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Kommentar: Klima oder Energie: Die Politik der halben Sachen ist vorbei

Kommentar

Klima oder Energie: Die Politik der halben Sachen ist vorbei

Margit Hufnagel
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    Das Ahrtal wurde bei der Flut im Jahr 2021 massiv zerstört. Es fehlt aber an Lehren aus solchen Ereignissen.
    Das Ahrtal wurde bei der Flut im Jahr 2021 massiv zerstört. Es fehlt aber an Lehren aus solchen Ereignissen. Foto: Lisa Gilz

    Tage wie diese im Sommer 2021 erlebt Deutschland nur selten. Innerhalb von Stunden setzt der Regen einen ganzen Landstrich unter Wasser, reißt mit seinen Fluten mehr als 100 Menschen in den Tod. Die Überschwemmung im Ahrtal war eine Katastrophe, die eigentlich das Zeug dazu gehabt hätte, das Land zu verändern, klarzumachen: dass der Klimawandel eben nicht nur für Menschen zu spüren sein wird, die in Afrikas Wüstenregionen leben oder auf Südsee-Inseln, die dem Untergang geweiht sind. Doch kaum waren die Kameras abgezogen, gerieten das Ahrtal und die Ursachen für die Jahrhundertflut aus dem Blick. Zu umfassend ist die Krisenlage, zu lang die Liste der Sorgen, die die Gesellschaft in einen Zustand der Dauer-Verunsicherung versetzt.

    Die Corona-Pandemie will kein Ende nehmen. Schon wieder füllen sich die Intensivstationen. Schon wieder drehen sich die Gespräche um Infizierte und Krankenstände. Übertönt wird das Grundrauschen nur von einem anderen Thema: Der Befürchtung, dass Deutschland im Winter die Energie ausgehen könnte – oder Gas und Strom zumindest so teuer werden, dass es für viele Menschen zum echten finanziellen Problem wird.

    Verschiedene Krisen müssen gehandhabt werden

    Die Politik muss diese multiplen Krisen in einer Taktung bewältigen, die vieles in den Schatten stellt. Doch wer sich alle drei Probleme anschaut, der findet schnell ein verbindendes Element – es lautet: Die Zeit, in der wir uns halbe Sachen leisten konnten, ist abgelaufen. Nur wer ganzheitlich denkt und Entscheidungen nicht aufschiebt, sondern konkret unterfüttert, kann es vermeiden, dass er ein Feuer austritt und dabei drei andere entfacht.

    Besonders offensichtlich wird das am Beispiel des Ahrtals: Längst haben Studien bewiesen, dass der Klimawandel einen großen Anteil an dem Unglück hatte. Doch obwohl die Schäden – materiell wie menschlich – so gewaltig waren, tun wir uns schwer damit, unser Verhalten zu ändern. Im Gegenteil: Um die Energiekrise in den Griff zu bekommen, wird aktuell sogar der dreckige Energieträger Kohle wieder aus dem Keller geholt. Es ist ein klassisches Dilemma: Was nützt es uns, die Umwelt zu schonen, wenn dabei Menschen leiden und der Wohlstand verloren geht? Was nützt es uns, es diesen Winter warm zu haben, wenn wir damit langfristig die Probleme nur größer machen?

    Olaf Scholz muss aussprechen, wie die Zukunft aussehen wird

    Die scheinbare Ausweglosigkeit zeigt, dass es im Miteinander vor allem auf eines ankommen wird: Ehrlichkeit und Kommunikation. Die Regierung muss klarmachen, dass wir einen Preis zahlen werden – ganz gleich, für welchen Weg wir uns jetzt entscheiden. Zumindest Wirtschaftsminister Habeck versucht immer wieder, mit fast schon brutaler Offenheit um Verständnis für Entscheidungen zu werben.

    Doch in Zeiten wie diesen kommt es eben auch auf den Kanzler an. Der versteckt sich hinter gedrechselten Sätzen, statt die Bürger auf das einzustimmen, was auf sie zukommt: Verzicht. Viel zu lange haben wir uns schöngeredet, dass sich schon alles geschmeidig lösen wird, dass der technische Fortschritt den Kampf gegen den Klimawandel quasi nebenbei geschehen wird. Von dieser Illusion müssen wir uns verabschieden. Nur die billigen Energieträger, die wir über Jahrzehnte bezogen haben, ermöglichten uns den Lebensstil, an den wir uns so sehr gewöhnt haben. Und doch gibt es in all den Krisen eine hoffnungsvolle Nachricht: Je grüner unsere Energiegewinnung wird, je weniger wir verbrauchen, umso unabhängiger sind wir von größenwahnsinnigen Autokraten wie Putin.

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