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Kommentar: Politische Macht braucht Kontrolle

Kommentar

Politische Macht braucht Kontrolle

Rudi Wais
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    Angela Merkel hat sich den Fragen der Abgeordneten gestellt.
    Angela Merkel hat sich den Fragen der Abgeordneten gestellt. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Um zu verstehen, was gerade schiefläuft in der deutschen Politik, wagen wir an dieser Stelle ein kleines gedankliches Experiment. Einmal angenommen, anstelle der AfD säßen heute die Freien Wähler im Bundestag und der erste Skandal der neuen Legislatur würde sich nicht um tausende falscher Asylbescheide drehen, sondern um ein paar verschwendete Milliarden in irgendeinem anderen Amt: Würde die Opposition dann zögern, einen Untersuchungsausschuss einzurichten? Natürlich nicht. Er hätte sich längst an die Arbeit gemacht, vielleicht wäre schon ein Minister zurückgetreten oder der Leiter der Behörde, in jedem Fall jedoch würde der

    Die vier Fraktionen sollten sich auf einen Untersuchungsausschuss einigen können

    Die Realität sieht um einiges trauriger aus. Eine auf vier Fraktionen zersplitterte Opposition ist nicht in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen – nämlich der Regierung auf die Finger zu klopfen. Die Linke ist vor allem mit internen Querelen beschäftigt, die Liberalen haben nach Monaten am Rande der Wahrnehmungsschwelle immerhin kurz gezuckt und einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Asylaffäre beantragt, dem die Grünen sich aber verweigern, weil die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin im Kern ja ihre eigene ist. Und mit der Alternative für Deutschland macht ohnehin niemand gemeinsame Sache: zu unappetitlich, zu radikal, zu dominant wohl auch. Um eine parlamentarische Untersuchung zu erzwingen, muss die FDP auf Leihstimmen aus dem Regierungslager hoffen – absurd.

    Auch wenn es keine Koalitionen in der Opposition gibt: Auf einen Untersuchungsausschuss zumindest sollten sich die vier Fraktionen einigen können. Macht braucht Kontrolle, zumal in einem so brisanten Fall wie dem des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Hat die letzte Koalition, allen voran die Kanzlerin, die notorische Überforderung der Behörde billigend in Kauf genommen? Ist sie mitverantwortlich für Asylmissbrauch und Amtsversagen? Untersuchungsausschüsse sind schon aus nichtigeren Gründen eingerichtet worden.

    Die Trennlinie verläuft nicht demokratisch normal

    Natürlich hat der Einzug der AfD in den Bundestag die Dinge komplizierter gemacht, zumal sie auch noch die stärkste Fraktion in der Opposition stellt. Eine Partei jedoch, deren Fraktionsvorsitzender den Holocaust als Vogelschiss der Geschichte verharmlost, kann nicht in staatstragender Selbstverständlichkeit die Oppositionsführerschaft für sich reklamieren.

    Deshalb, vor allem, verläuft die unsichtbare Trennlinie im Bundestag heute nicht zwischen Regierung und Opposition, wie es demokratische Normalität wäre, sondern zwischen den etablierten Parteien und der AfD. Auch die neue Fragestunde mit der Kanzlerin wusste die Opposition am Mittwoch nicht für sich zu nutzen: zu viele Themen in zu kurzer Zeit, als Ko-Referate getarnte Fragen, die üblichen Attacken von der AfD und eine Kanzlerin, an der alles abzuperlen scheint. Vor allem die sonst so kritischen Grünen wirken im Moment wie weichgespült – als liefen sie sich schon für eine Regierungsbeteiligung an der Seite der Union warm.

    Wer ist für die Asyl-Affäre verantwortlich?

    Opposition aber ist kein Selbstzweck wie bei der Linken und auch kein Atemholen für die nächste Legislatur, sondern der vielleicht wichtigste Dienst an der Demokratie. Kritisch hinsehen, Fehler benennen, Aufklärung erzwingen: Ob Asylaffäre, Diesel-Skandal oder die Versuche anderer Euro-Länder, Deutschland stärker in die finanzielle Pflicht zu nehmen – an Themen fehlt es nicht. Wenn das Land heute trotzdem wie sediert wirkt, liegt das nicht nur an einer Regierung, die sich selbst genug ist und nur noch den Status quo verwaltet. Es liegt auch an einer Opposition, die nicht in die Gänge kommt.

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