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Kommentar: Steuern und Asylpolitik: Die Bundesländer sind zu mächtig

Kommentar

Steuern und Asylpolitik: Die Bundesländer sind zu mächtig

Rudi Wais
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    Acht Parteien, aber keine belastbaren Mehrheiten: Der Bundesrat.
    Acht Parteien, aber keine belastbaren Mehrheiten: Der Bundesrat. Foto: Joerg Carstensen, dpa

    Eine Asylwende, eine Wirtschaftswende - und am besten auch noch eine Mentalitätswende: Friedrich Merz hat sich viel vorgenommen, sollte er nach der Bundestagswahl tatsächlich Kanzler werden. Das größte Hindernis auf dem Weg zu einer couragierten Reformpolitik aber wird am Ende nicht sein Koalitionspartner sein, ob der nun rot, grün oder gar gelb etikettiert ist. Um Krisendeutschland wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, braucht Merz auch Mehrheiten im Bundesrat. Und die hat er nicht.

    Mehr als 300 Gesetzesvorlagen hat die Ampelkoalition in der laufenden Wahlperiode beschlossen, von denen mehr als die Hälfte zustimmungspflichtig war, also erst mit dem Segen der Länderkammer in Kraft treten konnte. Dort aber hätten weder Union und SPD noch Union und Grüne eine sichere Mehrheit – und eine schwarz-gelbe Koalition erst recht nicht. Im wahrscheinlichsten Fall, einem Bündnis mit der SPD, könnte Merz nur auf 22 der 69 Stimmen bauen - drei aus dem von der SPD alleine regierten Saarland sowie insgesamt 13 von den Großen Koalitionen aus Berlin, Sachsen und Hessen plus die sechs Stimmen aus dem CSU-dominierten Bayern. 13 weitere Stimmen müsste er sich durch geschicktes Verhandeln aus anderen, farbfremden Bundesländern holen.

    Schröder und Diepgen: Tausche Zustimmung gegen Stadionsanierung

    Wie das im Zweifel ausgeht, zeigen die Versuche, mehr Länder zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, in die abgelehnte Asylbewerber leichter abgeschoben werden können. Diese Versuche scheitern in der Regel an den Landesregierungen, an denen die Grünen beteiligt sind. Auch Entlastungen bei der Einkommenssteuer benötigen den Segen des Bundesrates, weil sie auch die Einnahmen von Ländern und Kommunen schmälern. Gerhard Schröder hat die letzte große Reform dieser Art einst durch den Bundesrat bekommen, indem er Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen als Gegenleistung für seine Zustimmung vor der Fußball-WM 2006 die Sanierung des Olympiastadions auf Kosten des Bundes versprach. Inzwischen aber ist die politische Landschaft um einiges zersplitterter als damals – entsprechend schwierig ist die Suche nach Mehrheiten heute.

    Wolfgang Schäuble war sich noch sicher. „Föderalismus begrenzt Macht und sichert Freiheit“, schwärmte er einst. Tatsächlich ist der Föderalismus längst zu einer Reformbremse geworden – oder, wie in der Bildungspolitik, zur Ursache für ein Bildungsgefälle, das seinesgleichen sucht in Europa. Umso nötiger wäre es, die Finanzströme zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen und die Kompetenzen klarer zu trennen. Heute kann das ambitionierteste Vorhaben schon daran scheitern, dass sich eine Reihe von Bundesländern im Bundesrat einfach nur enthält, weil eine Enthaltung wie eine Gegenstimme gewertet wird. Für den Politikwechsel, den der Kanzlerkandidat der Union versprochen hat, verheißt das nichts Gutes: Merz wird mehr Kompromisse oder teure Zugeständnisse machen müssen als ihm lieb ist.

    Das System funktioniert mit immer mehr Parteien nicht mehr

    In einem System mit drei oder vier Parteifarben hat das Zusammenspiel von Bund und Ländern über Jahrzehnte gut funktioniert. Die Macht zwischen den einzelnen Ebenen des Staates war ausbalanciert und die Länderkammer häufig ein politisches Korrektiv. Inzwischen aber sitzen im Bundesrat acht Parteien von Union und SPD über Sahra Wagenknechts BSW bis zu den Freien Wählern aus Bayern. Faktisch haben die Länder damit keine große Gestaltungsmöglichkeit mehr auf Bundesebene, aber eine stabile Verhinderungsmehrheit. Die allerdings zementiert die Verhältnisse, anstatt sie zu ändern.

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    1 Kommentar
    Wolfgang Schwank

    Allein weil es möglichen "Reformen" eines möglichen Kanzlers Merz im Wege stehen könnte ist für Herrn Wais ausreichend, unseren förderalen Staatsaufbau in Frage zu stelen. Wenn beispielsweise ein Herr Söder ins bayrische Horn wider Berlin bläst, liest man ähnliches nicht. Unsere förderalen Strukturen sind nun mal historisch gewachsen (einige wurden nach 1945 den Besatzungszonen folgend zusammengezimmert) widerspiegeln die kulturelle, gesellschaftliche Vielfalt und haben sich prinzipiell bewährt. Und so muss sich halt eine jeder Kanzler - ob von Herrn Wais präferiert oder nicht - seine Mehrheiten in beiden Kammern suchen. Aber scheinbar werden immer mehr mit dem Trump-Virus infiziert und das Durchregieren als das Gute gesehen.

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