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Stromsteuer-Streit: Merz und Klingbeil können sich nicht einigen

Koalitionsausschuss

Streit um Stromsteuer: Union und SPD können sich nicht auf Entlastung für Verbraucher einigen

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    Haben den ersten Knatsch: Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Bundeskanzler Fiedrich Merz.
    Haben den ersten Knatsch: Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Bundeskanzler Fiedrich Merz. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Nach dem Koalitionsausschuss von Union und SPD haben die Grünen dem Regierungsbündnis eine Politik des Zauderns und Zögerns vorgeworfen. „Merz, Klingbeil, Bas und die anderen saßen stundenlang zusammen und haben nicht eine einzige Entscheidung getroffen. Merz wollte Entscheidungen, nichts ist passiert“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch der Augsburger Allgemeinen. Offensichtlich sei der Koalitionsausschuss schlecht vorbereitet gewesen..

    Kein gemeinsamer Auftritt vor der Hauptstadtpresse, nur ein dreiseitiges Papier. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zogen es am späten Mittwochabend vor, in Deckung zu gehen und kritischen Fragen auszuweichen. Trotz mehr als fünfstündigen Beratungen bei drückender Hitze haben die Spitzen der Regierungspartner das Streitthema Stromsteuer nicht abräumen können.

    Der Stand ist der alte. Entlastet werden sollen zunächst nur Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft, nicht aber die privaten Haushalte. „Der Koalitionsausschuss ist sich darüber einig, dass weitere Entlastungsschritte – insbesondere eine Senkung der Stromsteuer für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die gesamte Wirtschaft – folgen sollen, sobald hierfür finanzielle Spielräume bestehen“, lautet der entscheidende Satz des Kommuniqués.

    Konkreter wurden CDU, CSU und SPD an dieser Stelle nicht, an anderer hingegen schon. Die Haltelinie bei der gesetzlichen Rente von 48 Prozent soll noch dieses Jahr verlängert und die Ausweitung der Mütterrente beschlossen werden. „Die Mütterrente III wird zum 1. Januar 2027 umgesetzt“, heißt es im Papier dazu. Das wäre nun doch ein Jahr früher als zwischenzeitlich geplant.

    Senkung der Stromsteuer wird zum Konfliktthema der Bundesregierung

    Vor dem Treffen war der Hauptstadtbetrieb mehrheitlich davon ausgegangen, dass sich Merz und Klingbeil bei der Runde im Kanzleramt schon irgendwie zusammenraufen würden. Fünf Milliarden Euro an Einnahmen fielen pro Jahr weg, sollte die Stromsteuer auf das europäische Minimum und damit praktisch gen Null abgesenkt werden. Das ist ein spürbarer Posten, der aber angesichts der enormen Schuldenpakete klein wirkt.

    Kurz vor 17 Uhr traf SPD-Chef Lars Klingbeil im Kanzleramt ein. Die mehrstündigen Beratungen verfehlten eine Einigung.
    Kurz vor 17 Uhr traf SPD-Chef Lars Klingbeil im Kanzleramt ein. Die mehrstündigen Beratungen verfehlten eine Einigung. Foto: Christoph Soeder/dpa

    Klingbeil hatte vor dem Treffen erklärt, dass er nicht den nötigen Spielraum im Haushalt sehe, um diese Steuer – wie im Koalitionsvertrag klipp und klar versprochen – auch für die Verbraucher zu senken. Rund 90 Euro hätte das einer vierköpfigen Familie mit Durchschnittsverbrauch im Jahr gebracht. Für einen Finanzminister ist es zunächst einmal üblich, die Erwartungen zu dämpfen. Die Union war gegen Klingbeils Entscheid auf die Barrikaden gegangen. Sie will, dass die Entlastung für alle und nicht nur für Unternehmen schnell kommt.

    Hinter der Stromsteuer steckt weit mehr als das Thema Entlastung. Es geht nach nicht einmal 100 Tagen bei Schwarz-Rot bereits darum, die Kräfte zu messen. Das Stillhalteabkommen ist gebrochen. Die Verabredung, unterschiedliche Ansichten intern zu diskutieren und nicht in der Öffentlichkeit auszutragen, ist passé. Klingbeil wurde umgehend von den CDU-Schwergewichten Jens Spahn und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst kritisiert. Anders als üblich, sprangen dem SPD-Co-Vorsitzenden die eigenen Genossen nicht zur Seite. Auf dem Parteitag der SPD am vergangenen Wochenende wurde er abgestraft. Nur knapp 65 Prozent der Delegierten bestätigten ihn als Vorsitzenden. Eine Klatsche..

    Können Lars Klingbeil und Friedrich Merz ihre Parteien zusammenhalten?

    Vor dem Koalitionsausschuss stellte sich damit nicht nur die Frage nach praktischen Entscheidungen. Es geht in der Regierung gerade auch sehr um das interne Klima. Kann Klingbeil seine Reihen zusammenhalten? Ist Merz in der Lage, große Egos wie Wüst und Spahn einzufangen? Will er das überhaupt? Für einen Regierungschef kann es bis zu einem gewissen Grad durchaus hilfreich sein, wenn die „Untergebenen“ sich nicht zu sehr verbrüdern. Die Umstände zwangen den Kanzler bisher dazu, sich auf die Außenpolitik zu fokussieren. Im Inland ist jetzt Gestaltungswillen gefragt und der Sauerländer weiß, dass er es nicht nur laufen lassen kann. „Ich habe natürlich schon mehr vor, als nur Krise zu managen“, sagte er in der ARD.

    Vor dem Koalitionsausschuss wurde zumindest eine Annäherung bei der umstritten Stromsteuer auch deshalb erwartet, weil sich Merz grundsätzlich offen für eine mögliche Ausweitung gezeigt hatte. Der Vorschlag aus Unionsreihen, im Gegenzug stärker als geplant beim Bürgergeld zu sparen, dürfte bei der SPD auf wenig Entgegenkommen stoßen. Die Sozialdemokraten haben ohnehin schwer dran zu schlucken, dass es das Bürgergeld dem Namen nach bald nicht mehr geben wird und durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzt wird. Sie wehren sich auch gegen den Vorwurf aus den Reihen der Union, dass sich die Bezieher auf Staatskosten ausruhen.

    Die neugewählte SPD-Co-Chefin Bärbel Bas hatte den Koalitionspartner auf dem Parteitag bereits unverblümt attackiert. Die Arbeitsministerin kritisierte Äußerungen, die den Deutschen Faulheit unterstellen, wie sie in der Vergangenheit unter anderem von Friedrich Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zu hören waren. Bas betonte das Solidarprinzip als Kit, der die Gesellschaft zusammenhalte. Sanktionen für absolute Arbeitsverweigerer können sich die Sozialdemokraten zwar vorstellen. Tiefgehende Leistungskürzungen hingegen werden mit ihnen hingegen kaum zu machen sein. Auch deshalb, weil der neue Mindestlohn geringer ausfällt, als sie ihren Wählerinnen und Wählern versprochen haben.

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    13 Kommentare
    Maria Tkacuk

    Herr Hoefelein, von welcher "Sanktionsschraube" reden Sie denn ? Wo und wie werden denn in Deutschland die Menschen "sanktioniert" ? Die Wirtschaft in Deutschland wird doch sehr entlastet durch die Stromsteuersenkung. Das wird ja gemacht. Und hat sicherlich Erfolg. Aber wie jeder überall bemerkt, überall geschrieben steht und es jeder lesen kann , hat eine Senkung der Stromsteuer keinen Effekt für den einzelnen Bürger - es werden nur 30 Euro für Einzelne. - Im Jahr. Typisch für Deutschland wollen die Kritiker wieder nur einen Symbol-Akt, eine symbolische Aktion sehen. Ohne Effekt aber. Wie so oft in Deutschland.

    Wolfgang Boeldt

    Käme irgendwo in dem gesamten Stromsteuerkomplex nur der Begriff "Ukraine" vor - die 5 Milliarden, egal letztendlich welcher Betrag, wären in Nullkommanix da und verfügbar. =:)

    Franz Xanter

    Man kann es auch ganz klar ausdrücken: Es wird vor der Wahl gelogen und versprochen und nach der Wahl jedoch nicht geliefert. Und der Wähler? Vorsätzlich getäuscht. Glaubt die Politik, dass Wähler oder mindestens Teile der Wählerschaft dies vergessen? Sicherlich nicht. Nur wie sich dies dann darstellt, möchte ich gar nicht bewerten.

    Willi Dietrich

    Woher soll der Aufschwung kommen, wenn die jährlich nötigen 200.000 Arbeitskräfte von außen nicht kommen ? Mit einer halben Milliarde Schulden allein ist die marode Infrastruktur nicht zu beheben. Es fällt auf, dass die Regierung Merz/Klingbeil angesichts der immensen Aufgaben schon jetzt mächtig unter Druck kommt, zumal Söder mit "Bayern-Wünschen" wie der Mütterrente dazwischenfunkt, was an Lindner "Dagegenhalten" erinnert.

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    Friedrich Eckert

    Es erschließt sich mir nicht, warum jährlich 200.000 Arbeitskräfte ins Land geholt werden sollen, während 2,8 Millionen Menschen mit Sozialleistungen zuhause sitzen. Wie wäre es, diejenigen auszubilden und in Arbeit zu bringen?

    Richard Merk

    Dann legen sie doch mal einen vernünftigen Plan auf den Tisch wie sie ihre Wünsche durchsetzen wollen. Mit dreisten und undurchführbaren Forderungen schädigen sie nicht nur unsere Wirtschaft sondern auch die Bürger Deutschlands Herr Eckert.

    Friedrich Eckert

    "Mit dreisten und undurchführbaren Forderungen schädigen sie nicht nur unsere Wirtschaft sondern auch die Bürger Deutschlands Herr Eckert." Also, mehr Menschen durch Umschulungen, zum Beispiel in Arbeit zu bringen, schadet der Wirtschaft und den Bürgern? Sie verwechseln vielleicht Bürgergeld mit einem bedingungslosen Grundeinkommen.

    Hans Meixner

    "90 Euro Stromkostenersparnis für einen 4-köpfigen Haushalt im Jahr", das sind im Monat € 7,50 (!), ist nicht mal "ein Tropfen auf dem heißen Stein". Als Vergleich: Schnelle Förderung der Wirtschaft zur Stabilisierung und Steigerung der Wirtschaftsleistung, bringt erhöhte Steuereinnahmen, stabilisiert, bzw. erhöht die Beschäftigungszahlen. Die daraus resultierenden, erhöhten Steuereinnahmen wiederum können für weitere/bessere Sozialleistungen führen (Kita und ähnliches) und um dann die Stromsteuer zu einem etwas späteren Zeitpunkt zu senken. Das Dilemma, welches die Ampelregierung verursacht und hinterlassen hat, wird noch weitere Überraschungen bringen. Mitverursacher war auch die Partei des jetzigen Finanzministers.

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    Martin Müller

    Es geht sich nicht allein um die Höhe der Entlastung, es geht um Glaubhaftigkeit. Jede Geschichte des Baron von Münchhausen ist aktuell glaubwürdiger als die Koalition. Und ob die Maßnahmen so wie von Ihnen dargestellt funktionieren, ist eine reine Glaubensfrage und keine Gewissheit.

    Hans Meixner

    Jeder normale Mensch versteht, dass in der jetzigen Zeit und der Krisenlage, keine belastbaren Aussagen gemacht werden können, die auf Dauer gelten. 5 Mrd. Kosten für den Haushalt bei Senkung der Stromsteuer sind für den Einzelnen nur wenige Euro (€ 2-4?) im Monat. Und meine angeführten Maßnahmen sind keineswegs eine Glaubensfrage, sondern aktive Wirtschaftspolitik. Zum "Glauben" gehen sie besser in die Kirche!

    Martin Müller

    Schade, wenn Sie sich bereits jetzt die Ausreden für sich selbst zurechtlegen müssen, falls die von Ihnen skizzierte aktive Wirtschaftspolitik doch nicht aufgeht. Dass die Maßnahme wirkungslos verpufft, ist mindestens ebenso wahrscheinlich. Selbst wenn sie Wirkung zeigt, hat es nicht zwingend die von Ihnen aufgezählten Folgen. Aktuell steht auf der Habenseite der Koalition ein weiteres gebrochenes Versprechen.

    Jochen Hoeflein

    Zusagen der neuen Regierung zum Wohl der eigenen Bürger sind nichts Wert , wenn die Prioritäten wenn einmal an der Macht nichts mehr gelten. Das Dilemma der Ampel Regierung wird fortgesetzt nur mit anderen Vorzeichen. Vom Kreditpaket kommt beim Normalbürger nichts an. Aber die Sanktionsschraube weiter drehen zum Nachteil der eigenen Wirtschaft und der eigenen Bürger.

    Rainer Kraus

    Die Herren Merz und Klingbeil führen die falsche Politik seit Frau Merkel weiter und mehr ist dem nichts hinzu zu fügen, denn die Fakten und Negativergebnisse sprechen für sich.

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