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Kommentar: Jetzt schlägt die Stunde der CDU – wenn sie es richtig macht

Kommentar

Jetzt schlägt die Stunde der CDU – wenn sie es richtig macht

Michael Stifter
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    CDU-Chef Friedrich Merz hat den Kanzler in Sachen Deutschlandpakt unter Zugzwang gesetzt.
    CDU-Chef Friedrich Merz hat den Kanzler in Sachen Deutschlandpakt unter Zugzwang gesetzt. Foto: Bernhard Weizenegger

    Die CDU wird noch gebraucht. Doch die Partei steht sich seit Jahren selbst im Weg - mit öffentlich ausgetragenen Flügelkämpfen und unbeholfenen Versuchen, moderner zu wirken, als sie ist. Ausgerechnet das Flüchtlingsthema, das die Union unter Angela Merkel einst in eine schwere Identitätskrise stürzte, kann nun allerdings zur Stunde der

    Mit seinem - wohlkalkulierten - Angebot an den Kanzler, die Herausforderungen gemeinsam anzugehen, hat Parteichef Friedrich Merz die Bundesregierung jedenfalls mehr unter Zugzwang gesetzt als mit einem ganzen Jahr Fundamentalopposition und Nörgelei. Wenn die CDU jetzt der Versuchung widersteht, die Stimmung in der Bevölkerung weiter anzuheizen, nur um daraus eigenen Profit zu schlagen, kann sie wieder das werden, wofür sie seit jeher stand: eine im besten Sinne staatstragende Partei. 

    Ob Merz diese Chance tatsächlich nutzt? Zu oft hat er sein fehlendes Gespür für Timing bewiesen. Es ist schon kurios. Da steckt das Land im Krisenmodus, viele Menschen sind verunsichert, andere frustriert oder wütend. Und die CDU präsentiert ein glattes, marketing-optimiertes Image-Filmchen samt neuem Parteilogo. Soll das die Antwort der letzten verbliebenen Volkspartei auf unsere Probleme sein? Ein neuer Hochglanzlack und die etwas gewollte Besinnung auf den alten Konrad Adenauer, der posthum Pate für die Parteifarben Rhöndorf (sein Wohnort) und Cadenabbia (sein Urlaubsdomizil) stehen musste?

    Bei der CDU erinnert nicht nur der neue Look an den österreichischen Ex-Kanzler Kurz

    Klar, das sollte man nicht zu hoch hängen. Aber die Debatte um diesen missglückten Neuanfang sagt schon etwas aus über den Zustand der CDU. Es ist ja nicht nur der neue türkisfarbene Look, der frappierend an den gestolperten österreichischen Kanzler Sebastian Kurz erinnert, der einst mit Rechtsauslegern paktierte. Es geht auch um das Erbe von Angela Merkel, die erst nachträglich in das Video hineinmontiert werden musste. Gedankenlosigkeit oder doch eine bewusste Provokation gegen das liberale, christlich-soziale Lager der Partei? Der Gedanke, Merz könnte seiner alten Rivalin und deren Anhängern bewusst eins ausgewischt haben, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Und genau das ist das Hauptproblem des Parteichefs. Wir gegen die. Kreuzberg gegen Gillamoos. Jung gegen Alt. Liberal gegen konservativ. Zu oft grenzt Merz aus, wo er mitnehmen müsste. Eine Volkspartei hat den Anspruch, möglichst alle Menschen zu erreichen. 

    Doch nun hat Merz die Chance, das Ruder herumzureißen. Mit seiner knallharten Distanzierung von der AfD, im Interview mit unserer Redaktion, genauso wie auf dem CSU-Parteitag. Mit seinem Bekenntnis, dass demokratische Parteien immer bereit sein müssen, miteinander zu reden und miteinander zu arbeiten. Mit seinem geschickten Schachzug, Olaf Scholz in Sachen Deutschlandpakt öffentlich beim Wort zu nehmen. 

    Um mitzunehmen, statt auszugrenzen, muss er viel klarer machen als bisher, dass die größte Gefahr für unsere Demokratie nicht von Klimaklebern, Veganern, Linken, Grünen, vom Gendern oder dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgeht, wie man in den vergangenen Monaten oft glauben konnte, wenn man ihm zugehört hat. Sondern von den Demokratieverächtern und Extremisten, die in unseren Parlamenten sitzen. 

    Es ist ja richtig, was Merz sagt: Der Bundeskanzler kann nicht die politische Konkurrenz zu einem Pakt auffordern und sich dann wieder unsichtbar machen. Damit wird der Regierungschef seiner Verantwortung nicht gerecht. Es ist die Gelegenheit für den Oppositionsführer, Verantwortung zu übernehmen.

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