Französische Truppen in der Ukraine? Macron rüttelt an einem Tabu
Man solle nicht ausschließen, Bodentruppen in die Ukraine zu senden, sagt Frankreichs Präsident – und löst heftigen Widerspruch aus. Wie ernst ist der Vorstoß?
Mit ein paar wenigen Sätzen über das Entsenden westlicher Bodentruppen in die Ukraine hat Frankreichs Präsident an einer bisher roten Linie der Unterstützer des von Russland angegriffenen Landes gerührt und für aufgebrachte Diskussionen gesorgt. "Es gibt heute keinen Konsens darüber, offiziell Bodentruppen zu entsenden", sagte Emmanuel Macron nach einem Gipfel für die Unterstützung der Ukraine in Paris. "Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann.“
Der Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre seit Beginn der russischen Angriffe zwinge zu großer Demut: Manche, die damals Schlafsäcke und Helme angeboten hätten, forderten heute schnellere und stärkere Militärhilfe. Viele die heute "nie, nie" sagten, seien dieselben, die vor zwei Jahren sagten "nie, nie Panzer, nie, nie Flugzeuge, nie, nie Raketen mit längerer Reichweite". Es war eine kaum verhohlene Spitze gegen den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dessen wiederholten Appell an die europäischen Partner, endlich mehr zu liefern.
Scholz selbst wies den Vorstoß Macrons deutlich zurück. Man habe sich auch für die Zukunft darauf verständigt, "dass es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden geben wird, die von europäischen Staaten oder von Nato-Staaten dort hingeschickt werden". Nach seiner Darstellung soll es auch keine Beteiligung von Soldaten aus der Ferne am Kriegsgeschehen geben. Man habe besprochen, "dass auch die Soldaten, die in unseren Ländern tätig sind, sich nicht selber etwa aktiv an dem Kriegsgeschehen beteiligen", sagte er. Eine Beteiligung aus der Ferne wäre zum Beispiel über die Programmierung von Zieldaten für Flugkörper möglich.
Andere Länder weisen den Vorstoß von Macron zurück
Zurückhaltende Äußerungen zum Macron-Vorstoß kamen selbst aus Polen, Tschechien und Großbritannien. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte den französischen Präsidenten deutlich: "Staatskunst besteht nicht in markigen Worten, sondern zeigt sich in konkreter Unterstützung und gleichzeitig in der Fähigkeit, auch die Eskalationsrisiken, die jedem Krieg innewohnen, zu bedenken." Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte: "Troops on the ground ist keine Option für die Bundesrepublik Deutschland."
Der Kreml warnte: Eine Entsendung von Truppen mache einen Konflikt zwischen Russland und der Nato nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der Westen müsse sich darüber im Klaren sein, dass die Folgen nicht seinen und schon gar nicht den Interessen seiner Bürger entsprächen.
Französische Truppen in der Ukraine sind unwahrscheinlich
Macrons „Nicht-Ausschließen“ eines Einsatzes von Bodentruppen stieß aber nicht nur bei den europäischen Partnern und in Russland auf Skepsis. Auch in der französischen Öffentlichkeit, wo der russische Angriffskrieg weniger präsent ist als in Deutschland, wäre ein solcher Plan höchst umstritten. Noch befürwortet zwar laut einer aktuellen Umfrage eine Mehrheit von 62 Prozent der Franzosen Waffenlieferungen in das kriegsgebeutelte Land. Aber die Zahl ging seit Juni 2023 um zehn Prozentpunkte zurück. Zwar könnte der Präsident als oberster Armeeführer eine entsprechende Entscheidung alleine und ohne die Absegnung durch das Parlament treffen, doch dass Macron dazu bereit sein könnte, gilt als unwahrscheinlich.
Was also bezweckt Macron mit seinem Vorstoß? Der französische Politikwissenschaftler und Spezialist für internationale Beziehungen, Bertrand Badie, sagt, er erkenne „mehrere Botschaften, die eher politisch als militärisch sind“: Die erste sei eine Warnung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, keine weiteren roten Linien zu überschreiten; die zweite gehe an das beunruhigte ukrainische Volk, die dritte Botschaft richte sich an Europa: „Macron hat immer diese Idee der europäischen Verteidigung angestoßen und möchte als deren Anführer auftreten“, sagt Badie.
Die EU will der Ukraine mehr Munition liefern
Mit seinen zuletzt sehr klaren Worten hat der 46-Jährige eine zumindest kommunikative Wende vollzogen. Vor zwei Jahren betonte Macron in Interviews noch, Russland müsse im Fall von Friedensgesprächen „Sicherheitsgarantien“ und Putin einen „gesichtswahrenden“ Ausweg erhalten. Schon damals verstörte er viele Partner. Am Montag betonte Macron nun, die russische Niederlage sei „unerlässlich für die Sicherheit und die Stabilität in Europa“.
Frankreichs Präsident persönlich hatte das Treffen am Montag mit gut 20 Staats- und Regierungschefs initiiert, nachdem er bei einer Videokonferenz der G7 am zweiten Jahrestag des Kriegsbeginns gefehlt hatte, weil er den kompletten Tag auf der Pariser Landwirtschaftsmesse verbrachte. Bei dem Gipfel verständigte man sich unter anderem auf Initiativen zur Cyber-Abwehr, die abgestimmte Produktion von Waffen und den Ankauf von Munition auch aus Nicht-EU-Staaten. Genau dagegen hatte Paris sich lange gesperrt, um die europäische Rüstungsindustrie nicht zu schwächen. Die Folge: Nur ein Drittel der von der EU versprochenen Artilleriemunition konnte geliefert werden, wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj klagte.
Mit seiner jüngsten Initiative wollte Macron wohl auch jenen Kritikern begegnen, denen zufolge er die Ukraine vor allem mit Worten, aber nicht ausreichend mit Taten unterstütze. Dem Kieler Institut für Weltwirtschaft zufolge rangiert Frankreich bei der Militärhilfe weltweit nur auf dem 15. Platz. Zwar hat Paris dessen Zählweise kritisiert, doch auch mit den für dieses Jahr vorgesehenen drei Milliarden Euro liegt es im Vergleich hinter anderen Ländern zurück. Der Élysée-Palast betonte, dass die französischen Waffensysteme – im Gegensatz zu anderen – erstklassig und sofort einsatzbereit seien. „Milliarden sind noch keine Waffen und ein Krieg entscheidet sich nicht mit Hilfsversprechen.“ (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.
Achte auf deine Gedanken, Worte... sie sind der Anfang deiner Taten. In diesen Ukraine Krieg ist der Westen in seinem Denken und Tun so festgefahren, dass man inzwischen anfängt Spielchen zu spielen und Worthülsen werden locker mal rausgehauen.. Ob Putin den Krieg begonnen hat ist inzwischen egal.. Jeder EU Politiker macht hintenrum was er will, fahren in die Ukraine, versprechen viel und damit ist Kanzler Scholz Multilateral nur noch Wunschdenken. Der Westen muss ehrlicher werden.. aber solange die einzelnen Länder nur auf sich selbst schauen, wie die Ost Länder und nur Geld fordern, ist damit der Krieg in der Ukraine schon verloren.
Ich sehe eh keine Chance dass dieser Krieg gewonnen werden kann und fordere Friedensverhandlungen ein. Und einen Weltkrieg will keiner riskieren..!
So, so, Sie fordern Friedensverhandlungen. Sie glauben also, das es dazu nicht schon zig Versuche gab, denn diese Waffenlieferungen reißen ja riesen Löcher in die Haushalte der Zulieferer aus USA und EU. Haben Sie schon mal in Erwägung gezogen, daß es solche Versuche schon mehrfach gegeben hat aber leider ein gewisser Putin daran kein Interesse hat, weil er glaubt, er bekommt die Ukraine oder Teile davon frei Haus ohne weitere Kompromisse und Zugeständnisse ? Gab es da nicht mal das Budapester Memorandum, in welchem Russland der Ukraine umfassende Sicherheitszusagen machte, nachdem diese die ganzen Nuklearen Gefechtsköpfe an Russland zurück gab. Klar, in Ihren Augen ist Putin ein Ehrenmann, friedliebend und vertragstreu. So ähnlich ja auch die Einschätzung von Sahra Wagenknecht aus dem Bündnis BSW (Bündnis Sahrah und Putin...pardon Bündnis Sarah Wagenknecht). Das Rufen nach Verhandlungen kostet Menschen wie Sie folglich rein garnichts und man immer das schöne Gefühl auf der friedlichen, menschlichen, humanen, ehrenwerten Seite zu stehen. Einfach praktisch !
Das ist eine Rauchbombe von Macron. Frankreich und auch Großbritannien liefern viel zu wenig an die Ukraine und versuchen durch billige Rhetorik davon abzulenken. Die USA liefert überhaupt nichts mehr. Und beim Blick auf die drei größten europäischen Verbündeten müsste den Ukrainern endgültig himmelangst werden.
Macron ist ein kluger Mann, der begreift, dass in einem Krieg mit einem kaum zu berechnenden Diktator derjenige schon verloren hat, wer diesem lückenlos darlegt, wo die “Grenzen” sind. Macron befolgt die Regel der Strategischen Zweideutigkeit, in dem er Putin einen Restzweifel beschert, wie weit die Nato gehen würde. Eine Form der Abschreckung, die nichts kostet.Das einzige was einen Kriegstreiber davon abhält weiter voranzuschreiten, sind Zweifel über die Reaktion der Angegriffenen und deren Unterstützer, ist das Risiko das es einem am Ende selbst trifft. Darauf basiert das ganze Konzept von Abschreckung. Das was Scholz und die anderen reflexartigen Schreier mit ihren umgehenden Dementierungsgeheule hingegen machen , ist an Dummheit kaum zu überbieten. Welche Waffen wir nicht liefern, das es niemals zum Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine kommt….man spürt förmlich, wie Putin zufrieden lächelt und sagt “danke Jungs, auf Euch ist Verlass und Olaf Scholz auf Dich besonders”. Ja, Olaf, Dir noch einen Extrapunkt für Transparenz und Offenheit in der Kommunikation mit einem Kriegstreiber, Putin weiß nun daß er weder Nato Bodentruppen zu befürchten hat, noch gelenkte Drohnen mit hoher Reichweite und Zerstörungskraft. Sehr Brav ! Auch Mützenich wird wieder zufrieden sein und Kevin Kühnert Deine Besonnenheit (oder ist es etwa Feigheit ??) loben.
Macron laufen innenpolitisch die "Felle" davon. Er versucht außenpolitisch zu punkten - was ihm mit diesen Gedanken total mißlang.
Zu Macrons Überlegung bezüglich der Bodentruppen scheibt EURAKTIV heute Morgen: „Ob und welche Länder einen solchen Schritt erwägen, ließ er offen und sprach von einer ‚strategischen Ambiguität‘“.
(https://www.euractiv.de/section/europa-kompakt/news/frankreich-parlamentsdebatte-ueber-ukraine-unterstuetzung-inmitten-von-kritik/)
Und Herr Kiesewetter (CDU) attestiert heute im Morgenmagazin Macron die Übernahme der Führung. Herrn Kiesewetter reicht es somit schon aus, wenn der französische Präsident ein paar unabgestimmte und dadurch großen Schaden anrichtende Sätze sagt. Deutschlands Hilfen sind im Vergleich zwar 16-mal höher (habe ich gestern so beiläufig in einer Fernsehsendung mitbekommen, kann aber die Quelle nicht benennen), aber klar, bei parteipolitischen Spielchen haben Fakten allenfalls eine untergeordnete Bedeutung.
Helmut Eimiller
Macron versucht diesen Kriegtreiber Putin zumindest etwas zu dämpfen, in dem er nicht von vornherein alles ausschließt, was diesem wirklich Probleme machen könnte. Das es taktisch besser ist, einen Agressor im Zweifel darüber zu lassen, wie weit man zu gehen bereit ist ("Strategische Zweideutigkeit") , um sich zu verteidigen, dürfte selbst einem engagierten Erstklässler ohne weiteres einleuchten und kostet nichts. Überfordert aber Scholz und Mützenich und die anderen Dementierungsschreier intellektuell bei weitem.
"Macron versucht diesen Kriegtreiber Putin zumindest etwas zu dämpfen"
Gehen Sie mal davon aus, dass Putin die innenpolitische Situation Macrons sehr gut kennt und dessen Gehabe richtig einzuschätzen weiss . . .
Georg KR. ich kenne kein einziges Beispiel aus einem EU Land, in der ein Regierungschef "innenpolitisch punkten" konnte mit der Ankündigung Bodentruppen in einen Krieg zu schicken. Können Sie mir bitte ein oder zwei Beispiele nennen ?
Aber vielleicht könnte ja Scholz aus seinem innenpolitischen Tief rauskommen, in dem er Deutsche Bodentruppen in der Ukraine nicht ausschließt, so wie Macron. Was meinen Sie ?
Vielleicht sollte man Macron an das Schicksal der Grande Armee in Rußland erinnern.
Na ja, es muß ja nicht zum Durchmarsch bis Moskau kommen. Spass beiseite, wie man bei einer Ankündingung im Rahmen eines bestehenden Kriegs, ausgelöst durch einen Agressor, eine mögliche Operation von vornherein nicht gänzlich ausschließen zu wollen, nun so reagiert, als sei der Start der Aktion für Anfang März beschlossen, das grenzt an reine Massenhysterie.
Es scheint in Europa doch Kräfte zu geben, die die Gefahr eines WK 3 unterschätzen, wenn die Hilfeleistungen der westl Staaten für die UA sich in Richtung Entsendung von milit. Personal in die UA zur Unterstützung des Einsatzes von komplexen Waffensystemen gehen. Gott sei Dank nimmt da DEU eine klare Haltung ein- keine deu Soldaten in die UA auch nicht verdeckt. Natürlich gehen der UA je länger der Krieg dauert das Personal aus, so dass am Ende die Kriegführungsmöglichkeiten immer eingeschränkter werden. Aber es steht jedem Bürger in Westeuropa frei sich der UA Armee anzuschliessen nur dem großen Wagnis einer Fahrkarte ohne Rückkehr. Die Gefahr des Personalmangels sehen auch alle namhaften Experten im Westen so. Auffallend ist auch , dass sich die USA aus den derzeit laufenden UA Unterstützungsdiskussionen weitestgehend heraushalten. Aber ohne die dauerhafte USA Unterstützung , muss Kiew einen PLan B für einen Waffenstillstand in Betracht ziehen. Da kann sich der UA Präsident noch so winden und sträuben.
"Auffallend ist auch , dass sich die USA aus den derzeit laufenden UA Unterstützungsdiskussionen weitestgehend heraushalten."
Das ist nicht auffallend, sondern den Machtkämpfen zwischen den Republikanern und den Demokraten geschuldet. Eine reine politische Verzögerung und hat keineswegs etwas mit oder gegen eine Unterstützung der Ukraine durch die USA zu tun. Hier geht es alleinig um Machtspiele und die Unterstützungsleistungen sind alleinig Mittel zum Zweck.
@Franz X: „Hier geht es alleinig um Machtspiele“
Herr X., Sie sind also tatsächlich der Auffassung, Machtspiele gibt es in der Politik nur in Ausnahmefällen?
Helmut Eimiller
Offenbar gehören Sie zu der Gruppe von Bürgern, die um des lieben Friedens Willen keine Probleme damit hättem das dieses Land einmal eine Provinz eines Großrussischen Reiches wird. Die zwar im täglichen Leben lautstark ihre persönlichen Freiheitsrechte einfordern, aber niemals auf die Idee kämen auch dafür zu kämpfen. Hauptsache, der nächste Urlaub ist gesichert.
Helmut Eimiller: "Herr X., Sie sind also tatsächlich der Auffassung, Machtspiele gibt es in der Politik nur in Ausnahmefällen?"
Machtspiele in der Politik
"Machtspiele" hat natürlich einen negativen Geschmack. Wenn man jedoch über politische Durchsetzungsfähigkeiten in einer Demokratie nachdenkt, sieht man, dass Politikerinnen und Politiker bei politischen Sachentscheidungen immer auch die Seite der Macht mitbedenken müssen.
Sonst werden sie bald höchstens noch mit Kommentaren im AZ-Forum wirksam. :-)
Raimund Kamm