies aber nicht für den richtigen Weg. Weil viele Labour-Politiker diese Haltung nicht teilen, gerät der Parteichef zunehmend unter Druck. Der Terror der Hamas und der Krieg spaltet die sozialdemokratische Partei.

    Mitglieder der Labour-Partei, aber auch einige Abgeordnete fordern, dass der 61-Jährige die israelischen Angriffe auf den Gazastreifen klar verurteilt und sich für einen Waffenstillstand einsetzt. Insider schätzen, dass sich rund ein Drittel der Fraktion im Konflikt mit der Parteiführung befindet. Dutzende Stadträte legten ihr Amt nieder, einige forderten seinen Rücktritt. In der Nacht zum Mittwoch nahm mit Imran Hussain dann der erste Labour-Abgeordnete wegen des Streits seinen Hut. 

    Ein Rücktritt Starmers gilt als sehr unwahrscheinlich

    Zwar ist ein Rücktritt Starmers vor den Parlamentswahlen, die spätestens im Januar 2025 stattfinden, laut Experten aktuell unwahrscheinlich. Schließlich scheint ein Sieg der Labour-Partei angesichts eines Vorsprungs von rund 20 Prozentpunkten vor den regierenden Tories zum ersten Mal seit Jahren in greifbarer Nähe. Die Empörung über die Haltung des Oppositionschefs zum Gaza-Krieg zeigt jedoch, wie schwierig es ist, die Partei bei einem Thema zu vereinen, das Labour seit langer Zeit spaltet.

    Laut Rob Ford, Politikwissenschaftler an der University of Manchester, kommt der aktuelle Streit in der Partei aus zwei Richtungen. Zum einen habe Labour neben vielen muslimischen Wählern Mitglieder dieser Glaubensrichtung in ihren Reihen, die eher eine starke pro-palästinensische Haltung einnähmen. Die zweite Konfliktlinie, die angesichts des Gaza-Krieges in der Partei wieder aufbricht, rühre vom linken Parteiflügel her, dem Starmers Vorgänger Jeremy Corbyn nahestand. "Dieser vertritt eine sehr pro-palästinensische Haltung und es gab immer wieder Diskussionen darüber, inwieweit dieser Aktivismus in Antisemitismus umschlug", sagte

    Starmer versprach Antisemitismus in der Partei nicht zu dulden

    Nachdem Corbyn nach der vernichtenden Niederlage der Partei bei den Parlamentswahlen 2019 seinen Rücktritt angekündigt hatte, wurde Starmer im Frühjahr 2020 neuer Parteichef. Er sei mit dem Versprechen angetreten, "keine Toleranz gegenüber Antisemitismus zuzulassen", und habe in der Partei aufgeräumt, indem er eine fast "autokratische Kontrolle" über die Auswahl der Kandidaten für ein Abgeordnetenmandat ausgeübt habe, sagt Ford. Dadurch hätten Corbyns Anhänger in den vergangenen Jahren an Macht und Einfluss verloren, versuchten nun aber, sich wieder Gehör zu verschaffen.

    Weiter angeheizt wurde der Konflikt offensichtlich durch den Umgang Starmers mit der Spaltung in der Nahost-Frage. "Es ist lächerlich, wie er es geschafft hat, daraus ein Partei-Drama zu machen", sagte einer. Dass der Oppositionschef in einem Interview Mitte Oktober etwa das Abschalten von Strom und Wasser in Gaza befürwortete, habe viele verärgert.

    Doch selbst wenn weitere Abgeordnete zurückträten, in der Bevölkerung zumindest habe Labour Umfragen zufolge den Rückhalt bislang nicht verloren, so Ford. Die Briten seien nicht sehr glücklich über die innerparteiliche Uneinigkeit, sähen die Sache aber pragmatisch, weil sie wüssten, dass eine britische Regierung ohnehin nicht viel Einfluss auf den Konflikt im Nahen Osten habe. Für die Mehrheit seien andere Probleme, wie etwa die Höhe ihrer Energierechnungen, einfach drängender.

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