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Kommentar: ARD und Co. brauchen Reformen – nicht die Abschaffung

Kommentar

ARD und Co. brauchen Reformen – nicht die Abschaffung

Daniel Wirsching
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    Fast täglich Neues über den RBB-Skandal: Am Montag beschloss der Verwaltungsrat des Senders die fristlose Kündigung der abberufenen Intendantin Patricia Schlesinger.
    Fast täglich Neues über den RBB-Skandal: Am Montag beschloss der Verwaltungsrat des Senders die fristlose Kündigung der abberufenen Intendantin Patricia Schlesinger. Foto: Carsten Koall, dpa

    Der RBB-Skandal um mutmaßliche Vetternwirtschaft und Geldverschwendung ist zu einer Debatte über die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems geworden. Er ist Anlass und Gegenstand einer leider wieder einmal höchst polemisch geführten Debatte, in die erwartbar alles hineingeworfen wird, das als störend empfunden werden kann an ARD, ZDF und Deutschlandradio: Programm, Rundfunkbeitrag, Intendanten-Gehälter, die – behauptete – Linkslastigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren – behauptete – Absicht, das Publikum zu „erziehen“, das Gendern in Moderationen ...

    Über jeden einzelnen Punkt wird seit Jahren diskutiert, öffentlich wie intern, und es ist keineswegs so, dass man in den Sendern blind und taub für Kritik wäre. Das Bewusstsein für Einsparungen oder (Programm-)Reformen ist spürbar und sichtbar. Das muss man an dieser Stelle festhalten, um zu einer Versachlichung der aktuellen Debatte beizutragen. Wie dies: Der RBB-Skandal wird aufgeklärt und hat Folgen. Eine der augenfälligsten ist die frist- und abfindungslose Entlassung der bisherigen Intendantin Patricia Schlesinger, die sich als „Sündenbock“ betrachtet und ihre Kündigung „offensichtlich politisch motiviert“ nennt.

    Über Probleme des Öffentlich-Rechtlichen muss ernsthaft diskutiert werden

    Und ja: Der RBB-Skandal weist auf strukturelle Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hin. Konkret: Dass Gremien aus – laut eigenen Aussagen teils überforderten – Ehrenamtlichen Sender mit tausenden Beschäftigten kontrollieren sollen, muss wie aus der Zeit gefallen wirken. Und das spricht nicht gegen die Ehrenamtlichen, die ja die gesamte Breite unserer Gesellschaft repräsentieren sollen, sondern gegen ein, noch dazu, uneinheitliches Kontrollsystem. Eine Diskussion darüber hat inzwischen eingesetzt, und man kann nur hoffen, dass sie ernsthaft geführt wird.

    Aber nein: Die Existenz von ARD, ZDF und Deutschlandradio an sich ist kein Skandal, ebenso wenig deren Finanzierung und deren Gremien. Das öffentlich-rechtliche System und seine Programmangebote, denen Studien regelmäßig eine hohe Glaubwürdigkeit attestieren, ist auch weder im Grundsatz „kaputt“ noch ist „Das Erste (...) zu oft das Allerletzte“ (Bild). Schon gar nicht ist es „Staatsfunk“, wie es aus einer rechten Ecke tönt, die etwa unter „unabhängigem Journalismus“ die Bestätigung des eigenen Weltbilds versteht.

    Das öffentlich-rechtliche System in Deutschland, das mit dem privaten Rundfunk als Gegenstück das „Duale Rundfunksystem“ bildet, ist im Gegenteil und als Lehre aus dem Dritten Reich auf Staatsferne hin konzipiert. Es konnte sich in seiner Geschichte, alles in allem betrachtet, politischen Versuchen der Einflussnahme erfolgreich erwehren. Im deutlichen Unterschied jedenfalls zu anderen öffentlich-rechtlichen Sendern in Europa, deren Staatsferne und Unabhängigkeit nicht mehr gegeben oder gefährdet ist.

    Deutschland braucht starke Medien als Stütze der Demokratie

    Statt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Folge eines jeden – echten, meist aber vermeintlichen – Skandals grundsätzlich infrage zu stellen und nicht konstruktiv an einer Reformdebatte mitzuwirken, sollten gerade Politikerinnen und Politiker jetzt alles dafür tun, um Unabhängigkeit und Pressefreiheit zu stärken (was für private Medienunternehmen ganz genauso gilt). Denn Deutschland braucht starke Medien als Stütze der Demokratie – in diesen Zeiten besonders als Korrektiv der Fake-News-Schleudern im Internet und als Plattformen des Dialogs einer auseinanderdriftenden Gesellschaft.

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