Steuer-Gewerkschaft und Linke warnen vor Missbrauch bei 3000-Euro-Prämie
Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft und die Linke warnen vor einem Steuerschlupfloch und Missbrauch bei der abgabenfreien Inflationsprämie in Höhe von 3000 Euro.
Seit Donnerstag kann die sogenannte "Inflationsausgleichsprämie" ausbezahlt werden: Arbeitgeber können ihren Beschäftigten eine steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung gegen die Preisexplosion bei Energie- und Lebenshaltungskosten überweisen. Doch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft und die Linke warnen vor einem Steuerschlupfloch und hohen Einahmeausfällen bei der Prämie.
„Wer bei unterschiedlichen Arbeitgebern beschäftigt ist, kann von jedem Arbeitgeber die volle 3000-Euro-Prämie abgabenfrei erhalten, dies lädt zum Missbrauch durch Pro-forma-Dienstverhältnisse ein“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Florian Köbler, unserer Redaktion. „Das ist eine eklatante Gesetzeslücke“, betonte Köbler. „Das wäre das erste Steuerschlupfloch, das wir kennen, das nicht ausgenutzt würde.“
Steuergewerkschaft spricht von Cum-Ex-Skandal im Kleinen
Der Experte erwartet durch die seit Donnerstag auszahlbare Prämie beträchtliche Einnahmeausfälle für den Staat und die Sozialversicherungen. „Immerhin geht der Staat von Steuermindereinahmen in Milliardenhöhe aus“, sagte Köbler. „Es besteht die Gefahr, dass die Inflationsausgleichsprämie zum Cum-Ex im Kleinen werden könnte“, fügte er hinzu.
Auch die stellvertretende Linke-Fraktionschefin Susanne Ferschl warnte vor Betrug und kritisierte die Ausgestaltung der Prämie. „Ist eine Maßnahme mit heißer Nadel gestrickt, ist sie missbrauchsanfällig“, sagte Ferschl unserer Redaktion. „Investiert man als Gesetzgeber nicht in Kontrollen, ist es eine indirekte Einladung zum Betrug“, warnte sie. Dies habe man schon in zahllosen Fällen bei der Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns gesehen.
Linken-Expertin Susanne Ferschl kritisiert Inflationsprämie als Fehlkonstruktion
Ferschl kritisierte die Inflationsprämie als Fehlkonstruktion. „Aus aktuellen Tarifverhandlungen wissen wir, dass Arbeitgeber die Einmalzahlungen als Vorwand nutzen, um sich vor monatlichen Lohnerhöhungen zu drücken“, sagte die Linken-Arbeitspolitik-Expertin. „Beschäftigte aber brauchen keine einmaligen Notgroschen, sondern höhere Löhne, um die dauerhaft gestiegenen Lebenshaltungskosten kompensieren zu können.“ Zudem ist die Zahlung freiwillig. „So ist zu befürchten, dass vor allem die Beschäftigten in den systemrelevanten Bereichen wieder leer ausgehen“, warnte Ferschl. „Für höhere Löhne braucht es keine runden Tische im Kanzleramt oder Applaus, sondern Tarifverträge.“
Inflationsprämie: Gesetzeslücke lädt zum Tricksen ein
Steuer-Gewerkschaftschef Köbler kritisierte, dass die Prämie sowohl zu fragwürdigen Konstruktionen zur Steuergestaltung als auch zum Betrug einlade. „Unsere Sorge ist, dass diese Gesetzeslücke Kriminelle zur Geldwäsche durch Scheinarbeitsverhältnisse anlockt“, warnte der Finanzverwaltungsexperte. Zudem erwartet er rechtlich umstrittene Konstruktionen, mit denen Firmen versuchen könnten, ihre Steuer- und Abgabenlast zu drücken. „Im Prinzip könnte zum Beispiel eine Firma aus zwölf Mitarbeitern zwölf Gesellschaften gründen und jeder den anderen pro forma anstellen und eine abgabenfreie Prämie brutto für netto auszahlen“, sagte Köbler.
„In der Praxis sind sehr viele Firmen in Untergesellschaften organisiert, zum Beispiel indem jede einzelne Filiale rechtlich als eigenes Unternehmen zählt“, berichtet der Experte. „Durch die Gesetzlücke besteht die Gefahr, dass jede Untergesellschaft ein und dergleichen Person eine abgabenfreie Prämie auszahlen könnte.“ Dies könnte schnell Nachahmer finden. „Wir haben dies im großen Maßstab beim Cum-Ex-Skandal gesehen: Erst geht es um einen Einzelfall, dann wird ein Steuergestaltungsmodell daraus“, warnte der Steuerexperte.
Gehen die meisten Beschäftigten bei der Inflationsprämie leer aus?
„Unter dem Strich sehen wir die Gefahr, dass die 3000-Euro-Prämie auf der einen Seite zum Missbrauch einlädt und auf der anderen Seite viele Menschen, für die das Instrument gedacht war, das Geld gar nicht erhalten, weil es der Arbeitgeber sich entweder in der Krise nicht leisten kann oder weil immer mehr Jobs aus der Tarifbindung herausgefallen sind“, sagte der Gewerkschaftschef der Finanzverwaltungsbeschäftigten.
Köbler forderte eine Präzisierung im Steuergesetz gegen Missbrauchsgefahr: „Die Lösung wäre ganz einfach, die 3000 Euro Maximalhöhe an den Beschäftigten zu binden“, sagte er. „Dann wäre eine mehrfache Auszahlung illegal und es entsteht kein legales Steuerschlupfloch. Dies könnte man einfach im Jahressteuergesetz im Herbst regeln.“
Die Diskussion ist geschlossen.
Wenn ich die vom Vorsitzenden der Steuergewerkschaft erwähnten Risiken nochmals bedenke, dann kann ich dieser Inflationsprämie kaum etwas Positives abgewinnen. Wieso haben die Politiker die Leute mit ausreichend Praxiserfahrung nicht vorher gefragt?
Wieso immer wieder Unausgegorenes von der Politik?
Ich denke hierbei nicht nur die Gefahr der Trickserei. Vielmehr halte ich es ganz einfach für unangemessen, wenn vom Arbeitgeber abhängt, ob der Arbeitnehmer sich im Betrag von 3.000 Euro aus der Solidargemeinschaft (keine Steuern, keine SV-Beiträge) verabschieden darf. Dass es für Arbeitnehmer mit Arbeitsverträgen ohne Tarifbindung, also tendenziell wirtschaftlich Schwächere, häufiger diese 3000 Euro netto nicht geben wird, macht das Ganze noch fragwürdiger.
Da kann ich mich Ihnen anschliessen. Ich meine "unausgegoren" aus zwei Gründen: 1. Schnelligkeit vor Qualität (dabei sollte es umgekehrt sein). 2. Zweifel komme mir auch immer öfters an der Qualität des Personals, gelinde gesagt (natürlich nicht querbeet, aber trotzdem ein nicht unerheblicher Teil).
Ich halte das dennoch für eine pragmatische und wirksame Lösung des aktuellen Inflationsproblems. Wenn man jeden möglichen Missbrauch einer Maßnahme von vornherein ausschließen will, passiert gar nichts mehr oder es entstehen die Bürokratiemonster, die dann von denselben Leuten kritisiert werden. In Zeiten des Arbeitskräftemangels wird sich zudem mancher Arbeitgeber dreimal überlegen, ob er seine Beschäftigten verarscht.
IDEE: Sollte der Arbeitgeber KEINEN Spielraum haben, die 3000 Euro (sind ja freiwillig) zu bezahlen, hätte ich da eine Idee. Die Beschäftigten könnten ja freiwillig in diesem Jahr auf Urlaubs und Weihnachtsgeld verzichten. Dieses wird ja versteuert. Der Arbeitgeber zahlt dann diesen Verzicht "freiwillig" in gleicher Höhe wieder als Einmalzahlung STEUERFREI an den Arbeitnehmer wieder aus. Weiß nicht, ob das möglich ist, aber einen Überlegung ist es allemal wert. So hätten die Arbeitnehmer wenigstens alles NETTO!
Wie wäre es, das Weihnachtsgeld und Sonderzahlungen vom Arbeitgeber, Steuer- und Abgabenfrei zu gestalten?
Nette Idee, nur würden bei dieser Aktion fast jeder profitieren.
So eben nur ein kleiner Teil.